Festival im Sinne der Demokratie:München feiert ein Festival gegen Rassismus

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Für viele ist Rassismus bitterer Alltag. (Foto: Fachstelle für Demokratie / Landeshauptstadt München)

Von 11. bis 24. März gibt es ein Programm mit Lesungen, Stadtführungen, Filmen, Vorträgen und mehr in nahezu allen Stadtteilen, von der Innenstadt bis nach Laim, Neuhausen und Hadern.

Von Jelena Maier

Vielen Menschen ist es wichtig, klare Kante zu zeigen gegen den zunehmenden Rechtsruck in der deutschen Gesellschaft und das Bekenntnis zur Demokratie. Das zeigen die Demonstrationen in vielen deutschen Städten, darunter auch in München am 21. Januar 2024. Dennoch gibt es eine neue Studie der Ludwig-Maximilians-Universität für die städtische Fachstelle für Demokratie, die belegt, dass München ein Problem mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit hat. Antisemitismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit nehmen demnach zu. Dagegen sollen die Internationalen Wochen gegen Rassismus nun ein Zeichen setzen. Von 11. bis 24. März gibt es in München ein Programm mit Lesungen, Stadtführungen, Filmen, Vorträgen und mehr in nahezu allen Stadtteilen, von der Innenstadt bis nach Laim, Neuhausen und Hadern. Oft ist der Eintritt frei, für manches muss man sich anmelden, anderes ist nur online verfügbar. Das gesamte Programm findet sich auf der Homepage der Stadt.muenchen.de.

Podiumsdiskussionen

In diversen Podiumsdikussionen stehen etwa die Bezahlkarte für Geflüchtete, Rassismus im Alltag und Kolonialismus zur Debatte. Jean-Pierre Félix-Eyoum, Großneffe von Rudolf Duala Manga Bell, spricht am 13. März um 19 Uhr im Museum Fünf Kontinente mit den Museumsleuten über die Chancen der Beziehung zwischen Deutschland und Kamerun. Bell, der im Kaiserreich Jura studiert hatte, und sich gegen illegale Machenschaften der Kolonialherrscher wehrte, wurde vor 110 Jahren von ihnen hingerichtet.

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Am 20. März, geht es an der Münchner Volkshochschule um das Thema "Was bleibt vom Aufbruch in die Demokratie? Umdeutungen der Umbrüche von 1989". Hierbei wird der Frage nachgegangen, wo die Ursachen für gegenwärtige nationalistische und rechtsextreme Tendenzen in Deutschland liegen. Drei Professoren, die zu dem Thema publiziert haben, sitzen auf dem Podium (19 Uhr, MVHS-Bildungszentrum, Einsteinstr. 28).

Vorträge

Ein Detail der Umzäunung der KZ Gedenkstätte Dachau. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Vorträge befassen sich mit Themen wie Antiziganismus, der Grenzpolitik des Westens oder Antirassismus-Arbeit im digitalen Raum. Auch der Umgang mit Antisemitismus wird diskutiert, etwa im Online-Vortrag "Die KZ-Gedenkstätte Dachau im Fokus der Rechten". Hier werden verschwörungstheoretische und rechtfertigende Begründungsweisen aufgezeigt, mit denen sich die Gedenkstätte seit ihrer Eröffnung konfrontiert sieht. (13. März, 18 Uhr). Wer sich für die Kolonialgeschichte Deutschlands interessiert, sollte den Vortrag "Zwischen Schaugeschäft und diplomatischem Besuch: Samoa-Völkerschauen im Deutschen Kaiserreich" nicht verpassen. Ein mehrjähriges, in enger Zusammenarbeit mit samoanischen Nachfahren erfolgtes Forschungsprojekt liefert Fakten zu den Völkerschauen in Deutschland zwischen 1895 und 1911 (19. März, 19 Uhr, Museum Fünf Kontinente).

