Bundestagswahl:NRW-CDU will Laschet-Nachfolge erst nach Bundestagswahl entscheiden

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Einen Personalverschlag macht der Landesverband noch nicht. Grünen-Parteichef Habeck nennt das Parteiausschlussverfahren gegen Tübingens OB Palmer "unvermeidlich". Die Linke zieht mit den Spitzenkandidaten Wissler und Bartsch in den Bundestagswahlkampf.

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Die CDU Nordrhein-Westfalen will erst nach der Bundestagswahl über die Nachfolge von Landesparteichef Armin Laschet entscheiden. Der Landesvorstand beschloss am Montagabend in einer digitalen Sitzung, dass erst zum 23. Oktober ein Parteitag mit entsprechenden Vorstandswahlen einberufen werden soll. Einen Personalvorschlag machte der mitgliederstärkste deutsche CDU-Landesverband noch nicht.

Die Terminierung des Landesparteitags war im Vorfeld umstritten. Laschet, der gleichzeitig Ministerpräsident, CDU-Bundeschef und Kanzlerkandidat der Union ist, hatte in der vergangenen Woche der FAZ gesagt: "Viele wollen auf einem Präsenzparteitag nach der Bundestagswahl über die Führung der Partei entscheiden, sobald die pandemische Lage dies zulässt." Andere Christdemokraten hatten hingegen vor einer Hängepartie mit Machtvakuum gewarnt und für einen raschen Neuanfang geworben.

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Da Laschet sich bereits festgelegt hat, auch im Falle eines Misserfolgs bei der Bundestagswahl in Berlin bleiben zu wollen, braucht die CDU nicht nur einen neuen Landesparteichef, sondern nach der Bundestagswahl zunächst auch einen Interims-Ministerpräsidenten bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2022.

NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst gilt als aussichtsreichster Kandidat für beide Positionen. Allerdings ist er in der Partei nicht unumstritten. Hohe innerparteiliche Autorität und gute Chancen für den Chefsessel werden auch dem nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul zugeschrieben.

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Habeck: Parteiausschlussverfahren gegen Palmer war "unvermeidlich"

Grünen-Parteichef Robert Habeck hat das Parteiausschlussverfahren gegen den grünen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer als "unvermeidlich" bezeichnet. Die Sätze, die Palmer am Freitag auf seiner Facebook-Seite gepostet habe, seien "beleidigend und rassistisch" und "eines Oberbürgermeister ungehörig", sagte Habeck am Montag bei einer Pressekonferenz. Nun sei abzuwarten, wie die Schiedsgerichte über den Fall entschieden.

Die Grünen werfen Palmer Rassismus vor wegen einer bei Facebook geposteten Aussage über den früheren Fußball-Nationalspieler Dennis Aogo, der einen nigerianischen Vater hat, und wollen ihn aus der Partei schmeißen. Mit einer Dreiviertelmehrheit hatte der Landesparteitag am Wochenende für ein Ausschlussverfahren gegen Palmer gestimmt. Auch für die Parteiführung sei es ein unerfreuliches Wochenende gewesen, erklärte Habeck. "Es wäre super gewesen, Boris hätte geschwiegen", sagte der Grünen-Chef, der Palmer auch persönlich gut kennt.

Es habe in der Vergangenheit immer wieder Versuche gegeben, Konflikte über Gespräche zu lösen. Auch dieses Mal sei das so gewesen. "Es wurden viele Worte gewechselt und viele Hände immer wieder ausgestreckt." An dieser Stelle habe aber der Landesvorstand einen Beschluss gefasst. Er werde sich in das laufende Verfahren nicht einmischen, erklärte Habeck. Wie lange das Verfahren dauern könnte, könne er nicht einschätzen. Das hänge davon ab, wie viele Instanzen nun angerufen würden, sagte Habeck.

Wissler und Bartsch werden Spitzenkandidaten der Linken

Die Linke geht mit Janine Wissler und Dietmar Bartsch als Spitzenkandidaten in den Bundestagswahlkampf. Die Parteivorsitzende und der Fraktionschef im Bundestag wurden am Montagmorgen vom Bundesvorstand dafür nominiert. Am Mittag soll die Entscheidung bei einer Veranstaltung in der Berliner Kulturbrauerei bekannt gegeben werden. Dort will sich das neue Spitzenkandidaten-Duo auch zu seinen Plänen für den Wahlkampf äußern.

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Wissler hat gemeinsam mit ihrer Co-Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow am Montagmorgen dem Parteivorstand diesen Personalvorschlag unterbreitet. Hennig-Wellsow hatte bereits zuvor öffentlich erklärt, auf die Spitzenkandidatur zu verzichten. Auch Bartschs Co-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali nahm ihre ursprünglich durchaus gehegten Ambitionen zurück. So machten Hennig-Wellsow und Mohamed Ali den Weg für eine verhältnismäßig geräuscharme Lösung frei.

