DFB-Team in der Nations League:Erst mal Schneeballschlacht

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Steht mit den DFB-Frauen vor dem wichtigen Spiel gegen Dänemark: Bundestrainer Horst Hrubesch. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Vor dem entscheidenden Spiel um Olympia 2024 versucht Trainer Horst Hrubesch weiter, die Lockerheit zurückzubringen. Das ist nicht einfach, denn neue Folgen einer Doku zeigen anschaulich, was bei der WM in Australien schiefgelaufen ist.

Von Anna Dreher

Widrige Bedingungen können ja manchmal zu höheren Leistungen antreiben. Und wer weiß, vielleicht trifft das nun im Fall des deutschen Nationalteams zu, dieser Effekt käme allen gerade recht. Rund lief es jedenfalls vor der entscheidenden Partie für die Olympia-Qualifikation in der Nations League am Freitag (20.30 Uhr, ZDF) gegen Dänemark nicht so ganz: Der für die Fußballerinnen reservierte Trainingsplatz des SV Wittenbeck hoch im Norden Deutschlands war komplett zugeschneit. Eine Rasenheizung hat der Verein nicht und offenbar auch nicht genug Schneeschaufeln für ein pragmatisches Aufwärmprogramm. Also was tun, wenn sich die weiße Decke nicht beseitigen lässt? Die Antwort ist bestens dokumentiert anhand von Bildmaterial, Lina Magull seift die am Boden liegende Laura Freigang ein, von allen Seiten fliegt Schnee durch die Luft, selbst Interims-Bundestrainer Horst Hrubesch ist bei dieser Schneeballschlacht mittendrin.

Und vielleicht haben diese Minuten am Ende die Speicher jener Emotion wieder gefüllt, um deren Rückkehr es gerade vor allem geht: Freude, genauer gesagt Spielfreude. Die erste Portion davon hat allein schon die Anwesenheit Hrubeschs beschert, seit er Anfang Oktober nach turbulenten Wochen übernahm, so erzählten es bereits einige Spielerinnen. "Ich finde es echt anders mit ihm, aber irgendwo auch cool", sagte diese Woche Sjoeke Nüsken, die bei Hrubeschs erster Amtszeit 2018 noch nicht dabei war. "Er ist sehr direkt, weiß und sagt, was er will. Er vermittelt es uns so, dass wir die Spielfreude wieder auf den Platz bringen können."

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Nun steht im Rostocker Ostseestadion das Rückspiel gegen Dänemark an, im September verloren die Deutschen - damals mit Co-Trainerin Britta Carlson - 0:2 und sind deshalb Zweiter statt Erster der Gruppe. Sie müssen mit zwei Toren Unterschied gewinnen, um die Chance auf die Sommerspiele 2024 zu wahren, je nach Resultat entscheidet bei Punktgleichheit der direkte Vergleich und dann das Torverhältnis. Am nächsten Dienstag steht die abschließende Gruppenpartie in Wales an, nur wer die Tabelle danach anführt, kann im Februar am Finalturnier um die beiden europäischen Olympia-Tickets teilnehmen.

Kritikpunkte waren die späte Kader-Nominierung - und auch so manches überflüssige Hinweisschild

Weil Schneeballschlachten allein nicht reichen, wich das Nationalteam für die nächsten Trainingseinheiten zu Zweitligist Hansa Rostock aus. Auch wenn "Überzeugung, Lockerheit und der Glaube an sich selbst" zurück sind, wie Hrubesch findet, muss spielerisch und taktisch schon noch einiges passieren. Der 72-Jährige hat aus bester Beobachterposition in den Spielen gegen Wales (5:1) und Island (2:0) beispielhafte Szenen gesehen und danach attestiert: "Wir haben uns das Leben wieder selber schwer gemacht." Dass Stürmerin Lea Schüller (FC Bayern) und Mittelfeldspielern Lena Oberdorf (VfL Wolfsburg) gegen Dänemark ausfallen, erschwert die Aufgabe nun zusätzlich.

Und so leicht lässt sich ein schwieriges Jahr eben nicht abschütteln, auch mit dem Wohlfühlmenschen Hrubesch nicht. Zumal manche Themen, die zuletzt mit der Trennung von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg als abgeschlossen galten, jetzt wieder hochkommen. Ab Freitagabend sind in der ZDF-Mediathek die nächsten Folgen der zweiten Staffel von "Born for this" zu sehen, einer Doku-Serie über das Nationalteam. In der ersten Staffel war die Heldenreise bis zum EM-Finale beinahe perfekt. Doch bei der WM in Australien mischten sich auf ungute Weise Überlastung und Überforderung mit hohen Ambitionen und Druck. Was bereits bekannt war, wird bestätigt: Mehrere Sachen liefen schief.

Revanche in Rostock: DFB-Stürmerin Alexandra Popp (r.) im September beim 0:2 in Dänemark (Foto: Balazs Popal/Gonzales Photo/Imago)

Die späte Nominierung hatte beispielsweise für Unruhe gesorgt. Voss-Tecklenburg begründete sie damit, dass Spielerinnen sich dadurch länger zeigen konnten und der Umgang mit so einer Situation auch Auswahlkriterium gewesen sei. Kapitänin Alexandra Popp erzählt jedoch, dass die späte Nominierung "Unmut" sowie "extrem hohen Druck" erzeugt habe. Statt sich als Gruppe zu finden, mussten sich manche noch behaupten, darunter dürfte der Teamgeist gelitten haben - und laut Nüsken auch die fußballerische Qualität, "diese Ungewissheit zu haben macht einen auch auf dem Spielfeld unsicher". Auch das abgelegene Basecamp wird erneut thematisiert, die Unzufriedenheit mit der Wahl war tatsächlich groß.

Dass man sich manchmal wohl zu sehr in Details verloren hat, zeigt eine bisher noch nicht erwähnte Maßnahme, erzählt von Lina Magull und Laura Freigang. "Wir kamen vom Essen zurück und dann hingen da auf einmal Anweisungen in der Wohnung", sagt Freigang, bevor die beiden Zimmerkolleginnen den Rundgang durch ihr WM-Apartment starten und sich in der nächsten Filmszene auf einem Sofa sitzend retrospektiv kugeln beim Gedanken daran. "Ich glaube, das war eine nett gemeinte Geste", sagt Magull, "aber halt einfach überflüssig". Auf roten Hinweisschildern standen Tipps wie "Stay hydrated - Trinke den ganzen Tag und kontrolliere deinen Urin", "Dein Bett hat eine Funktion: Schlaf!" oder, von Freigang herrlich sarkastisch präsentiert: "Abends weiß ich nie, was ich anziehen soll. Zum Glück habe ich meinen Guide ,Die richtige Schlafkleidung' am Kleiderschrank."

Unweigerlich kommt einem eine Episode aus der Männer-Doku in den Sinn, als der damalige Bundestrainer Hansi Flick vor der Bruchlandung bei der WM in Katar seinen Spielern Bilder von fliegenden Graugänsen zeigte mit den Worten: "Lasst uns von den Gänsen lernen und gemeinsam unseren großen Flug machen!" Dann doch lieber eine Schneeballschlacht.

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