Workshops

Rassismus ist oft gar nicht so weit weg, wie man denkt. (Foto: Fachstelle für Demokratie / Landeshauptstadt München)

Möglichkeiten, selbst gegen Diskriminierung aktiv zu werden, gibt es während des Festivals viele. Schon Kinder sind angesprochen in Bastelworkshops mit Themen wie "Haltung zeigen!" oder "Malen gegen Rassismus". Im Elterncafé des Städtischen Kindertageszentrums werden Plakate für die Demonstration "Menschenrechte für alle!" (21. März) gestaltet. Das Jüdische Museum am St.-Jakobs-Platz beschäftigt sich mit religiöser Pluralität in unserer Gesellschaft (15. März, 10.30 Uhr). Tags darauf fragt man im NS-Dokumentationszentrum bei der Veranstaltung "Das wird man doch mal sagen dürfen. Radikalisierung der Mehrheitsgesellschaft?" nach aktuellen Formen antidemokratischen und rassistischen Denkens (10 Uhr).

Einen spielerischen Ansatz wiederum verfolgt die Werkstatt des Residenztheaters begleitend zum Theaterstück "Blues in schwarzweiß". Es geht darin um die körperlichen und psychischen Auswirkungen von Rassismus (22. März, 20 Uhr).

Ausstellungen

Mali porträtiert in "Decolonize Beauty" junge Women of Color. (Foto: Mali)

Auch die Münchner Kunstszene wirkt über die gesamte Festivalzeit mit. In dem über Social Media ins Leben gerufene Fotoprojekt "Wir Ukrainer*innen in München" hat die Fotografin Barbara Donaubauer geflüchtete Ukrainer an ihren Lieblingsorten aufgenommen und die Bilder mit Interview-Ausschnitten ergänzt. Eine Finissage mit gemeinsamem Kochen gibt es am 21. März um 19 Uhr im Stadtteilkulturzentrum Guardini90. Die Fotografin Mali porträtiert in "Decolonize Beauty" junge Women of Color und stellt deren eigene Charakterisierungen mit Fotos und Texten in den Mittelpunkt (12. März, Münchner Stadtbibliothek Riem).

Um Leerstellen und Ausgrenzungsmechanismen sowie Alltagsrassismus in der heutigen Medienlandschaft geht es auch beim autobiografischen und multimedialen Kunstprojekt "Man spricht Deutsch". Begleitend werden ein Programm zum Mitmachen, Gespräche und Werkstätten an mehreren Terminen angeboten (16. März bis 16. April, Artothek, Bildersaal).

Lesungen

Michel Friedman ist Philosoph und Publizist. (Foto: Christoph Soeder/picture alliance/dpa)

Michel Friedman ist ein prominenter Gast des Festivals. Der ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden stellt am 16. März sein neues Buch "Judenhass" im Schauspielhaus der Kammerspiele vor und spricht anschließend mit dem Autor und Bundesverdienstkreuzträger Burak Yilmaz über Judenfeindlichkeit und die zunehmende Popularität der AfD (16. März, 20 Uhr).

Auch die Lesung "Auerbach. Eine jüdisch-deutsche Tragödie oder Wie der Antisemitismus den Krieg überlebte" beschäftigt sich mit den Juden in Deutschland. Der Autor des Buches, Hans-Hermann Klare und die Journalistin Rachel Salamander reden über den Auschwitz-Überlebenden Phillip Auerbach, der für die Überlebenden der Schoa kämpfte (17. März, 19 Uhr, Jüdisches Museum). Auch in der KZ-Gedenkstätte Dachau geht es bei einem öffentlichen Rundgang und Workshop um Diskriminierung nach 1945 (19. März, 14 Uhr).

Hautnahe Erlebnisberichte prägen die Doppel-Lesung "Das Schimmern der See // Ich will doch nur frei sein". Sie verbindet zwei Menschen und ihre Perspektiven auf die Außengrenzen Europas im Mittelmeer. Filimon Mebrhatom schildert in seinem Buch "Ich will doch nur frei sein" seine Flucht aus Eritrea; ergänzt wird seine Erzählung durch Projektionen der Graphic Novel "Das Schimmern der See" von Adrian Pourviseh.

