EM 2021 in München:Die Wartemeisterschaft

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In zwei Wochen wird das Auftaktspiel der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-EM angepfiffen. Doch wie viele Zuschauer dann in die Arena dürfen, ist noch immer völlig unklar.

Von Joachim Mölter, München

All jenen Sportfreunden, die schon vor längerer Zeit Eintrittskarten für die Spiele der Fußball-Europameisterschaft 2020 erstanden haben und diese auch nach der Corona-bedingten Verschiebung des Turniers in den Sommer 2021 behalten wollten, hat der europäische Verband Uefa jüngst mitgeteilt: "Jeder Ticketkäufer erhält im Mai eine E-Mail. In dieser wird darüber informiert, ob das Ticket gültig bleibt oder storniert wurde." Wegen der Corona-Pandemie können in den insgesamt elf Spielstätten ja bei Weitem nicht alle Plätze besetzt werden, die zur Verfügung stehen und die ursprünglich auch verkauft wurden. Je nach Lage in den elf Ländern wird die Zuschauerzahl auf zwanzig, dreißig, fünfzig Prozent des Maximums reduziert. Die Uefa musste also eine Auswahl unter den Kartenbesitzern treffen - sie tat es mit einer Lotterie.

Nun ist der Mai vorbei, aber wer Eintrittskarten für eins der insgesamt vier EM-Spiele in München besitzt, kann sich seines Zugangs noch immer nicht sicher sein. Dabei drängt die Zeit: In genau zwei Wochen, am 15. Juni, wird in der Fröttmaninger Arena das Auftaktspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Weltmeister Frankreich angepfiffen; danach folgen Partien gegen Europameister Portugal (Freitag, 19. Juni) und Ungarn (Mittwoch, 23. Juni) sowie ein Viertelfinale (Freitag, 2. Juli).

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Doch immer noch ist ungewiss, wie viele Zuschauer überhaupt in die bei internationalen Spielen 70 000 Menschen fassende Arena hinein dürfen. "Mindestens 14 500", wie die Uefa auf ihrer EM-Homepage behauptet? Zumindest basiert die Ticketverlosung für München auf dieser Zahl, wie die Uefa auf Nachfrage mitteilt. Oder werden es doch nur 250, wie es aktuell die bayerische Verordnung für "Sportveranstaltungen unter freiem Himmel" erlaubt? Mehr wurden auch dem FC Bayern nicht genehmigt am letzten Bundesliga-Spieltag gegen Augsburg Ende Mai.

"Welches Zuschauer-Szenario während der EM umgesetzt werden kann, wird die zum Turnierzeitraum gültige Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vorgeben", sagt Münchens Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne), die während des Pfingsturlaubs von OB Dieter Reiter (SPD) die Amtsgeschäfte führt.

Die Stadt München ist nicht frei in ihrer Entscheidung, wie viele Zuschauer sie in der Arena zulässt; sie muss sich an Vorgaben des Freistaats halten. Die geltende ist bis zum 6. Juni befristet, ob sie verlängert, verändert oder ganz abgeschafft wird, ist derzeit offen. Der aktuelle Stand wird kaum beizubehalten sein angesichts der jüngsten Entwicklung: Die Corona-Zahlen gehen deutlich nach unten, in München lag die Sieben-Tage-Inzidenz am Montag zum fünften Mal nacheinander bei einem Wert unterhalb von 35, was weitere Lockerungen zur Folge hat. Angesichts dessen verbreitet Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der auch für den Sport zuständig ist, Optimismus: "Es besteht eine große Chance, dass die Spiele auch mit Publikum im Stadion stattfinden können." Mit wie vielen Zuschauern genau, mag aber auch er nicht prognostizieren: "Das hängt grundsätzlich und maßgeblich von der weiteren pandemischen Entwicklung ab."

In anderen Großstädten wie Hamburg, Kiel, Leipzig und Berlin durften und dürfen bei Sportveranstaltungen sogar in die Hallen schon wieder Zuschauer kommen, bis zu 1000. Im Norden Deutschlands waren in einigen Fußballstadien zuletzt mehrere Tausend Fans zu sehen. Nur in München geht wenig voran, wenn es um konkrete Zuschauerzahlen in der Arena geht.

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In gewisser Weise ist die Zurückhaltung verständlich, wenn man sieht, wie bedenkenlos die Fußballfans Erfolge ihrer Mannschaften wieder feiern: Beim Champions-League-Finale in Porto scherten sich die mitgereisten Anhänger aus England wenig um Abstands- oder Maskenregeln. Hierzulande waren bei Aufstiegsfeiern in Bochum und Rostock ähnliche Szenen zu sehen; auch die Fans des TSV 1860 gaben jüngst kein gutes Vorbild ab nach dem letzten Spieltag. Bürgermeisterin Habenschaden mahnt deshalb im Hinblick auf die EM schon: "Ich weiß, dass bei allen großen Fußballspielen immer auch große Gefühle mitschwingen. Trotzdem appelliere ich an alle Fans: Bitte bleiben Sie vernünftig." Ein im Olympiapark geplantes Fan-Fest hat die Stadt vorsichtshalber abgesagt. "Es gibt im Rahmen der EM keine städtischen Veranstaltungen", bekräftigte Habenschaden.

Bleibt also nur die Arena als größerer Versammlungsort. Aber darauf hat die Stadt wie erwähnt nur bedingten Einfluss. Dieter Reiter hatte jedenfalls schon vor seinen Ferien im BR darauf hingewiesen: "Das ist eine Entscheidung der bayerischen Staatsregierung im Rahmen der Corona-Regelungen. Ich versuche seit Wochen auf diese Frage, die mich als Oberbürgermeister, aber auch als Fußballfan interessiert, eine Antwort zu bekommen." Nun drängt auch die bayerische Staatsregierung selbst in Person des stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Er forderte in der Sendung "Sonntags-Stammtisch" des Bayerischen Fernsehens "in den nächsten Tagen" eine Entscheidung über die Zulassung von Zuschauern bei den EM-Spielen in München.

Bis Freitag werden sich freilich alle gedulden müssen, erst dann tritt das bayerische Kabinett wieder zusammen, und man darf davon ausgehen, dass Ministerpräsident Markus Söder das Thema auf die Tagesordnung setzt. Wenn man sich in den betroffenen Behörden umhört, dann warten alle darauf, dass Söder die Dinge endlich in Gang bringt. Schließlich hat er die Zuschauerfrage zur Chefsache erklärt.

© SZ vom 01.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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