Event:Leben in Bildergeschichten

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Gerhard Seyfried wird derzeit mit einer Ausstellung im Valentin-Karlstadt-Musäum geehrt. (Foto: Gerhard Seyfried)

Im Juni findet wieder das Comic Festival München statt: Mit dem HP8 als neuem Festivalzentrum, einem eigenen Animationsfilm-Festival und dem Länderschwerpunkt Tschechien.

Von Jürgen Moises

Sind Comics Literatur? Nun, dank Experten wie Will Eisner oder Scott McCloud wissen wir: Sie sind eine eigenständige, sequenzielle, mit bildlichen Zeichen arbeitende Kunstform. Trotzdem: Die Nähe, sie ist da. Das zeigt schon die alternative Bezeichnung "Graphic Novels", oder dass man Comics in Bibliotheken finden kann. In diesem Jahr gilt das in München ganz besonders. Denn da wird die Stadtbibliothek im HP8 (Hans-Preißinger-Straße 8) vier Tage lang zum Comic-Mekka. Vom 8. bis 11. Juni hat das Comic Festival München dort seine Festivalzentrale, nachdem diese zuletzt in der Alten Kongresshalle und zuvor im Künstlerhaus und Alten Rathaus war. Eine weitere Neuheit: Das Animation Festival Munich, das die über die Stadt verteilten Veranstaltungen ergänzt. Was in diesem Jahr sonst alles beim Festival geboten ist, zeigt der folgende Überblick.

Das neue Festivalzentrum

Eine kleine Alltagsskizze von Rudi Hurzelmeier. (Foto: Rudi Hurzelmeier / Comicfestival)

Es gibt ganz verschiedene Arten des Zeichnens. Eine davon ist die Hurzlmeierzeichnerei. Unter diesem Titel präsentiert der Münchner Cartoonist und Maler Rudi Hurzlmeier in der neuen Festivalzentrale, dem HP8, ein "Best of" aus den vergangenen Jahren. Kunsthistorische Anspielungen finden sich bei Hurzlmeier genauso wie Absurditäten des Alltags, die er mal mit schnellem Strich, mal in geradezu altmeisterlicher Manier aufs Papier bringt. Eine weitere Ausstellung ist der Augsburger Zeichnerin Lisa Frühbeis gewidmet, die unter anderem ihren neuen Comic "Der Zeitraum" vorstellt. Darin versucht eine Frau, gleichzeitig erfolgreiche Musikerin und perfekte Mutter zu sein.

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Mit José Holms wird ein spanischer, ehemaliger Marvel-Zeichner gewürdigt, der aktuell mit seiner Serie "Shi" erfolgreich ist. Und der US-Zeichner und Underground-Experte Denis Kitchen zeigt seine "Creatures From The Subconcious". Zeichenkurse und Künstlergespräche, unter anderem mit Uli Oesterle, Ralf König, Kate Beaton oder Sole Otero gibt es im HP8 auch, und zwar täglich im "Projektor". Die beliebte Verlagsmesse findet im Saal X und im Generator statt. Der Eintritt ist bei allen Veranstaltungen im HP8 frei, die Ausstellungen sind täglich von 7 bis 23 Uhr geöffnet.

Länderschwerpunkt Tschechien

Von der Landschaft seines Geburtsorts Jesnik inspiriert sind die freien Arbeiten von Jaromir 99. (Foto: Jaromir 99 / Comicfestival)

Der diesjährige Länderschwerpunkt ist Tschechien gewidmet. Der international erfolgreichste Comic-Künstler ist dort Jaromir 99, der hier vor allem mit der Graphic Novel "Alois Nebel" bekannt wurde. Im Tschechischen Zentrum (Prinzregentenstraße 7) zeigt er vom 7. Juni bis 14. Juli unter dem Titel " Off Season" freie Arbeiten, die von der Landschaft seines Geburtsorts Jesenik inspiriert sind. Bei der Eröffnung am 6. Juni um 19 Uhr wird Jaromir 99 darüber reden und Musik machen. Außerdem wird er in München seine Graphic Novel über die Turn-Legende Věra Čáslavská vorstellen, die dank der Vermittlung des Festival-Leiters Heiner Lünstedt im Juni auf Deutsch erscheint.

