„Die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Klara Geywitz (SPD) hat die jüngst vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Baugenehmigungszahlen im Wohnungsbau für 2023 kommentiert. Nun ist es natürlich ihre Aufgabe, optimistisch zu sein. Dennoch ist ihre Einschätzung meines Erachtens fast schon Schönfärberei.
Sie spricht von zunehmender Bodenbildung bei den Baugenehmigungen und dass Schwarzmalerei fehl am Platz sei. Doch es geht nicht um Schwarzmalerei, sondern um Realismus! Hier von Bodenbildung zu sprechen, ist in Anbetracht des Bedarfs nicht nur nicht ausreichend, sondern mangelhaft.
Ebenso empfinde ich es als mutig, von einer Stabilisierung der künftigen Bautätigkeit durch die Förderprogramme und Maßnahmen ihres Ministeriums zu sprechen: Die Maßnahmen werden eher langfristig wirken, wir brauchen aber kurzfristige Abhilfe. Darüber hinaus gleichen Ideen wie ,Jung kauft Alt' oder ,Wohneigentum für Familien' die Vorgaben nicht aus, die hierzulande an die Bauwirtschaft gestellt werden und die sich jetzt als fataler Hemmschuh erweisen.
Ein Masterplan muss her!
Was aber würde helfen? Zunächst mal stabile finanzielle Rahmenbedingungen! Es verunsichert die Bauwirtschaft zutiefst, wenn Fördermittel von jetzt auf gleich gestrichen werden. Dabei hat sich die Branche stets flexibel und kooperativ gezeigt und die zahlreichen Auflagen, die mit der Realisierung von vielen Wohnprojekten verbunden sind, selbstverständlich erfüllt. Es ist an der Zeit, dem Wohnungsbau in diesen Krisenzeiten pragmatisch entgegenzukommen. Das geht leichter, als man denkt: Hierzulande Wohnungen zu bauen, ist europaweit am teuersten. Eine aktuelle Studie aus der Immobilienwirtschaft hat ermittelt, dass der staatliche Anteil an den Kosten beim Wohnungsbau bei 37 Prozent liegt, verursacht durch Finanzlasten und hohe Auflagen. Auf diese Kostentreiber hätte die Politik Einfluss, doch dazu müssten nicht nur Bund und Länder an einem Strang ziehen, sondern auch Regierung und Opposition.
Punkte wie das flexiblere Gestalten der Grunderwerbsteuer oder serielles kleinteiliges Bauen statt sind wichtige Stellschrauben, das hat auch die Ampel-Regierung erkannt - doch die Umsetzung von solchen Maßnahmen ist eben Ländersache und hat daher keine flächendeckende Durchschlagskraft.
Etwas anders sieht die Sache beim Wachstumschancengesetz aus, wo die endgültige Verabschiedung hoffentlich endlich bevorsteht. Hier appelliere ich an alle Beteiligten, sich im Namen der Vernunft jetzt konstruktiv zu einigen, damit sich zumindest die Abschreibungsmöglichkeiten verbessern.
Insgesamt fehlt der Politik ein echter Masterplan, wie sich die Herausforderungen von anhaltendem Zuzug und Wohnraummangel lösen lassen. Und dieses Problem wird sich nicht in Luft auflösen! Auch eine kürzlich veröffentlichte Studie des Empirica Instituts zeigt offen auf, dass der Wohnraumbedarf in den Schwarmstädten, insbesondere in München, zunehmen wird - trotz leicht korrigierter Zuwanderungszahlen im Vergleich zu vergangenen Prognosen.
Der Fokus muss endlich darauf gelegt werden, Bauland im großen Stil und über Städte- und Gemeindegrenzen hinweg auszuweisen. Man könnte damit zielgerichtet Raum schaffen für Wohnungen jeglicher Art und das mühsame Klein-Klein von teuren Nachverdichtungsmaßnahmen würde endlich aufhören.
Dafür müsste es eine übergeordnete Behörde geben, die gezielt Metropolregionen entwickelt. Kurz gefasst: Der Staat muss hier endlich deutlich Einfluss nehmen!
Denn die Rechnung ist einfach: Zu wenige Wohnungen für eine wachsende Bevölkerung bedeutet Verteilungskämpfe und damit die Gefährdung des sozialen Friedens. Es ist unfassbar, dass die Menschen, die derzeit die Politik gestalten, hierbei in Seelenruhe zuschauen!“
Ein Kommentar von Thomas Aigner, Geschäftsführer der Aigner Immobilien GmbH
Erschienen im Tagesspiegel am 06.04.2024