Nahost:Netanjahu brüskiert Biden

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Tausende gehen in Tel Aviv gegen Netanjahus Regierung auf die Straße und fordern, alles zu tun zur Rettung der Geiseln in Händen der Hamas. (Foto: Leo Correa/dpa)

Israels Regierungschef schließt nach Telefonat mit dem US-Präsidenten jede Zweistaatenlösung aus. Dieser hatte sie zuvor als möglich bezeichnet.

Der israelische Premier Benjamin Netanjahu hat die Darstellung von US-Präsident Joe Biden brüsk zurückgewiesen, eine Zweistaatenlösung nach dem Gaza-Krieg sei mit ihm machbar. "Ich werde keine Kompromisse eingehen, wenn es um die volle israelische Sicherheitskontrolle über das gesamte Gebiet westlich des Jordans geht - und das steht im Widerspruch zu einem palästinensischen Staat", schrieb Netanjahu am Samstagabend auf der Plattform X.

Vorausgegangen war ein Telefonat zwischen Biden und Netanjahu. Biden hatte anschließend auf die Frage von Journalisten, ob eine Zweistaatenlösung unmöglich sei, solange Netanjahu noch im Amt sei, geantwortet: "Nein, ist sie nicht." Er denke, man werde in der Lage sein, eine Lösung zu finden, sagte Biden, es gebe "verschiedene Arten von Zweistaatenlösungen".

Laut Jerusalem Post stellte das Büro des israelischen Regierungschefs klar, dass Netanjahu im Gespräch mit Biden die Position bekräftigt habe, die er seit Jahren vertrete. "Nach der Beseitigung der Hamas muss Israel die volle Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen behalten, um sicherzustellen, dass der Gazastreifen keine Bedrohung für Israel darstellt, und das steht im Widerspruch zur Forderung nach palästinensischer Souveränität", wurde das Büro des Premiers zitiert.

Hamas gibt die Zahl der Todesopfer mit mehr als 25 000 an

UN-Generalsekretär António Guterres kritisierte Netanjahus Ablehnung einer Zweistaatenlösung erneut scharf. Das tat auch Großbritanniens Verteidigungsminister Grant Shapps. "Ich denke, es ist enttäuschend, wenn man Benjamin Netanjahu sagen hört, dass er nicht an eine Zweistaatenlösung glaubt", sagte Shapps am Sonntag dem Fernsehsender Sky News. "Ich glaube nicht, dass wir eine Lösung finden werden, bis wir eine Zweistaatenlösung haben." Der BBC sagte Shapps: "Die Palästinenser verdienen einen souveränen Staat." Und Israel verdiene es, sich und seine Sicherheit verteidigen zu können.

Zu den Kämpfen im Gazastreifen teilte Israels Armee am Sonntag mit, sie habe dort Dutzende Terroristen getötet und große Mengen Waffen gefunden. Die Marine habe unter anderem ein Gebäude angegriffen, von dem aus bewaffnete Palästinenser Truppen attackiert hätten. Man habe "die Bedrohung entfernt". Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Die von der radikal-islamischen Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde im Gazastreifen gab am Sonntag bekannt, die Zahl der bei israelischen Angriffen im Gazastreifen getöteten Palästinenser sei auf 25 105 gestiegen. Seit 7. Oktober seien zudem 62 681 Palästinenser verletzt worden. Allein in den vergangenen 24 Stunden seien 178 Menschen getötet und 293 verletzt worden.

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Dass es Israel nach einer Schätzung der US-Geheimdienste bisher nur gelungen sei, 20 bis 30 Prozent der Hamas-Kämpfer zu töten, berichtete das Wall Street Journal am Sonntag. Damit sei Israel noch weit entfernt von seinem Ziel, die islamistische Organisation zu zerstören. Die USA gingen davon aus, dass die Hamas genug Munition habe, um Israel und seine Truppen in Gaza noch monatelang anzugreifen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf nicht genannte US-Regierungsbeamte. Die US-Regierung habe daher ihre Erwartungen an die Kriegsziele heruntergestuft, von einer Zerstörung der Hamas zu einer Abschwächung der Sicherheitsbedrohung. Ziel der Hamas sei es nur, den Krieg zu überleben. Den US-Schätzungen zufolge habe die Hamas vor dem Krieg 25 000 bis 30 000 Kämpfer gehabt, abgesehen von Tausenden Polizeikräften. Israel geht nach eigenen Angaben davon aus, dass bisher rund 9000 Terroristen im Gazastreifen getötet wurden.

In Israel setzten sich die Proteste gegen Netanjahu und seine Regierung fort. Tausende Menschen forderten am Samstagabend das sofortige Ende des Kriegs, um die noch mehr als 100 Geiseln in der Gewalt von Hamas-Terroristen freizubekommen.

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