Naher Osten:Logik der Eskalation

Naher Osten: Demonstranten verbrennen ein Foto von US-Präsident Trump vor der ehemaligen US-Botschaft in Teheran.

Demonstranten verbrennen ein Foto von US-Präsident Trump vor der ehemaligen US-Botschaft in Teheran.

(Foto: AP)

Trump hat keine Strategie für den Umgang mit Iran. Er hegt bloß die naive Erwartung, Teheran werde wegen Amerikas Stärke um einen neuen Deal betteln. Am Ende könnte ein neuer, verheerender Krieg stehen.

Kommentar von Paul-Anton Krüger, Kairo

Um Krieg und Frieden gehe es im Nahen Osten nun wohl, hat Kanzlerin Angela Merkel gewarnt. Sie bezog das auf die Konfrontation zwischen Iran und Israel und den Rückzug von US-Präsident Donald Trump aus dem Atomabkommen. Krieg, das weiß natürlich auch die Kanzlerin, ist längst im Gange - in Syrien, in Jemen und auch wieder in Afghanistan. Statt zu versuchen, die Krisen unter Kontrolle zu bringen, hat Trump eine neue geschaffen. Das entspricht seiner Holzhammer-Methode, Bestehendes zu zertrümmern, um Veränderung zu erzwingen. Für viele Amerikaner birgt sie das Risiko, ohne Krankenversicherung zu enden - für den Nahen Osten die Gefahr einer heftigen Eskalation bis hin zu einem regionalen Großkonflikt. Die unberechenbaren Folgen bekümmern Trump nicht.

Hauptverantwortlich für Chaos und Instabilität vom Hindukusch über den Persischen Golf bis zur Levante ist laut den Falken in Washington und ihren Partnern in Israel und Saudi-Arabien die Islamische Republik. Die Mittel, ihre aggressiven Ambitionen auch zu verwirklichen, habe den Mullahs Barack Obama mit dem Nukleardeal gegeben. Maximaler Druck auf Teheran, so ihre Logik, ist das Einzige, was die alte Ordnung zurückbringen kann - wenn das verhasste Regime 40 Jahre nach der Islamischen Revolution kollabiert, ist das eine einkalkulierte, ja erwünschte Nebenfolge.

Amerikas Einfluss in der Region schwindet

Doch nicht Iran hat das Gefüge der Region ins Rutschen gebracht: Seit Amerika 1990 Saddam Husseins Angriff auf Kuwait zurückgeschlagen hatte, moderierte es die Region als Ordnungsmacht, dämmte Irak und Iran ein. Gestützt auf Lügen und ohne Not marschierte dann George W. Bush im Irak ein, um Saddam zu stürzen - zu den glühendsten Verfechtern dieser größten außenpolitischen Torheit der USA seit Vietnam gehörten Trumps Sicherheitsberater, John Bolton, und Israels Premier Benjamin Netanjahu. "Wenn Sie Saddam stürzen, garantiere ich Ihnen, das wird in der Region enorm positiven Nachhall haben", orakelte der.

Nichts hat mehr zu Irans Erstarken beigetragen als Bushs Unfähigkeit, nach dem Regimewechsel Iraks Implosion zu verhindern. Teheran ist bis heute der größte Profiteur. Amerikas Einfluss in der Region schwindet, seit die größte Wirtschafts- und Militärmacht sich an Euphrat und Tigris überdehnte. Ein zusätzlicher Katalysator waren die Volksaufstände des Arabischen Frühlings, von denen die USA genauso überrascht wurden wie Iran. Damit platzte die lang gepflegte Illusion von der Stabilität nahöstlicher Autokratien.

Trump marginalisiert die USA mit seiner Ignoranz und Inkompetenz

Obama hatte den Rückzug aus Nahost zur Doktrin erhoben, versuchte aber noch, Krisen zu managen. Trump marginalisiert die USA mit seiner Ignoranz und Inkompetenz endgültig. Russland hat dieses Vakuum zur Rückkehr in den Nahen Osten genutzt und den Sturz des Assad-Regimes verhindert. Es kann aber ebenso wenig die Rolle der Ordnungsmacht ausfüllen wie China, Großbritannien, Frankreich oder die EU. Ihnen allen fehlen die wirtschaftlichen oder militärischen Voraussetzungen - oder der politische Wille.

Das hat dazu geführt, dass die unter enormen inneren Spannungen stehenden Regionalmächte ungehemmt um Einflusssphären und religiös-ideologische Vormacht ringen - nicht beschränkt auf den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten. Das zeigt sich am von Trump befeuerten Versuch Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate, Katar gefügig zu machen und die Türkei aus dem arabischen Raum zu verdrängen - und dem Stellvertreterkrieg, den sie in Libyen führen. Sunniten, die sich über den politischen Islam entzweit haben. Es zeigt sich am bizarren Zweckbündnis, das Präsident Tayyip Erdoğan mit Moskau und Teheran eingegangen ist, um den Nato-Staat Türkei gegen die mit den USA verbündeten Kurden in Syrien in Stellung zu bringen.

Am gefährlichsten ist die Konfrontation zwischen Iran und Israel sowie Saudi-Arabien. Tatsächlich hat Iran großen Anteil an der Verheerung in Syrien, baut seine Position dort aus wie in Libanon, wo die Hisbollah gestärkt aus der Wahl hervorgeht. Auch versucht Teheran im Irak, wo diesen Samstag gewählt wird, Milizen als Staat im Staat zu etablieren. Und Iran hilft den Huthi-Rebellen in Jemen, das überlegene Militär der Saudis in einen Abnutzungskrieg zu verwickeln.

Bolton und Netanjahu haben mit ihren Prognosen schon einmal grotesk falsch gelegen

Es ist klar, dass Israel, dessen Zerstörung Irans Oberster Führer Ali Chamenei beschwört, die Bedrohung durch Revolutionsgarden in Syrien nicht hinnehmen kann, dass die Saudis nicht zusehen, wie Iran sich in ihrem Hinterhof breitmacht. Trump jedoch sieht sich dadurch nicht veranlasst, einen Plan zu entwickeln, wie man Iran und seinen Milizen in der Region entgegentreten könnte, geschweige denn, wie die Kriege in Syrien oder Jemen beendet werden können.

Er hat Europas Angebot abgelehnt, Druck auf Iran zu machen, auch beim Raketenprogramm, neue Sanktionen inklusive. Stattdessen hat er den Atom-Deal gekillt, der laut Israels Generalstabschef Irans nukleare Ambitionen um zehn bis 15 Jahre verzögert hätte. Auch für Iran hat der Präsident keine Strategie, nur die naive Erwartung, Iran werde nichts bleiben, als angesichts der geballten wirtschaftlichen und militärischen Macht seiner Gegner um einen neuen Deal zu betteln oder einem Aufstand entgegenzusehen.

Ausgeschlossen ist das nicht, allerdings hat Irans Regime Wirtschaft, Militär und Sicherheitsapparat auf diese Herausforderung vorbereitet. Es ist findig mit asymmetrischen Antworten. Als letzte Option bleibt dann bei einer Eskalation, was John Bolton immer wieder gefordert hat: Iran zu bombardieren. Netanjahu und Saudi-Arabiens Kronprinz könnten sich das wohl auch vorstellen. Doch stoppen Bomben weder auf Dauer Irans Atom- oder Raketenprogramm, noch drängen sie Irans regionalen Einfluss zurück. Ein weiterer Krieg macht die Welt nicht sicherer, er führt nur ins nächste Desaster. Bolton und Netanjahu haben mit ihren Prognosen schon einmal grotesk falsch gelegen.

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