In der Vergangenheit hatte es bei der Linkspartei immer wieder heftigen Streit um die Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl gegeben, auch wenn damit kein offizieller Posten verbunden ist. Die Spitzenkandidaten sollen aber die prägenden Gesichter im Wahlkampf sein, auf Plakaten, in Spots, in Talkshows. Es gibt zumindest einen informellen Zusammenhang zu einem herausragenden Posten in der Bundestagsfraktion für die Zeit nach der Wahl. In diesem Jahr, in dem die Linke trotz ihres derzeitigen Umfragetiefs eine Regierungsbeteiligung im Bund anstrebt, dürften die Spitzenkandidaten gegebenenfalls auch den Anspruch auf ein Ministeramt verbinden.

Laschet: Keine Zeit zur Verteilung von Ministerposten

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet lehnt eine Personaldebatte über ein künftiges Kabinett strikt ab. "Ich halte nichts davon, Ministerposten zu verteilen", sagte Laschet am Sonntagabend in der ARD. "Der Wähler findet es nicht witzig, wenn alle sich unterhalten, wer was wird." Die Union müsse den Wählern vielmehr erklären, warum sie gewinnen wolle, sagte er auf eine Frage, ob Friedrich Merz Minister werde. Laschet betonte erneut, dass er ein Team aufstellen wolle, das die ganze Breite der Union darstelle, mit Männern und Frauen aus vielen Teilen Deutschlands. Merz gehöre dazu, weil ihm die CDU-Delegierten zweimal viel Vertrauen entgegengebracht hätten.

Der CDU-Chef unterstrich zudem, dass er dafür gesorgt habe, dass CDU und CSU ihr Wahlprogramm nicht erst im Juli, sondern im Juni vorlegten. Es sei ein gutes Zeichen, dass beide Unions-Parteien diesmal ein gemeinsames Wahlprogramm vorlegen wollten.

SPD bestätigt Scholz mit 96,2 Prozent als Kanzlerkandidat

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz kann mit demonstrativem Rückhalt aus der Partei in die Aufholjagd zur Bundestagswahl starten. Ein Bundesparteitag bestätigte ihn am Sonntag mit 96 Prozent als Anwärter auf die Nachfolge von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Der 62-jährige Bundesfinanzminister grenzte sich in seiner 45 Minuten langen Rede von Grünen und Union ab, die die Umfragen mit großem Vorsprung anführen. Scholz nahm für sich in Anspruch: "Ich stehe auf der Seite der ganz normalen Leute." Beim zentralen Wahlkampfthema Klimaschutz gelte: "Schluss mit dem Zaudern und Klein-Klein. Wir haben schon zuviel Zeit verloren."

Die SPD erhoffte sich von ihrem sechsstündigen Parteitag den Startschuss für einen Wahlkampf, der sie aus dem Umfragentief als derzeit bundesweit nur drittstärkste Kraft führt. Sie liegt mit 14 bis 16 Prozent zehn Punkte oder mehr hinter Union und Grünen.

CSU-Generalsekretär: "Laschet ist nun verantwortlich, die Umfragen zu drehen"

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) hat seine Partei zu einem entschiedenen Wahlkampf gegen die Grünen aufgerufen. Zu Beginn eines Landesparteitags der CDU Rheinland-Pfalz sagte Laschet am Samstag in Mainz zur Bundestagswahl im September: "Da ist die Wettbewerbslage klar."

So sympathisch die Spitze der Grünen mit Robert Habeck und Annalena Baerbock auch wirke, müsse von allen gesehen werden, dass diese sich auch auf ein Regierungsbündnis mit der Linken einlassen würden, sagte der CDU-Bundesvorsitzende. "Die Erfahrung lehrt: Wenn sie eine Mehrheit haben, dann machen sie es auch." Laschet fügte hinzu: "Deshalb kommt es bei dieser Bundestagswahl darauf an, dass wir so stark sind, dass nicht ein rot-rot-grünes Bündnis in Deutschland regiert."

Laschet rief die rund 250 meist digital zugeschalteten Delegierten des Parteitags dazu auf, sich im Wahlkampf auf den Wettbewerb mit den Grünen zu konzentrieren. "Unsere Botschaft im Unterschied zu den Grünen ist: Wir wollen ein klimaneutrales Industrieland sein, wo die Menschen auch Arbeit haben und der soziale Zusammenhalt gewährleistet ist." Die SPD erwähnte Laschet nur einmal - sie habe "längst die Facharbeiterschaft aufgegeben", weshalb es bei der Sicherung von Arbeitsplätzen auf die CDU ankomme.

Auf dem Landesparteitag soll die Liste der CDU Rheinland-Pfalz für die Bundestagswahl gewählt werden. Angeführt wird der Listenvorschlag des Landesvorstands von der Landesvorsitzenden und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner.

