Auf Zeit zu spielen, das funktioniert in der Formel 1 praktisch nie. Carlos Sainz junior mit seiner Einbremstaktik beim Nachtrennen in Singapur am vergangenen Sonntag dürfte die große Ausnahme gewesen sein. Von einer ähnlichen Strategie ist jedoch der aktuelle Transfermarkt der Königsklasse geprägt. Die silly season, abwechslungsreich durch gezielt gestreute oder einfach auch nur gewagte Gerüchte, ist in diesem Herbst in Erwartbarkeiten erstarrt.
Gut möglich sogar, dass in der kommenden Saison erstmals alle Rennställe mit demselben Personal wie im Vorjahr an den Start gehen. Eine klare Verzögerungstaktik, denn die Königsklasse des Motorsports sieht schon dem großen Reglementschnitt in der Saison 2026 entgehen. Nicht nur, dass die Techniker längst an den neuen Antriebstechniken arbeiten, auch die Personalplanung richtet sich auf den Neuanfang aus. Dementsprechend laufen viele wichtige Verträge noch bis Ende 2025, ein Teil muss erst zur nächsten Jahreswende erneuert werden. Das schafft einen Generationskonflikt.
Zak Brown, der nordamerikanische Eigner des McLaren-Rennstalls, mochte sich mit dem Zeitspiel nicht ganz abfinden. Noch vor dem Großen Preis von Japan an diesem Wochenende verlängerte er den Kontrakt mit dem australischen Rookie Oscar Piastri bis 2026. Brown wäre prinzipiell nicht in Eile gewesen, aber die Konkurrenz ist nun mal auf den 22-Jährigen aufmerksam geworden. Beim zu erwartenden Engpass an Spitzenkräften bei zukünftigen Vertragsverhandlungen ist es besser, einen Trumpf sicher in der Hand zu haben. McLaren hat sogar deren zwei, Lando Norris gilt ebenfalls als Titelkandidat der Zukunft.
Neben Talent Piastri hat lediglich Weltmeister Max Verstappen einen Vertrag mit Red Bull über den Reglementswechsel hinaus - sogar bis 2028. Dessen Teamchef Christian Horner ist zufrieden, jetzt noch nicht entscheiden zu müssen, er kann vorerst vorsortieren: "Das wird eine interessante Reise werden." Verstappens Beifahrer Sergio Perez steht kommenden Herbst zur Disposition, wie auch die Ferrari-Fahrer Charles Leclerc und Carlos Sainz junior. Immerhin sind dann in Honda als Werkspartner von Aston Martin und Neueinsteiger Audi neue, attraktive Arbeitgeber am Start. "Es gibt nur ein paar Piloten, die jeder haben will. Entscheidend wird dann nicht nur das Geld, sondern auch die Perspektive sein, die ein Team anbieten kann", ahnt Mike Krack von Aston Martin. Dann bestimmen die Fahrer wieder stärker den Markt.
Der große Umbruch in der Formel 1 muss noch warten
Der momentane Stillstand ist bitter für alle Talente, die in den vergangenen beiden Jahren von unten nach oben drängten, gefördert von immer umfangreicheren Nachwuchsakademien. Mick Schumacher gehört dazu, der Plan B des Mercedes-Testpiloten heißt Alpine. Dort könnte er wie einst sein Vater in der Top-Kategorie der Sportwagen-Weltmeisterschaft Fahrpraxis sammeln, am Freitag hat Alpine-Sportchef Bruno Famin dem 24-Jährigen einen Test in Aussicht gestellt: "Eine gute Gelegenheit für beide Seiten." Bloß raus aus dem Talente-Stau! Ob es parallel eine Reservetätigkeit in der Formel 1 geben kann, ist noch offen.
Der große Umbruch in der Formel 1 muss noch warten, das Durchschnittsalter liegt bei 28,5 Jahren, vor der Pandemie war es bereits auf 26,6 Jahre gesunken. Mit Blick auf die jüngsten Vertragsverlängerungen erklärt sich das schnell: Lewis Hamilton ist 38, Nico Hülkenberg 36, Kevin Magnussen fast 31. Auch Valtteri Bottas, 34, und Sergio Perez, 33, dürfen weitermachen. Vom ewigen Fernando Alonso, 42, ganz zu schweigen. Keines der zehn Teams will derzeit große Risiken eingehen. Die Ground-Effect-Autos sind immer noch Neuland, Routiniers kommen damit weiter am besten klar. Die meisten Nachwuchsfahrer brauchen allein drei Jahre, um sich zu akklimatisieren. Die Zeit hat gerade kaum einer.
Der Japaner Yuki Tsunoda, 23, hofft bei Alpha Tauri auf eine Vertragsverlängerung, vielleicht noch an diesem Wochenende. Er kämpft um seinen Platz gegen den verletzten Australier Daniel Ricciardo, 34, sowie den neuseeländischen Ersatzmann Liam Lawson, 21. Ein Ausscheidungsfahren der Altersklassen. Druck, sagen die Entscheider, hätten sie ja keinen.