Sebastian Vettel:To Bee or not to Bee?

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Geschuftet ohne Ende: Sebastian Vettel vor einem seiner Insektenhotels in Suzuka. (Foto: Mark Sutton/Motorsport Images/Imago)

In Suzuka, direkt an der Formel-1-Strecke, können Bienen nun in frisch erbaute Insektenhotels einchecken. Dank Sebastian Vettel. Der Plan ist genial - denn der Rennzirkus steht damit vor einer Existenzfrage.

Von Philipp Schneider

Die Formel 1 ist ein Sport der Mechaniker. Das Schrauben und Montieren gehört noch eher zum Brot-und-Bretter-Geschäft als das Gasgeben. Wüsste Sebastian Vettel nicht, wie wichtig das Schuften in der Garage ist, wäre er nicht viermal Weltmeister geworden. Als er im Vorjahr seinen Rennwagen im Training von Ungarn schrottete, packte er sogar in der Werkstatt persönlich mit an, um den Flitzer für die Qualifikation rechtzeitig flott zu bekommen ("Statt nur rumzusitzen, dachte ich, ich könnte etwas beim Halten, Aufheben oder aus dem Weg schieben helfen").

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Nichts jedoch, nicht einmal seine 299 Grand-Prix-Teilnahmen, 53 Rennsiege und 3501 Führungsrunden konnten Vettel auf die Plackerei vorbereiten, die er gerade beim Rennen in Suzuka erlebt hat. "Das war ein Knochenjob", hat er in Japan gestöhnt: "Wir waren teilweise bis drei Uhr morgens in unserer Werkstatt, haben fast nichts gegessen, uns nur aus dem Supermarkt ernährt."

Egal, Hauptsache, sie sind rechtzeitig fertiggeworden!

Wenn am Sonntag die Rennwagen durch die Kurve 2 in Suzuka wummern, dann reißen sie nicht nur begeisterte Japaner von ihren Sitzschalen, sondern vielleicht auch schon ein paar Bienen aus ihren Waben. Sie haben dort frisch Quartier bezogen. Im Innenraum der Kurve hat Vettel höchstpersönlich 13 Insektenhotels hochgezogen. Brumm-Brumm trifft Summ-Summ, das Beste aus zwei Welten! Ein genialer Plan.

Auch für die Sicherheit der Bienchen beim Überfliegen der Strecke ist gesorgt

Dort, wo Tickets wegen der perfekten Sicht auf die Action Mondpreise erzielen würden, finden fortan Insekten und Käfer kostenlos Unterschlupf. Und nicht nur das: "Sie bekommen in diesen Hotels etwas zu fressen und können überwintern", sagt Vettel: "Die eine Spezies zieht dann die andere an." Die Insekt-zu-Insekt-Propaganda soll dem Vernehmen nach schon angelaufen sein.

Garantiert für keine Spezies wird der Sound der Sechszylinder so ergreifend sein wie für die Bienen. Sie hören nicht mit Ohren, sondern spüren den Schall am ganzen Körper - mit ihren Antennen und feinen Körperhärchen! Und wenn sie nun ausfliegen, um Material für ihren Honig zu sammeln, dann vermischt sich der Geschmack von Pollen mit dem von Feinstaub und Benzin und erzeugt womöglich eine unverwechselbare Marke ("Stinky Honey"?), um die sich die Tokioter High Society bestimmt reißen wird.

Die Randsteine in Kurve 2 sind in Bienenfarben angepinselt. (Foto: Xavi Bonilla/PanoramiC/Imago)

Auch für die Sicherheit der Bienchen beim Überfliegen der Strecke ist gesorgt. Die Formel 1 hat die Randsteine in Kurve 2 eigens in Bienenfarben schwarz-gelb angepinselt, damit die Fahrer wissen, wann sie den Fuß vom Gas nehmen sollen. Auch in Japan hat die Schule wieder begonnen.

"Alles von Hand, ohne Einsatz von Motorsägen", erzählt Vettel stolz

Kein Witz: Weil Nachhaltigkeit bei der rund um den Globus jettenden Formel 1 richtig gut ankommt, haben Vettel und sein Team alle Rohstoffe in Baumärkten vor Ort eingekauft, die Hölzer manuell zurechtgesägt, alle Nägel und Schrauben selbst angebracht. Die 13 Hütten sind dem Ise-Schrein nachempfunden, der etwa eine Stunde südlich von Suzuka liegt. "Alles von Hand, ohne Einsatz von Motorsägen", erzählt Vettel stolz, "viele der Arbeiten mussten wir auf den Knien durchführen. Danach fühlte ich mich zum ersten Mal alt."

Aber gelohnt hat es sich! Auch Vettels Rücktritt als aktiver Sportler Ende der vergangenen Saison. Sonst wäre für das Projekt gar keine Zeit gewesen. Irgendwann hatte sich für den Rennfahrer immer bohrender die Sinnfrage gestellt, ob dieser ewige Kreisverkehr von CO2-Schleudern der kürzeste Weg zu Rettung der Eisbären ist. Und seit diesem Wochenende steht nun die Formel 1 vor der Existenzfrage, in Kurve 2 sieht sie sich Runde für Runde mit Vettels Formel konfrontiert: To Bee or not to Bee?

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