EU-Parlament:Europäische Abbrucharbeiten

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Abstimmungsniederlage: EVP-Fraktionschef Manfred Weber wollte gemeinsam mit den Rechtsextremen das neue EU-Naturschutzgesetz verhindern - vergeblich. (Foto: Dwi Anoraganingrum/Imago/Panama Pictures)

Bereitet EVP-Chef Manfred Weber ein Bündnis seiner Konservativen mit den Rechten vor? Selbst einige seiner eigenen Leute wollen ihm da wohl nicht folgen.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Es gibt im Europaparlament viele Abgeordnete, die über die aktuelle Brandmauer-Debatte von CDU und CSU nur bitter lachen. Diese Brandmauer gegen rechts, die CDU-Chef Friedrich Merz in einem Sommerinterview am Sonntag ein wenig ab- und tags darauf erschrocken wieder aufgebaut hat - die sei in der EU schon eingerissen worden, und zwar vom CSU-Politiker Manfred Weber in seiner Eigenschaft als Partei- und Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP).

Grüne, Sozialdemokraten, Linke, aber auch führende Liberale werfen Weber vor, er führe Europas Christdemokraten mit Blick auf die Europawahl im nächsten Jahr aus der politischen Mitte heraus nach rechts. Deshalb bezeichneten ihn manche auch als Verlierer der Parlamentswahl in Spanien: Der von Weber unterstützte Alberto Núñez Feijóo habe es als Vorsitzender des Partido Popular (PP) nicht geschafft, mit der rechtsextremen Vox eine Mehrheit zu gewinnen - und mit Feijóo sei auch Webers rechtes Projekt gescheitert.

Weber plädierte nie gegen ein Bündnis von PP und Vox, aber auch nicht dafür

Für deutsche Ohren mag der Vorwurf absurd klingen, schließlich gilt der konziliant auftretende Weber in Deutschland als Freund grün-schwarzer Projekte. Man mag es auch für Webers gutes Recht halten, auf europäischer Ebene schon jetzt nach anschlussfähigen Bündnispartnern für die Zeit nach der Europawahl zu suchen und deshalb Kontakt zu halten zu Giorgia Meloni. Schließlich betreibt Meloni bislang konstruktive Europapolitik. Und was die Spanien-Wahl betrifft, so hatte Weber zwar öffentlich nicht gegen ein Bündnis zwischen der PP und Vox plädiert, aber auch nicht dafür.

In dem spektakulären Ringen um das sogenannte "Gesetz zur Wiederherstellung der Natur" hat Manfred Weber vor zwei Wochen allerdings tatsächlich den Eindruck erweckt, er lote exemplarisch rechte Mehrheiten aus. Das hat Spuren hinterlassen in der EU. Weber scherte damals aus dem Bündnis mit Sozialdemokraten und Liberalen aus, die das Regierungsprogramm der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen seit 2019 tragen. Statt darüber zu verhandeln, wollte er das Gesetz gänzlich beerdigen - im Schulterschluss mit den Rechtspopulisten der Fraktion EKR (samt Giorgia Melonis Fratelli) und den Rechtsextremen der Fraktion ID (samt AfD und Le Pens Front National).

Punktuelle Mehrheiten mit den Rechten zu bilden, ist im Europaparlament nichts Außergewöhnliches, aber davon konnte diesmal keine Rede sein. Weber und seine Getreuen verfolgten allem Anschein nach ein strategisches Projekt. Dazu passte die Rhetorik gegen "grüne" Milieus, die in ideologischer Verblendung die Landwirtschaft überfordern und sogar Hungersnöte in Kauf nehmen würden. Es schien, als wolle Weber der EVP deutsche Kulturkämpfe gegen alles, was grün ist, verordnen.

Wer seine Leute in eine solch riskante Schlacht führt, sollte sie auch gewinnen. Aber Manfred Weber hat verloren. Bei der Abstimmung im Plenum folgten ihm einige EVP-Abgeordnete nicht, obwohl der Chef intern gehörig Druck aufgebaut hatte. Außerdem solidarisierte sich das links-grün-liberale Lager in bemerkenswerter Weise. Der Ruf Webers als Stratege ist erschüttert.

Umfragen prophezeien für die Europawahlen einen massiven Rechtsruck

Stille Siegerin in dem Streit war Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, CDU. Sie hatte sich nicht eingemischt, obwohl sich ihr Unionskollege Weber wohl Unterstützung erhofft hätte. Und stille Siegerin war von der Leyen auch am Sonntag. Es ist bekannt, dass sie dem spanischen Sozialisten Pedro Sánchez herzlich verbunden ist. Bei einem gemeinsamen Auftritt Anfang Juli in Madrid sprach sie davon, die "demokratischen Parteien der Mitte" müssten für Europa Lösungen entwickeln. Man konnte das als Absage an rechte Bündnisse und als Wahlkampfhilfe für Sánchez werten.

Wie das im Europawahlkampf funktionieren soll zwischen einem EVP-Vorsitzenden Weber und einer möglichen EVP-Spitzenkandidatin von der Leyen, erscheint schwer vorstellbar. Während die Präsidentin über den Parteien schwebt, muss Weber der Verunsicherung in der EVP Rechnung tragen. Viele fürchten, die grün gefärbte Politik der Kommissionspräsidentin, bislang von der EVP weitgehend unterstützt, werde den Rechten Wählerstimmen in Massen zutreiben und dazu beitragen, die Basis der bürgerlichen Parteien in Europa zu zerstören. Umfragen prophezeien für die Europawahlen einen massiven Rechtsruck, dazu passt der Höhenflug der AfD in Deutschland.

Die Spanien-Wahl setzt nun ein gegenteiliges Zeichen. Anders als zuletzt in Italien, Schweden oder Finnland verloren die Rechtsextremen die Wahl. Alberto Núñez Feijóo wird, will er Regierungschef werden, eine Mehrheit in der demokratischen Mitte finden müssen. Und Manfred Weber bleiben wochenlange Debatten über sein Verhältnis zu Rechtsextremen erspart. So gesehen war auch er ein Wahlsieger am Sonntag.

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