Insolvenz:Mit diesen Tricks könnte das Geld von Versicherten bei Benko landen

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Immobilienhändler René Benko. (Foto: GEORG HOCHMUTH/AFP)

Die Pleiten von René Benkos Firmen könnten die Altersvorsorge Tausender Menschen in Deutschland treffen. Die Versicherer befürchten, leer auszugehen - während andere Geld einbehalten.

Von Herbert Fromme und Michael Kläsgen

In den vergangenen Tagen überschlugen sich die Ereignisse rund um René Benko. Erst stellte der Immobilienunternehmer Insolvenzantrag beim Landesgericht Innsbruck. Dies habe er aus eigener Motivation heraus getan, betonte sein Anwalt. Damit signalisierte Benko: Ich bin zahlungsunfähig. Der Schritt lässt sich so interpretieren: Benko will der Öffentlichkeit zeigen, dass bei ihm nichts mehr zu holen ist.

Auf etwas ganz anderes deuten jedoch Recherchen hin, die unabhängig voneinander laufen, unterschiedliche Fälle betreffen und auf Dokumenten basieren. Da ist zum einen die Nachricht, die die Bild am Sonntag verbreitete. Demnach soll die Staatsanwaltschaft München I gegen Benko wegen des Verdachts auf Geldwäsche ermitteln - bereits seit vergangenem November, Aktenzeichen 318 JS 211851/23. Es soll um mutmaßliche Kreditbetrügereien gehen. Damit sollen dreistellige Millionenbeträge erzielt worden sein. Diese seien dann von Deutschland über das Firmengeflecht von Benkos Signa-Gruppe ins Ausland geflossen, hieß es. Die Staatsanwaltschaft München wollte sich dazu am Sonntag nicht äußern. Der Anwalt Benkos teilte der SZ mit, bisher von den Ermittlungen nicht in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Er werde nun aber "mit der Behörde Kontakt aufnehmen, um Akteneinsicht ersuchen und vollumfänglich kooperieren".

Der Bild zufolge geht es um ein Bauvorhaben der Signa in München zwischen Hauptbahnhof und Karlsplatz (Stachus). Um das ehemalige Hertie-Kaufhaus dort erwerben zu können, hätten Benkos Firmen fast eine Milliarde Euro bei Investoren und Banken eingesammelt. Den Geldgebern seien jedoch überzogene Angaben zu künftigen Mieteinnahmen gemacht worden. Wegen der angeblich übertriebenen Angaben hätten Benkos Firmen höhere Darlehen zu besseren Konditionen erhalten. Ob sich der Verdacht erhärtet, steht gegenwärtig nicht fest.

Ein anderer Verdacht wird von dem Manager eines Versicherungskonzerns gegen Benko vorgebracht. Viele Versicherungskonzerne sind in den Insolvenzverfahren, die gegen Benkos Firmen laufen, Gläubiger. Wie Banken und andere Investoren haben sie Benkos Firmen viel Geld geliehen, das sie nun zurückfordern. Falls das nicht gelingt, könnten Millionen Versicherte in Deutschland davon betroffen sein.

Eine wichtige Rolle spielt die Ingbe-Privatstiftung

Der Verdacht des Versicherungsmanagers: Es könnte sein, dass Benko trotz der eigenen Insolvenz mithilfe von Verbündeten gerade dabei ist, für sich und seine Freunde die Kontrolle über Teile des Konzernvermögens zurückzugewinnen. Die Gläubiger hingegen könnten weitgehend leer ausgehen. Für einen bedeutenden Teil der Anlagen droht ein Totalausfall.

Vor allem deutsche und österreichische Versicherer sind misstrauisch. Ihr Verdacht gründet sich auch darauf, wie das Insolvenzverfahren bei der Signa-Tochtergesellschaft Signa Prime Selection (SPS) ausgeführt wird: in Eigenverwaltung. Dabei hat der Sanierungsvorstand, bestehend aus Erhard Grossnigg und Manuel Pirolt, weiterhin einen großen Handlungsspielraum.

Grossnigg und Pirolt wollen sich derzeit von einem großen Immobilienpaket in Österreich trennen, das von der SPS-Tochter Signa Prime Assets verwaltet wird. Ende 2022 hatte Signa die von Prime Assets verwalteten Immobilien mit 1,43 Milliarden Euro bewertet. Im Insolvenzantrag werden sie noch mit 1,25 Milliarden Euro aufgeführt.