Im Sudetendeutschen Haus (Hochstraße 8) ist vom 1. bis 30. Juni eine Ausstellung zur Graphic Novel " Die vertriebenen Kinder" mit Zeichnungen von fünf tschechischen Künstlern zu sehen. Und das Café Cosmos und das Bufet (Dachauer Straße 7 + 7a) zeigen vom 7. Juni bis 14. Juli die Ausstellung " In The Gutter", die mit Monika Baudišová, Štěpánka Jislová, Tomáš Kučerovský, Vojtěch Mašek und Lenka Šimečková ebenfalls fünf tschechische Künstler präsentiert.

Geschichte der Zeitungscomics

Am 5. Juni eröffnet im Amerikahaus die Ausstellung "Yes, We Käng". (Foto: Bernd Kissel)

Durch Serien wie "Yellow Kid" oder "The Katzenjammer Kids" wurde der Comic als Medium Ende des 19. Jahrhunderts populär. Ihren Ort hatten diese Serien in Zeitungen, die die beliebten Comics zur Kundenbindung einsetzten. Die Ausstellung " Yes, we käng", die am 5. Juni um 19 Uhr im Amerikahaus (Karolinenplatz 3) eröffnet wird, widmet sich im Form von historischen Zeitungsseiten, Originalzeichnungen und seltenen Sammlerstücken der Geschichte der Zeichnungscomics.

Neben frühen Abenteuern von "Yellow Kid" werden unter anderem Werke von Lyonel Feiniger gezeigt, Klassiker wie "Flash Gordon" oder "Peanuts". Die " Känguru-Comics" von Marc-Uwe Kling und Bernd Kissel sind ebenfalls vertreten und genauso die vor 50 Jahren von Dik Browne erfundene Serie "Hägar der Schreckliche". Der aktuelle Hägar-Zeichner Gary Hallgren ist bei der Eröffnung zu Gast. Ebenfalls im Amerikahaus findet am 10. Juni die Verleihung der PENG!-Preise statt. Ausgezeichnet werden die aktuell besten Comics, Asterix-Übersetzerin Gudrun Penndorf erhält den Preis für ihr Lebenswerk.

Invasion aus dem Alltag

Chronist der linken und alternativen Szene: Gerhard Seyfried. (Foto: Gerhard Seyfried / Comicfestival)

Bereits seit dem 11. Mai ist im Valentin-Karlstadt-Musäum (Im Tal 50) eine Ausstellung mit bisher noch nie öffentlich gezeigten Originalzeichnungen von Gerhard Seyfried zu sehen. Der 1948 in München geborene Zeichner wurde 2021 mit dem PENG!-Preis für sein Lebenswerk geehrt. Bekannt wurde Seyfried als Chronist der linken und alternativen Szene, zuerst in München und ab 1976 in Berlin. Dort bastelte er mit Schere und Klebstoff den Comic-Band "Wo soll das enden" zusammen, der so erfolgreich wurde, dass er sich danach einen Trip nach San Francisco leisten konnte. In der Ausstellung sieht man zahlreiche der für Seyfried typischen Wimmelbilder. Es gibt "Freakadellen" und "Buletten" und auf den Bildern aus dem Band "Invasion aus dem Alltag" von 1981 malte sich eine Gruppe linker Freaks nach einem Joint recht visionär die Zukunft aus.

