Formel 1 in den USA:Go West!

Formula 1 2021: United States GP CIRCUIT OF THE AMERICAS, UNITED STATES OF AMERICA - OCTOBER 21: Lando Norris, McLaren

Passender Helm für die Zukunft: Der Brite Lando Norris vor einer Trainingsfahrt in Austin/Texas.

(Foto: Steven Tee/Imago)

Rennen in Austin und Miami, neue US-Investoren und ein erfolgreicher Streamingdienst: In der Formel 1 vollzieht sich, was lange Zeit als undenkbar galt - die europäisch geprägte, einst rebellische Disziplin wird amerikanisiert.

Von Elmar Brümmer, Austin

An schweres Gerät sind sie gewöhnt im Travis County. Die Gegend, in der sich der Circuit of the Americas angesiedelt hat, wirkt eher wie eine Kulisse für den Film "Mad Max" und nicht wie jenes Austin, in dem Tesla-Gründer Elon Musk nach der Flucht aus Kalifornien ein Silicon Hills errichten will. Unter den begrünten Hügeln schlummern riesige Mülldeponien, Autofriedhöfe säumen die Landstraßen, tatsächlich finden sich auch ein paar rostige Ölpumpen.

Der Hauptsponsor des Großen Preises der USA an diesem Wochenende ist stilecht ein Mineralölhersteller, allerdings kommt der nicht aus Texas, sondern aus Saudi-Arabien. Die Einheimischen sind mit Handfestem beschäftigt, sie glätten mit Baumaschinen die schon bucklige Asphaltpiste. Glätten - das ist ungefähr auch das, was die Rechteinhaber von Liberty Media mit der Formel 1 vorhaben: Eine Amerikanisierung der eher europäisch geprägten, einst rebellischen Disziplin. Diese beiden sonst so verschiedenen Renn-und Unternehmungskulturen harmonieren immer dann, wenn beide Seiten gewinnen. Und momentan zeichnet sich ein Formel-1-Boom ab, der tatsächlich dem Medienkonzern aus Colorado zu verdanken ist.

Parkplätze, öde Innenstädte - die vergangenen Auftritte in den USA waren ernüchternd

Das Selbstbewusstsein, mit dem die in der Rennserie lange unbedeutenden USA ihre Rolle in der Weltsportart Formel 1 nun neu definieren, fußt auch auf der eigenen Motorsport-Geschichte, weshalb man gerade öfters tief in den Rückspiegel blickt: Schließlich habe nach dem Debüt in Frankreich der zweite Grand Prix der Renngeschichte schon 1908 auf den Straßen von Savannah in Georgia stattgefunden. Lieber nicht zitiert werden die gescheiterten jüngsten Versuche, die Königsklasse des Motorsports auf dem Kontinent der Ovalrennen zu etablieren. Auf Parkplätzen oder in öden Innenstädten fristete die Formel 1 meist ein Schattendasein.

Selbst in der Kathedrale des US-Motorsports, in Indianapolis, fremdelten Gastgeber wie Gäste gleichermaßen. Das Debakel von 2005, als wegen Reifenproblemen in der Steilkurve nur sechs Autos ins Rennen gingen, zerstörte das schon durch Bernie Ecclestones gnadenlose Geschäftspolitik angekratzte Image vollends. Der Neubeginn vor neun Jahren in Austin/Texas war deshalb überraschend, und noch erstaunlicher ist, dass sich der Große Preis der USA weiterhin starker Popularität erfreut, obschon er bis zu diesem Wochenende lange nicht mehr bei einem der großen Fernsehsender zu sehen war.

Doch auf die Live-Übertragungen kommt es gar nicht so an, seit es Netflix und die Doku-Serie "Drive to survive" gibt. Sie ist im Zusammenspiel mit den eSport-Versionen der populären Rennspiele der entscheidende Zubringer neuer Publikumskreise. Das ungepiepte Spektakel, in dem der Haas-Teamchef Günther Steiner innerhalb von 30 Sekunden neunmal das F-Wort sagen darf, verleiht der unnahbaren Formel 1 etwas Coolness. Mit der Folge, dass überall auf der Welt, und gerade auf dem wichtigen nordamerikanischen Markt, das Interesse bei der Generation Z enorm wächst. Auch das Epos Schumacher zählte zu den Top Ten der meistgesehenen Titel auf der Streaming-Plattform, was für eine Dokumentation sehr ungewöhnlich ist.

Formula 1 2021: United States GP CIRCUIT OF THE AMERICAS, UNITED STATES OF AMERICA - OCTOBER 21: Lance Stroll, Aston Ma

Spaziergang auf Asphalt: Teammitglieder von Aston Martin mit Fahrer Lance Stroll (Zweiter von links) besichtigen den Kurs von Austin.