Das "Goldene Quartier" in Wien: Der Verkauf von Benkos Luxusimmobilien hat begonnen. (Foto: Matthias Röder/picture alliance / dpa)

Der deutsche Versicherungsmanager, der namentlich nicht genannt werden will, meint dazu, der Paketverkauf schade dem Unternehmen und damit den Gläubigern. Seine Forderung: Die Immobilien müssten aus der Signa-Gruppe herausgelöst und das Portfolio ohne die erkennbaren Problemfälle neu zusammengestellt werden. "Dann wäre der Wert dieser Immobilien deutlich höher", sagt er. "Im Einzelverkauf wäre das Ganze ohnehin besser steuerbar."

Der Manager befürchtet, dass Benkos Verbündete Immobilienbestände günstig aufkaufen könnten - und das Geld dafür sogar noch von der insolventen Gesellschaft bekommen. Anhaltspunkte dafür liefert der zweite Bericht der Sanierungsverwaltung, der Ende Februar beim Handelsgericht Wien eingereicht wurde und der SZ vorliegt.

Darin berichten die Sanierungsverwalter der Wiener Kanzlei Abel Rechtsanwälte von einem Darlehen, das die Ingbe-Privatstiftung der SPS-Tochter Signa Prime Assets im Januar 2023 gewährt hat. Das Kürzel Ingbe bezieht sich auf Ingeborg Benko, die Mutter von Benko. Die Stiftung soll zu seinem Einflussbereich gehören, was dessen Anwalt und die Stiftung bestreiten. "Weder ist Herr René Benko Begünstigter dieser Stiftung noch stehen und/oder standen ihm bei dieser (und zwar: zu keiner Zeit) Begünstigtenrechte zu, noch ist oder war er jemals (ebenfalls: zu keiner Zeit) Organ (also Vorstand) dieser Stiftung", teilte er auf Anfrage mit.

Es geht um viel Geld der Versicherten

Dem Bericht zufolge hat sich die Stiftung für das Darlehen über 150 Millionen Euro die Anteile an der Signa Prime Assets verpfänden lassen. "Sollten die Signa Prime Assets oder ihre Immobilien verkauft werden, hat die Privatstiftung Vorrang", sagt der deutsche Versicherungsmanager. Zuerst würden die 150 Millionen Euro an die Stiftung fließen, nur der Rest ginge an die Mutter SPS und würde dort zur anteiligen Befriedigung der SPS-Gläubiger dienen. "Mit diesem Geld könnte sich die Ingbe-Privatstiftung problemlos an Immobilienkäufen in Österreich für sich oder für Dritte beteiligen", sagt der Finanzexperte.

Gleiches gilt für ein Darlehen der Münchner Schoeller-Gruppe an Signa-Gesellschaften in Höhe von 200 Millionen Euro. Das Familienunternehmen hat das Geld dem Bericht der Sanierungsverwaltung zufolge der Signa Prime Capital Invest geliehen. Die hält bedeutende Beteiligungen in Deutschland und Italien. Auch die Schoeller-Gruppe hat den Kredit mit Anteilen an Benko-Firmen besichern lassen und soll das Geld offenbar zurückbekommen, bevor andere Gläubiger bedient werden. "Schoeller will auch kaufen", berichtet der Experte.

Die Schoeller-Gruppe bestätigte der SZ, mit der Signa-Gruppe derzeit darüber zu verhandeln, wie das Darlehen umstrukturiert werden könnte. Dabei schließe man auch die Übernahme von Immobilien statt Rückzahlungen nicht aus. Richtig sei zudem, dass das Darlehen zurückgeführt werden muss, bevor die Gesellschafter der SPS aus dieser Beteiligung, der Signa Prime Capital Invest, Mittel zurückerhalte. Allerdings habe SPS noch eine ganze Reihe anderer Beteiligungen, die von diesem Darlehen nicht betroffen seien. Der Versicherungsmanager befürchtet: "So werden die Immobilien weit unter Wert verkauft und landen dann möglicherweise über Umwege bei Personen und Firmen aus dem Signa-Umfeld."

Es geht um viel Geld. Allein die R+V Lebensversicherung hat Forderungen in Höhe von mindestens 181 Millionen Euro gegen die SPS, das meiste davon ist Geld der Versicherten. Dazu kommen noch Forderungen gegen Tochtergesellschaften. Mehrere Versicherungstöchter und Pensionskassen der Dortmunder Signal-Iduna-Gruppe haben bei SPS sogar mehr als 197 Millionen Euro im Feuer. Bei der Ergo sind es rund 118 Millionen Euro, bei der österreichischen Uniqa 76 Millionen Euro. Die Pleite könnte die Altersvorsorge Tausender Menschen treffen.

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