Formel 1 in Katar:Der Machtkampf kann beginnen

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Warum nicht sportlichen Ruhm und finanzielle Interessen kombinieren? Michael Andretti würde gerne mit einem Team in die Formel 1 einsteigen. (Foto: Andreas Beil/Imago)

Der Weltverband Fia lässt die Bewerbung von Michael Andretti zu, das ärgert die Chefs der Formel 1 - die Fronten sind verhärtet. Vielleicht wird endgültig geklärt, wer in diesem Sport das Sagen hat, doch es gäbe auch einen Kompromiss.

Von Elmar Brümmer

Andretti Autosport ist ein eher bescheidener Name für das, was im Namen der US-amerikanischen Rennfahrerdynastie alles betrieben wird: In sechs prominenten Rennserien, von extremen Elektrogeländewagen bis zu den 500 Meilen von Indianapolis, betreibt das Familienunternehmen aus Indiana erfolgreich Sport mit so ziemlich allem, was sich bewegt. Michael Andretti, der Geschäftsführer, aber will ein noch größeres Rad drehen: Er will in die Königsklasse. In jene Formel 1, in der er Anfang der Achtziger als Rennfahrer gescheitert war.

Natürlich soll da nicht bloß eine alte offene Rechnung beglichen werden. Vielmehr wird eine neue aufgemacht: Das Grand-Prix-Geschäft boomt außerhalb von Deutschland wie nie, die zehn aktiven Teams haben jeweils einen Milliardenwert erreicht. Warum nicht sportlichen Ruhm und finanzielle Interessen kombinieren?

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Viele wichtige Fahrerverträge laufen noch bis Ende 2025, umso schwerer ist es für den Nachwuchs, Rennställe zu finden. Mancher sucht nach einem Plan B - auch Mick Schumacher.

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Doch die Formel 1 ist zurückhaltend, sieht nicht zwingend die Notwendigkeit zur Expansion, obwohl die USA mit drei Rennen im Land zum wichtigsten Stützpunkt geworden sind. Die bisherigen zehn Rennställe sind mit Ausnahme des potenziellen Motorenlieferanten Alpine bislang gegen den Einstieg. Doch ob sie den Kuchen durch elf teilen wollen oder nicht: Seit der Automobilweltverband Fia Anfang der Woche die Bewerbung von Andretti Global als einzige der ursprünglich sechs potenziellen Einsteiger zugelassen hat, sind ihre Karten schlechter geworden. Legislative Macht haben sie ohnehin nicht. Das macht die Auseinandersetzung um den geplanten Zuwachs noch intensiver und komplizierter und ist zum großen Thema des Rennwochenendes in Katar geworden, an dem Max Verstappen schon diesen Samstag beim Sprintrennen seinen Titelhattrick perfekt machen kann.

Den Etablierten schwebt sicher ein Bonus vor, wenn sie Zugänge akzeptieren sollen

Längst geht es nicht bloß um die Abneigung der bisherigen Rennställe gegenüber dem potenziellen Neuling, der ihnen selbst durch den von Andretti mitgebrachten Markennamen Cadillac nicht genügend Mehrwert bringt. Das Contra der Teams und des Formula One Managements, das die Serie im Auftrag von Besitzer Liberty Media betreibt, steht einem Pro der Sportbehörde Fia gegenüber, deren Präsident Mohammed bin Sulayem liebend gern auch über die Formel 1 bestimmen würde.

In dem komplizierten Beziehungsgeflecht aus Exekutive und Judikative in diesem hochprofessionellen Sport galt bisher allerdings: Der Fia-Chef habe sich aus geschäftlichen Dingen herauszuhalten. Als selbiger zu Jahresanfang von einem angeblichen Interesse Saudi-Arabiens berichtet hatte, die ganze Serie zu kaufen, spielten die Börsen verrückt. Darauf gab es einen Rüffel für den extrovertierten Mann aus den Emiraten, der versprach, sich fortan nicht ins Tagesgeschäft einzumischen. Nun steckt er wieder mittendrin, der Machtkampf kann beginnen - vielleicht wird endgültig geklärt, wer in diesem Sport das Sagen hat.