Lokale Comic-Helden

"München 1945", der sechsbändige Comic von Sabrina Schmatz ist auch als Gesamtausgabe erhältlich. (Foto: Sabrina Schmatz / Comicfestival)

Die lokale Szene hat vom 1. Juni (Eröffnung um 19 Uhr) bis 10. Juni mit Ausstellungen von Sabrina Schmatz, Florian Julino und Frank Schmolke in der Stadtbibliothek im Motorama (Rosenheimer Straße 30-32) ihren Auftritt. Schmatz präsentiert Originalzeichnungen aus ihrem Comic "München 1945", der zunächst in sechs Bänden und danach als Gesamtausgabe erschien. Florian Julino ist Grafiker, Illustrator und Comiczeichner und arbeitete für Comic-Serien wie "Fix und Foxi", "Uli" und "Klara Fall". Im Motorama sind unter anderem Originalzeichnungen aus seiner bekannten "Pumuckl"-Adaption zu sehen. Frank Schmolke hatte mit der bald als Streaming-Serie mit Jürgen Vogel laufenden Graphic Novel " Nachts im Paradies" über einen Taxifahrer seinen Durchbruch. Aktuell arbeitet er an Illustrationen für die Archäologische Staatsammlung. In der Ausstellung zeigt er Zeichnungen aus verschiedenen Werken.

Ägypter und Piraten

Einer der ganz Großen in der italienischen Comic-Zunft ist Manuele Fior. In Deutschland wurde er 2010 mit seiner kongenialen Adaption der Arthur-Schnitzler-Novelle "Fräulein Else" bekannt. Das in diesem Jahr erstmals am Festival beteiligte Istituto Italiano (Hermann-Schmid-Straße 8) zeigt vom 8. Juni bis 7. Juli eine Auswahl von Zeichnungen, zu denen auch Bilder aus Fiors gerade frisch auf Deutsch erschienenem Werk " Hypericum" gehören. Darin verwebt der Italiener in eindrücklichen Bildern eine Liebesgeschichte im Berlin der späten 1990er mit der Entdeckung des Grabes von Tutanchamun.

"Warship Jolly Roger" - ein wildes Science-Fiction-Abenteuer von Miki Montlló und Silvain Runberg. (Foto: Miki Montlló / Comicfestival)

Im Instituto Cervantes ist vom 5. Juni bis 4. Juli unter dem Titel "Warship Jolly Roger" eine Ausstellung mit Zeichnungen von Miki Montlló zu sehen. "Warship Jolly Roger" ist ein wildes, in vier Bänden erschienenes Science-Fiction-Abenteuer von Miki Montlló und dem Autor Silvain Runberg über einen ehemaligen Kriegshelden, der sich als Pirat durchschlägt. Am 9. Juni gibt es um 16 Uhr mit Montlló ein Podiumsgespräch.

Animation Festival Munich

Die Geschichte des Animationsfilms reicht weit zurück. Bereits 1877 schuf der Franzose Émile Reynaud für sein Praxinoskop erste animierte Bilder. Sehr populär wurden 1911 die Animationsfilme von Winsor McCay, und der große Paukenschlag gelang Walt Disney 1927 mit dem ersten Mickey-Mouse-Film "Steam Boat Willie". Vergleichbare Klassiker des amerikanischen Cartoon-Films gibt es nun beim ersten Animation Festival Munich zu sehen. Das von der Münchner Animationsfilmerin Caroline Hamann organisierte Festival hat am 11. Juni im Werkstattkino (Fraunhoferstraße 9) seine Premiere. Los geht es um 14.30 Uhr mit einem einstündigen Kinderfilmprogramm, danach folgen Sandanimationen, "Motionless Movies", internationale Kurzfilme und abschließend der auf dem gleichnamigen Comic von Jaromír 99 und Jaroslav Rudiš beruhende, tschechische Langfilm "Alois Nebel". Caroline Hamanns Vision: Das Animation Festival Munich zu einer festen Größe im hiesigen Kulturleben zu machen, so wie es das Comic Festival seit Jahren ist.

Comic Festival München 2023, Stadtbibliothek im Gasteig HP8 und weitere Orte, 8. bis 11. Juni, alle Infos und Veranstaltungen unter comicfestival-muenchen.de

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