Deren Autor ist Crew-Mitglied der Sea-Watch 3 und beschreibt seine Arbeit als Seenotretter in Worten und Bildern (20. März, 19.30 Uhr, Münchner Stadtbibliothek). Pourviseh hält bereits am 12. März um 20 Uhr eine eigene Lesung und zeigt in der Kurzdokumentation "Seabird - Das zivile Auge" die Schwierigkeiten der Seenotrettung auf (12. März, 19 Uhr).

Stadtrundgänge und Führungen

Der Sinti-Roma-Platz im Münchner Stadtteil Schwanthalerhöhe. (Foto: Florian Peljak)

Die Stadt München vereint facettenreiche Kulturen, Religionen und gesellschaftliche Gruppen und deren Geschichte in sich. Bei Rundgängen und Führungen kann man mehr darüber lernen. Beim Stadtrundgang "Sinti und Roma in München" erfahren die Teilnehmer vieles über die bewegte Biografie dieser Minderheiten (10. März, 15 Uhr, Spielzeugmuseum im Turm des Alten Rathauses). Passend dazu gibt es die Gedenkveranstaltung "Zur Erinnerung an die Deportation der Münchner Sinti und Roma" (13. März, 19 Uhr) und die Podiumsdiskussion zur Ausstellung "Gern Gesehen: Sinti und Roma" (15. März 17 Uhr).

Auch der Stadtrundgang "Auf jüdisch-muslimischen Spuren durch die Münchner Altstadt" widmet sich seit Jahrhunderten unterdrückten Gruppen. Er führt zu unbekannteren Seiten der Altstadt wie zur ersten Synagoge Münchens, zum "Türkentor" und zur "Luxus Moschee" (24. März, 11 Uhr, St.-Jakobs-Platz 16, Treffpunkt Foyer).

Vom Jüdischen Museum organisiert wird auch der Stadtspaziergang "Die Möhlstraße. Damals und Heute". Die bekannte Bogenhausener Straße stellte in der Nachkriegszeit einen bedeutenden Lebensmittelpunkt für die jüdischen Vertriebenen dar. Das Viertel sowie Orte aus der Ausstellung "München Displaced. Der Rest der Geretteten" werden bei der Führung besucht (16. März, 11 Uhr, Friedensengel, Prinzregentenstraße).

Neben den jüdischen Opfern der Nazizeit stehen auch ihre Verteidiger und Verbündeten im Fokus. Die Führung "Die Weiße Rose: Eine Botschaft für Menschenrechte und gegen Antisemitismus" leitet durch die Dauerausstellung in der Denkstätte Weiße Rose beim Lichthof der LMU. Dabei werden die zeitlosen Forderungen der Widerstandsgruppe beleuchtet (16. März, 11 Uhr, Geschwister-Scholl-Platz).

Nicht nur Juden, auch People of Color wurden während der Nazi-Diktatur verfolgt. Anhand von einigen ihrer Biografien dokumentiert der Rundgang "Schwarze Häftlinge im Konzentrationslager Dachau. Herkunft, Biografie und Haftgründe" die Gründe für deren Verschleppung (23. März, 14, Besucherzentrum der KZ-Gedenkstätte Dachau).

Fortbildungen

Die Fortbildungen sind meist anmeldepflichtig und richten sich primär an Fachkräfte. Das Online-Argumentationstraining "Streitet Euch! - Über den demokratischen Umgang mit Fake News, Populismus und Stammtischparolen" hingegen steht allen Interessierten offen (13. März, 18 Uhr). Auch die Fortbildung "Wir und die Anderen - Umgang mit Alltagsrassismus in der sozialen Praxis" (19. März, 10 Uhr) klärt über tagtägliche Diskriminierung auf. Zielgruppe der Online-Veranstaltungen sind insbesondere Fachkräfte der Sozialen Arbeit, Ehrenamtliche und Lehrer, die im Umgang mit Antisemitismus etwa an Schulen gefördert werden sollen (12. und 13. März, 9 Uhr, Herrnstraße 19).

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