Formel-1-Chef Stefano Domenicali (links) und Fia-Präsident Mohammed bin Sulayem - wer setzt sich in der Causa Andretti am Ende durch? (Foto: Rudy Carezzevoli/Getty)

Obwohl bin Sulayem als ehemaliger Rallyefahrer den im Motorsport nicht unwichtigen Stallgeruch hat, fremdelt die Formel 1 mit seiner forschen Art. Den Genehmigungsprozess für neue Rennställe hatte er aus eigenem Antrieb eröffnet. Ein bewusster Affront, der zeigen sollte, dass sich der 61-Jährige nicht in seine Amtsgeschäfte hineinregieren lassen will. Andrettis Bewerbung und Zulassung gerät zwischen die Fronten. Die in Paris ansässige Fia beruft sich offiziell auf EU-Richtlinien aus dem Jahr 2000, die untersagen, einem Bewerber die Teilnahme ohne nachvollziehbare Gründe zu verweigern. Für die Formel 1 dürfte das nicht gelten.

Daher sitzt das Formel-1-Establishment zumindest theoretisch am längeren Hebel, denn nach der Prüfung diverser Rahmenbedingungen wie Nachhaltigkeit und Infrastruktur liegt die eigentliche Genehmigung nun in Händen der Serienorganisation um Stefano Domenicali, die große Hürde für den Bewerber sind die kommerziellen Belange. Der Italiener gilt nach außen als Diplomat, nach innen ist er knallharter Interessenvertreter. Seit 2016 ist die Formel 1 nur mit zehn Teams am Start, möglich wären 13 Rennställe. Domenicali setzt aufs Qualitätsprinzip, auch wenn die Fans hinter Andretti stehen: "Wenn der Wettbewerb wächst, denke ich, dass zehn Teams mehr als genug sind, um die nötige Show, das Geschäft und die Aufmerksamkeit zu schaffen." Mit einer Entscheidung ist kaum noch in diesem Jahr zu rechnen, wie der Prozess im Detail aussehen wird, ist bislang nicht bekannt.

Am Ende wird Investor Liberty Media den Daumen heben oder senken; und der Hollywood-Konzern wird kaum seine bisherigen Erfolgsgaranten wie Red Bull, Mercedes oder Ferrari verärgern wollen. Die Teams, die durch ein sogenanntes Concorde Agreement bei der Gewinnausschüttung geschützt sind, argumentieren mit einer Beispielrechnung gegen Andrettis Zulassung: Da komme einer, der eine halbe Milliarde Dollar investiere, und im Nu habe er den Wert verdoppelt. Sie unterstellen Spekulationsgewinne. Nicht einfach, in diesem von Futterneid geprägten Umfeld eine Entscheidung rein zum Wohle des Sports zu treffen. Ein möglicher Kompromiss könnte sein, dass die Garantiesumme des Einsteigers von 200 Millionen Dollar auf 600 Millionen erhöht wird, was natürlich Andretti auf keinen Fall will. Diese Gebühr wird später auf alle zehn Teams verteilt.

Bereits 2021 war Michael Andretti an der Übernahme des Schweizer Sauber-Rennstalls gescheitert, bei dem inzwischen Audi eingestiegen ist. Wenn Andretti eine Chance bekommt, dann eher 2026 als schon 2025, beim nächsten technischen Reglementeinschnitt, hin zu E-Fuels und höherem Elektroanteil. In diesem Zusammenhang sollen auch die finanziellen Abkommen neu verhandelt werden. Den Etablierten schwebt sicher ein Bonus vor, wenn sie Neue akzeptieren sollen.

Dem sportlichen Wert können weitere Autos im Rennen nur guttun, und Andrettis Fähigkeiten in dieser Hinsicht sind kaum anzugreifen. Der 61-Jährige dürfte für den Fall der Ablehnung bereits seine Rechtsanwälte munitioniert haben. "Ich fände es großartig, wenn Andretti kommt, uns waren es doch bisher nicht genügend Autos im Feld", sagt Rekordweltmeister Lewis Hamilton. Aber der ist ja bloß Chauffeur.

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