Wie sah die Welt vor tausend oder gar vor hunderttausend Jahren aus? Nun, darüber gibt es nur historische Berichte. Manchmal gibt es Gemälde, Skulpturen, archäologische Artefakte, die davon erzählen. Zu welchem Bild wir diese dann zusammensetzen, hängt von den jeweiligen Fakten oder eben Artefakten ab. Aber vieles bleibt am Ende Interpretation, Spekulation, Fiktion. Womit wir bei der Archäologischen Staatssammlung in München wären, deren 2016 begonnene Sanierung auch schon so langsam historische Dimensionen annimmt. Im Jahr 2024 soll die durch Corona noch einmal verzögerte Wiedereröffnung endlich stattfinden. Die erneuerte, rostfarbene Cortenstahl-Fassade wird dann weitgehend an früher erinnern. Aber im Inneren wird Vieles anders sein.
So wird in der Dauerausstellung wie vorher eine Vielzahl an Objekten aus hunderttausend Jahren bayrischer Geschichte gezeigt. Aber geordnet sind diese nicht mehr chronologisch, sondern weitgehend thematisch - und das Ganze auf zwei Rundgänge verteilt. Der erste erzählt mit starkem Erlebnischarakter vom "Abenteuer Archäologie", während es im zweiten in Eckpunkten durch die Kulturgeschichte geht. Und da wären wir wieder bei Fakt und Fiktion. Denn neben den Objekten werden in Leuchtpaneelen auf Film gezogene Zeichnungen zu sehen sein, die vom Illustrator und Comic-Zeichner Frank Schmolke stammen. Darauf wird man Exponate aus den Vitrinen erkennen, so wie jeweils einen zeitgeschichtlichen, thematischen Bezug.

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Davon abgesehen habe er aber "große Freiheiten", wie der 2019 mit seinem Comic "Nachts im Paradies" bekannt gewordene Zeichner bei einer Vorbesichtigung der ersten Bilder in seinem Atelier in Markt Indersdorf verrät. "Ich bekomme oft nur Stichpunkte und dann geht bei mir gleich ein Film los." Im vergangenen August hat der gebürtige Münchner begonnen. Im Mai soll er fertig sein. Das bisherige Ergebnis: eine große "Schlachtenszene", die während des Gesprächs hinter dem Zeichentisch an der Wand hängt. Und dann ist da ein Triptychon mit einer frühmittelalterlichen Bestattungsszene, das im Raum nebenan auf dem Boden liegt. Die Zeichnungen sind geprägt von einem kräftigen Schwarz-Weiß. Die Grabszenen sind dunkel, expressiv, die Schlachtenszene steckt voller Dramatik und hat neben dem Schwarz-Weiß eine graue Lasur.
Eine Art Zeitreisender verbindet die verschiedenen Bilder und Motive miteinander
Wer "Nachts im Paradies" kennt, diese Geschichte über einen Münchner Taxifahrer (aktuell wird sie als Miniserie mit Jürgen Vogel in der Hauptrolle verfilmt), wird vom Stil her einiges wiedererkennen. Auch wenn die aktuellen Zeichnungen einen Tick realistischer sind. Aber es geht hier ja auch um einen Wiedererkennungswert, was die eingearbeiteten archäologischen Motive betrifft. Auch eine Figur soll in Erinnerung bleiben. Ein junger Mann, der wie ein Zeitreisender durch die Bilder, Themen, Zeiten wandert, sich dabei verändert, aber in den wesentlichen Zügen gleich bleibt. Diese Züge, erfährt man, haben etwas vom jungen Frank Schmolke, der als Kind mit Soldaten gespielt hat. Seine ersten Berührungen mit der Geschichte.
Wie die Comics ins Museum kommen? Nun, das ist dem Direktor der Staatssammlung, Rupert Gebhard, zu verdanken, der im Atelier ebenfalls zugegen war. Er hatte sich gefragt: Wie kann man Geschichte anschaulich erzählen, und sie auch für junge Menschen interessant machen? Da kam ihm die Idee mit Graphic Novels. Er habe gesehen: "In Frankreich gibt es da eine starke Szene", was archäologische Comics betrifft.

Und Schmolke? Auf den sei er über einen SZ-Artikel gestoßen. Dass dieser am liebsten schwarz-weiß arbeitet, passte gut ins Konzept. Denn die Bilder, deren Entwicklung die Staatssammlung in den nächsten Wochen auf ihren sozialen Kanälen dokumentiert, sollten nicht zu dominant sein, so Gebhard. Und sie sollen als Fiktion erkennbar sein.
"Das ist mein tollster Auftrag bisher", sagt wiederum Schmolke über das Projekt, das am Ende aus etwa 34 Arbeiten bestehen soll. Dafür habe er sogar die Comic-Umsetzung des Thrillers "Der Augenjäger" von Sebastian Fitzek verschoben. Obwohl seine Adaption des "Augensammlers" von Fitzek vor zwei Jahren sein bisher größter Erfolg war. Sieben bis zehn Tage brauche er pro digitaler Skizze, die er danach in Handzeichnungen übersetzt. Wobei nicht das Zeichnen, sondern das Korrigieren die meiste Zeit koste. So hätten etwa bei der Schlachtenszene die Schuhe, die Hosen, die Kapuzen nicht gestimmt. Eine permanente Herausforderung, bei der er aber viel lerne. Und von der sich beide auch gut eine Fortsetzung vorstellen können. Ein archäologischer Comic? Eine Ausstellung über das Projekt? Warum nicht. Aber davor muss erst mal das Museum wieder geöffnet sein.