Landespolitik:Bayern-SPD hofft auf den Scholz-Bonus

Lesezeit: 3 min

SPD-Bundesvorsitzender Lars Klingbeil (rechts) motiviert die bayerischen Genossen um Landes- und Fraktionschef Florian von Brunn (links) für den Landtagswahlkampf. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Zum Auftakt der Winterklausur spricht Parteichef Lars Klingbeil den bayerischen Genossen Mut zu: "Es lohnt sich, jeden Kampf zu führen." Er kennt sich aus mit schier aussichtslosen Wahlkämpfen.

Von Johann Osel

Nein, da steht nicht etwa der neue Verteidigungsminister vorn am Pult und setzt den Auftakt zur Winterklausur der SPD-Landtagsfraktion. Bis zuletzt war der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil ja für den vakanten Posten in der Ampel-Koalition gehandelt worden. Bei einem Anruf aus dessen Büro noch am Dienstagmorgen haben Mitarbeiter der bayerischen Fraktion kurz den Atem angehalten: eine Absage? Doch das war nur zwecks Absprache, der neue Minister heißt Boris Pistorius.

Und Klingbeil kann in München das tun, wofür er wohl hauptsächlich eingeladen wurde: Mut machen. Er war 2021 als Generalsekretär der Bundes-SPD für die Kampagne von Olaf Scholz zuständig, der anfangs ob seiner Kanzler-Ambitionen verspottet wurde und dann doch das Rennen machte. Ungefähr so stellt sich bekanntlich auch Florian von Brunn - Spitzenkandidat, Chef der Bayern-SPD und Fraktionsvorsitzender - den Verlauf des Landtagswahljahrs vor. Brunn hört genau zu, als Klingbeil erzählt: Nur elf Prozent habe seine Partei mal in einer Umfrage gehabt und wenn er über das Kanzlerziel gesprochen habe, sei er nur "bemitleidend angeschaut" worden. Aber: "Es lohnt sich, jeden Kampf zu führen, und das werden wir in Bayern zeigen."

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Die genannten elf Prozent, eher weniger, sind auch das Niveau, auf dem Brunns Bayern-SPD herumkrebst. Neun Prozent waren es neulich im BR24-Bayerntrend, in einer anderen Umfrage dann zehn - also in etwa wie bei der Wahl 2018, da hatte die SPD mit 9,7 Prozent ein historisches Debakel erlebt. Dass sich seit Brunns Übernahme der Macht im Landesverband (zusammen mit Ronja Endres als Co-Chefin) und in der Fraktion gar nichts geändert hat, wäre aber zu kurz gegriffen. Neben dem, unlängst bekräftigten, Wahlziel "15 Prozent plus x" hatte Brunn den Genossinnen und Genossen "ein Ende der Leisetreterei" in Aussicht gestellt. Das hat er eingelöst. Er ist medial präsent, oft mit knackigem Spruch; generell schlägt Brunn lieber die Pauke als die Schnarrtrommel. Allerdings, eine Ampel in Bayern liegt laut Umfragen in schier unerreichbarer Ferne. Hinzu kommt: Zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger finden laut Bayerntrend, dass es im Freistaat insgesamt gerecht zugehe. Das Kernthema der SPD, die soziale Gerechtigkeit, wirkt jedenfalls nicht gerade als Motor einer Wechselstimmung.

Zudem ist da die Frage, was von der Debatte um den jetzt ehemaligen bayerischen SPD-Generalsekretär Arif Taşdelen an Schaden bleibt. Er war zurückgetreten, nachdem ihm die Jusos Redeverbot bei Veranstaltungen erteilt hatten, weil er sich ungebührlich gegenüber jungen Frauen verhalten haben soll. Ersatz ist bereits gefunden: die Landtagsabgeordnete Ruth Müller im Tandem mit Nasser Ahmed, Nürnbergs SPD-Stadtchef. Für Müller hat Stargast Klingbeil am Dienstag Glückwünsche samt herzlicher Umarmung parat. Beleg eines harmonischen Parteilebens war die ganze Causa Taşdelen, unabhängig von den Vorwürfen, indes nicht. Er hätte sich, sagt Brunn, "einen anderen Start ins Jahr gewünscht". Kurzum: Selbst die größten Visionäre dürften momentan gewaltige Probleme damit haben, sich einen Ministerpräsidenten Florian von Brunn vorzustellen.

Trotz mauer Ausgangslage geben der Bayern- und der Bundeschef der SPD gute Aussichten zu Protokoll - ausdrücklich nicht nur nach dem Prinzip Hoffnung. Im Mittelpunkt der Klausur "Soziale Politik für Bayern" im Maximilianeum stehen erneuerbare Energien und der Bau bezahlbarer Wohnungen. "Wir wollen dafür in Bayern alle Register ziehen", sagt Brunn, so müsse etwa der "Windkraftstopp" durch die 10-H-Abstandsregel komplett fallen. Noch bis zum Donnerstag beraten die SPD-Abgeordneten über ihre Konzepte, auch zu Bildungspolitik und Fachkräftemangel.

Und die Erzählung, die für den Wahlkampf angedacht ist, geht so: Bayern könne sich ein Beispiel am Bund, an Olaf Scholz und damit der Sozialdemokratie nehmen. Man fahre unter dem Kanzler "ein neues Deutschland-Tempo", erklärt Klingbeil, zu sehen sei das beim Bau der neuen Flüssiggas-Terminals an der Nord- und Ostsee. "Dieses neue Deutschland-Tempo brauchen wir auch in Bayern." Damit der Freistaat nicht abgehängt werde beim klimaneutralen Umbau der Wirtschaft, sei eben die SPD in Verantwortung nötig. Als "antreibende Kraft".

Von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zeichnen Brunn und Klingbeil das exakt gegenteilige Bild. Die erneuerbaren Energien habe Söder "sträflich vernachlässigt", falle ständig durch Blockade-Haltung auf und richte den Finger nur hilflos nach Berlin, sagt Klingbeil. Söder sei damit letztlich sogar eine Gefahr für den Industriestandort Bayern. Auf den Bund will Brunn 2023 aber auch selbst zeigen - und den Wählern klarmachen, dass man als Kanzlerpartei den kurzen Draht habe, bayerische Anliegen also adäquat anmelden könne. Anders als die CSU, die in Berlin gar keine Rolle mehr spiele. Es ist also ein Hoffen auf den Kanzler-Bonus, inhaltlich wie strategisch. Von Umfragen lasse man sich nicht beirren, siehe Scholz-Aufholjagd 2021, hieß es. Klingbeil sagt: "Entschieden wird am Wahltag." Er plane natürlich unterstützende Auftritte im Landtagswahlkampf. Ebenso der Kanzler.

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