(Foto: Sam Bloxham /Imago)

Vor dem neunten Gastspiel in Austin übt sich Sebastian Vettel an einem Basketballkorb mitten im Fahrerlager. Der hängt dort, um das 75-jährige Bestehen der Profiliga NBA zu feiern. Die Werbeaktion findet jedoch auf den Plattformen der beiden Serien in den sozialen Medien statt. Offenbar ist die Formel 1 auf dem besten Weg, ihr eigenes Media House zu werden und ihre Darstellung selbst zu kontrollieren. Ein lukratives Versprechen der US-Besitzer, das den Rennstall-Eignern schon Ende 2016 erklärt wurde, bei der für vier Milliarden Euro getätigten Übernahme. Die ersten Amtshandlungen, das Verbot der Grid Girls und die Komposition einer Renn-Hymne, verstörten die Racer dann allerdings doch etwas. Heute aber sagt Formel-1-Geschäftsführer Stefano Domenicali, ein ehemaliger Ferrari-Mann: "Die USA sind für uns eine große Herausforderung. Wir müssen sicherstellen, dass wir sie richtig angehen. Wir wollen unseren amerikanischen Fans zeigen, wer wir sind."

Wie viel Geschäft nach zwei harten Corona-Jahren hier noch zu erwarten ist, zeigt sich am Großen Preis von Miami, der im kommenden Mai sein Debüt feiert. In naher Zukunft soll noch ein drittes Rennen in den USA folgen, möglicherweise in Las Vegas. Aber diesmal nicht mehr hinterm Casino, sondern auf dem legendären Strip. Drei Rennen in einem Land, das gab es noch nicht. "Aber das Land ist ja auch groß, und entsprechend ist das Potenzial für die Formel 1", weiß Rekordweltmeister Lewis Hamilton, der in Übersee populär ist wie kein anderer Grand-Prix-Rennfahrer. Glamour scheint Pflicht zu sein, in Austin tritt diesmal die Musikgröße Billy Joel im Rahmenprogramm auf, wie zuvor schon Taylor Swift, Elton John oder Britney Spears.

Alles ist vorbereitet gewesen für die Sauber-Übernahme - nun verzögert sie sich noch

Think Big, das liegt auch Michael Andretti, dem Sohn von Mario Andretti. Der heute 81 Jahre alte Vater, Einwanderer aus Istrien, holte 1978 mit Lotus den Titel in der Formel 1 und wurde 1984 auch Meister bei den IndyCars, der nordamerikanischen Spitzen-Formel. Das hat sonst keiner geschafft. Sohn Michael hingegen kam nicht sonderlich weit in der Formel 1, nach 13 Rennen war Schluss für ihn bei McLaren. Dafür ist er als Teamchef erfolgreicher, unter anderem führte er für BMW die Formel-E-Mission durch. Und nun hat er bei Investoren 350 Millionen Dollar eingesammelt, mit denen 80 Prozent der Anteile am Schweizer Sauber-Rennstall, derzeit unter der Marke Alfa Romeo unterwegs, erworben werden sollen.

In Austin hätten die entscheidenden Gespräche stattfinden sollen, flankiert schon von einem Trainingseinsatz des Andretti-Piloten Colton Herta. Der hoch talentierte 21-Jährige könnte der dringend gesuchte US-Pilot der Zukunft sein. Doch die schwedischen Sauber-Besitzer haben offenbar noch Verhandlungsbedarf. "Wenn es eine vielversprechende Gelegenheit geben sollte, den Namen Andretti zurück in die Formel 1 zu bringen, dann werden wir sie nutzen", teilt ein Unternehmenssprecher aber mit.

McLaren hat mit Zak Brown schon einen Besitzer aus den USA, Aston Martin mit Otmar Szafnauer einen Teamchef aus Übersee, aber die Rolle als echtem Local Hero gebührt dem Rennstall des US-Industriellen Gene Haas, auch wenn der das Schlusslicht bildet. Immerhin sind die Autos der Ferrari-Filiale rot, weiß und blau lackiert. Allerdings nicht als Hommage an die Farben der Vereinigten Staaten, sondern an jene des Hauptsponsors - und der stammt aus Russland.

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28.03.2021, Sakhir, Bahrain, Bahrain International Circuit, Formel 1 Gulf Air Bahrain Grand Prix 2021 - Bahrain - 28.03.; Lewis Hamilton (GBR 44), Mercedes-AMG Petronas Formula One Team (Foto EU-Images) Sakhir Bahrain International Circuit Bahrain

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