CSU-Generalsekretär Blume: "Laschet ist nun verantwortlich, die Umfragen zu drehen"

Die CSU legt nach in der Kritik an CDU-Chef Armin Laschet auch nach dem Beschluss, ihn zum Kanzlerkandidaten beider Parteien zu machen. "Die große Enttäuschung über den Ausgang der Personalentscheidung spiegelt sich in den Umfragen wider", sagte CSU-Generalsekretärs Markus Blume der Augsburger Allgemeinen. "Viele, nicht nur in Bayern, hätten sich Markus Söder gewünscht", erklärte Blume mit Blick auf die Kanzlerkandidatenfrage der Union.

"Armin Laschet ist nun verantwortlich, die Umfragen zu drehen." Die bayerische Schwesterpartei der CDU dürfe nicht mit nach unten gezogen werden. "Als CSU müssen wir uns vom Bundestrend abkoppeln." Dabei setze die CSU voll auf den bayerischen Ministerpräsidenten. "Die persönliche Zufriedenheit mit Markus Söder ist unverändert auf hohem Niveau stabil." Im Münchner Merkur äußerte sich Blume hingegen etwas verbindlicher gegenüber dem gemeinsamen Spitzenkandidaten mit der Schwesterpartei: "Ich bin zuversichtlich, dass es Armin Laschet gelingt, das zu drehen."

Blume betonte zudem, dass die CSU nicht für einen Einstieg als Juniorpartner mit den Grünen auf Bundesebene bereitstehe. "Wir setzen auf Sieg und spielen nicht auf Platz. Eine Junior-Rolle für die Union in einer künftigen Bundesregierung würde ich ausschließen", sagte er dem Blatt . Die aktuellen Wahlumfragen der Meinungsforscher sehen die Grünen mit ihrer Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock als stärkste politische Kraft zum Teil deutlich vor der Union.

Blume zeigte sich erleichtert, dass CDU-Kanzlerkandidat Laschet sich unabhängig vom Wahlausgang auf einen Wechsel nach Berlin festgelegt hat. "Für uns ist klar: Wer heute auf der Liste steht, der geht auch nach Berlin. Ein bisschen Antäuschen - das akzeptiert der Wähler nicht." Es sei richtig, dass Laschet das klargestellt habe.

Für seine eigene Partei deutete Blume an, dass der Chef der CSU im Bundestag, Alexander Dobrindt, die Liste für die Bundestagswahl anführen soll. "Alexander Dobrindt als Landesgruppenvorsitzender ist sicherlich prädestiniert - er wäre quasi unser natürlicher Spitzenkandidat", sagte Blume der Zeitung.

Der CSU-Generalsekretär verwahrte sich zudem gegen Vorgaben des CDU-Politikers Friedrich Merz, die CSU müsse mit mindestens 40 Prozent bei der Bundestagswahl abschneiden. "Ich bewundere das Selbstbewusstsein von Friedrich Merz", sagte er. "Ich nehme mit Interesse zur Kenntnis, dass er die neue Wunderwaffe der CDU sein soll, wie früher Kirchhoff und andere. In den Umfragen sehe ich noch keinen Schub."

Seehofer fordert von Laschet "einige Gesichter, die Zukunft darstellen"

Nach dem Machtkampf um die Kanzlerkandidatur sollte die Union aus Sicht von Bundesinnenminister Horst Seehofer nun möglichst rasch mit neuen Köpfen und Konzepten in den Wahlkampf starten. "Gott sei Dank ist jetzt die Kandidatensuche abgeschlossen - das Verfahren hat uns nicht genutzt, das hätte man anders machen können", sagte der CSU-Ehrenvorsitzende der Deutschen Presse-Agentur. Was CDU und CSU jetzt bräuchten, sei ein "knackiges inhaltliches Programm für die Zukunft" sowie "einige Gesichter, die Zukunft darstellen - Frauen und Männer".

Im zähen Wettstreit mit dem bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Markus Söder hatte sich der CDU-Vorsitzende, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, im April als Kanzlerkandidat durchgesetzt. Laschet habe angekündigt, die Hälfte des Kabinetts mit Frauen besetzen zu wollen, "also wird es die Bevölkerung auch interessieren, wer das ist", sagte Seehofer.

Er selbst gehöre gewiss nicht dazu. "Ich bin ein Gesicht der Vergangenheit." Seehofer hatte bereits vor zwei Jahren erklärt, er werde nach Ablauf dieser Legislaturperiode kein weiteres politisches Amt mehr anstreben. Bis zur Bildung einer neuen Regierung wolle er aber auf jeden Fall Bundesinnenminister bleiben. "Ich führe hier mein Amt zu Ende, bis zum letzten Tag", sagte er. Das werde wohl noch ein halbes Jahr oder vielleicht auch ein Dreivierteljahr dauern. Auf die Frage, ob CDU und CSU nach der Bundestagswahl notfalls auch als Juniorpartner in eine grün-schwarze Koalition gehen sollten, antwortete er: "Das kann nicht unser Ziel sein."

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