Krieg in Nahost:Israel will Kämpfe im Gazastreifen ungemindert fortsetzen

Lesezeit: 3 min

International wächst die Kritik an Netanjahu, dessen Regierung bisher kein klares Konzept für die Zukunft des Gazastreifens vorgelegt hat (Foto: JACK GUEZ/AFP)

Die Armee erleidet schwere Verluste, und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gerät stärker unter Druck. Für Berichte über das Angebot einer zweimonatigen Waffenruhe an die Hamas gibt es jedoch keine Bestätigung.

Von Bernd Dörries, Kairo

Der Montag sei einer der schwersten Tage seit Ausbruch des Krieges gewesen, sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Dienstag. Einen Tag zuvor waren im Gazastreifen bei einem einzigen Angriff der Hamas 21 israelische Soldaten ums Leben gekommen. Nach Angaben der israelischen Armee hatten die Reservisten in der Mitte des Gazastreifens den Auftrag, Gebäude zu sprengen, und deshalb Landminen in einem Haus platziert, das dann von einer Granate der Hamas getroffen worden sei. Netanjahu kündigte an, dass die Armee den Vorfall untersuchen werde. Und fügte hinzu: "Wir werden nicht aufhören zu kämpfen, bis wir den vollständigen Sieg errungen haben."

Der Ministerpräsident gerät mit seiner kompromisslosen Haltung aber zunehmend unter Druck. Innenpolitisch werfen ihm die Kritiker vor, zu wenig für die Freilassung der immer noch 130 Geiseln der Hamas getan zu haben. Am Montag stürmten Unterstützer und Angehörige der Geiseln eine Sitzung des israelischen Parlaments. "Schämt euch!", riefen einige Demonstranten, andere forderten Neuwahlen.

International wächst die Kritik an Netanjahu, dessen Regierung bisher kein klares Konzept für die Zukunft des Gazastreifens vorgelegt hat und der seinem erklärten Kriegsziel, der Zerstörung der Hamas, nicht wirklich nahe gekommen ist - trotz mittlerweile mehr als 25 000 getöteter Palästinenser in Gaza, die meisten von ihnen Frauen und Kinder.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Jetzt berichtete d as US-amerikanische Nachrichtenportal Axios von einem Angebot zum Waffenstillstand der israelischen Seite: Demnach sollen für zwei Monate die Kämpfe eingestellt werden, Israels Militär würde sich lediglich aus den Bevölkerungszentren zurückziehen. Die Palästinenser, die auf Anweisung des israelischen Militärs in den Süden des Gazastreifens geflohen sind, könnten wieder in den Norden zurückkehren. Im Gegenzug müsste die Hamas alle Geiseln freilassen. Der Sender CNN berichtete von einem ähnlichen Angebot, das den Vermittlern Katar und Ägypten gemacht worden sei. Israel lehnt eine Feuerpause ab, solange die Hamas nicht alle Geiseln aus ihrer Gewalt entlassen hat. Israels Regierungssprecher bekräftigte die Kriegsziele seines Landes: "Die Zerstörung der Regierungsfähigkeiten und militärischen Fähigkeiten der Hamas im Gazastreifen und die Rückkehr aller Geiseln."

Israels Außenminister Israel Katz hatte sich am Montag mit seinen EU-Kollegen in Brüssel getroffen und dort Irritationen und Ärger ausgelöst. Die EU-Außenminister wollten sich mit ihm eigentlich über die Notwendigkeit einer Zweistaatenlösung unterhalten, Katz unterbreitete ihnen aber eine Videopräsentation, in der es um die Möglichkeit der Schaffung einer künstlichen Insel im Mittelmeer ging, auf der ein Hafen und - so ein Mitarbeiter von Katz nach Angaben der New York Times - auch Wohnraum für Palästinenser geschaffen werden könne.

Zur Zweistaatenlösung sagte Katz offenbar nichts Konstruktives. Ministerpräsident Netanjahu hatte sie zuletzt wiederholt ausgeschlossen: "Ich werde keine Kompromisse eingehen, wenn es um die vollständige israelische Sicherheitskontrolle des gesamten Gebiets westlich des Jordans geht, und das ist unvereinbar mit einem palästinensischen Staat."

Die israelische Armee hat eigenen Angaben zufolge Chan Yunis umstellt, dort leben Hunderttausende Flüchtlinge

Josep Borrell, der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, äußerte sich nach dem Treffen mit Katz enttäuscht über Israels Weigerung, über eine Zweistaatenlösung zu verhandeln: "Welche anderen Lösungen haben sie im Sinn? Alle Palästinenser zu vertreiben? Sie zu töten?"

Unterdessen gehen die Kämpfe vor allem im Süden des Gazastreifens weiter, wo die israelische Armee nach eigenen Angaben die Stadt Chan Yunis umstellt hat. In Zelten und einfachen Behausungen leben dort Hunderttausende Flüchtlinge, die zuvor von Israel aufgefordert worden waren, sich hier vor den Kämpfen im Norden in Sicherheit zu bringen. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerkes UNRWA sind mehr als eine halbe Million Menschen von akuter Hungersnot bedroht, da immer noch zu wenig Hilfe nach Gaza komme. Nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds nehmen israelische Truppen das Al-Amal-Krankenhaus in Chan Yunis unter Beschuss, weshalb die Krankenwagen das Hospital nicht erreichen könnten.

Etwa 70 Prozent der Gebäude im Gazastreifen sind mittlerweile zerstört oder beschädigt. Pläne für einen Wiederaufbau nach dem Krieg existieren nicht.

Saudi-Arabien machte nun deutlich, dass es sich nur dann mit finanzieller Unterstützung an der Zukunft für den Gazastreifen beteiligen werde, wenn es einen "glaubwürdigen" Plan für eine Zweistaatenlösung gibt, so Außenminister Prinz Faisal bin Farhan al-Saud gegenüber CNN. Das Königreich und Israel hatten vor dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober kurz vor einer Normalisierung der Beziehungen gestanden. Die sei erst wieder denkbar, wenn es einen Palästinenser-Staat gebe, sagte der Außenminister.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusUS-Präsidentschaftswahl
:Das Wichtigste zur Vorwahl in New Hampshire

Donald Trump will Nikki Haley möglichst rasch besiegen. Und bei den Demokraten von New Hampshire steht die merkwürdigste Vorwahl ihrer Geschichte bevor.

Von Fabian Fellmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: