1500 neue Kilometer:Bayerns Radfahrer sollen mehr Platz auf der Straße bekommen

Lesezeit: 3 min

1500 Radwegkilometer sollen bis 2030 in Bayern neu entstehen. An der ein oder anderen Stelle könnten auch Autospuren dem Zweirad Platz machen. (Foto: Lennart Preiss/dpa)

CSU und Freie Wähler machen in ihrem neuen Radgesetz überraschend viele Zugeständnisse. Am Ende könnten sogar Autospuren schmäler werden. Für die Macher ist das "ein Spagat", Kritikern geht alles viel zu langsam.

Von Johann Osel

1500 Kilometer neue Radwege bis 2030, das Ziel eines "bayernweit durchgängigen" Netzes und sogar die Empfehlung an die Straßenbaubehörden, dafür bei Bedarf die "bauliche Verschmälerung" vorhandener Infrastruktur zu erwägen - CSU und Freie Wähler haben am Montag Eckpunkte für ein neues Gesetz "zur Stärkung des Radverkehrs in Bayern" vorgestellt.

Mit dem Entwurf geben die Regierungsfraktionen nicht nur überraschend viele Zugeständnisse an den Radverkehr, sondern drücken dabei auch aufs Tempo: Bereits am Dienstag wird das Radgesetz im Landtag in erster Lesung eingebracht. Und noch vor der Landtagswahl im Oktober soll es beschlossene Sache sein. Offensichtlich auch vor dem Hintergrund, dass ein Volksbegehren für ein noch viel umfassenderes Radgesetz in Bayern mehr als 100000 Unterstützer zählt. Ob das Ansinnen zulässig ist, wird derzeit gerichtlich geprüft.

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"Wir wollen, dass deutlich mehr Menschen als bisher das Fahrrad als günstiges und klimafreundliches Verkehrsmittel nutzen - in der Stadt und auf dem Land", sagte FW-Fraktionschef Florian Streibl. Mit dem Radgesetz lege man daher "den Grundstein für zeitgemäße Fortbewegungsstrukturen", diene doch das Rad vielen Bürgern längst nicht mehr nur für Tourismus und Freizeit, sondern etwa auch für den Weg zur Arbeit. Der radpolitische Sprecher der CSU, Martin Wagle, sagte: Fahrräder seien als "zuverlässige Allround-Verkehrsmittel" aus dem Straßenbild nicht mehr wegzudenken, zumal wegen des Booms von E-Bikes. Es sei nicht damit getan, nur die Geldbörse zu öffnen: Mit dem Radgesetz "steigern wir nachhaltig den Anteil des Fahrrads im Verkehrsmix". Mehrmals fiel in der Pressekonferenz sogar in aller Ernsthaftigkeit das Wort Lastenrad - das bis dato in der CSU eher nur als Anlass für Spott und Witzeleien über die Grünen zu taugen schien.

Ausgewählte Aspekte des Entwurfs: Neben Förderungen des Freistaats sollen die Kommunen künftig zentrale Anlaufstellen für den Ausbau ihrer Radinfrastruktur erhalten. Zwei Drittel der Gemeinden im Freistaat hätten weniger als 5000 Einwohner, erklärte Manfred Eibl (FW), sie bräuchten "qualitätsvolle Unterstützung" für ihren Beitrag zum "ambitionierten Ziel" der 1500 neuen Radwegkilometer. Um Verkehrsmittel sinnvoll zu verknüpfen, soll ein vergünstigtes Ticket zur Fahrradmitnahme im Schienenverkehr kommen. Durch die Änderung der Bauordnung wird es zudem den Gemeinden ermöglicht, bei Bauvorhaben, für die Kfz-Stellplätze nachzuweisen sind, auch Fahrradständer anzurechnen. Bei Ampel-Planungen wiederum soll eine vorrangige oder vom motorisierten Verkehr getrennte Freigabe für Räder üblicher werden.

Und nicht zuletzt wäre da eben die Forderung an die Straßenbaubehörden, gegebenenfalls Autostraßen zu verschmälern. Ziehen da nicht Konflikte auf, ungünstigerweise gerade im Wahljahr? Wenn es keinen zusätzlichen Raum gebe, werde immer jede Gruppe mehr für sich beanspruchen, sagte CSU-Mann Wagle dazu. Dies gelte es im Sinne aller Verkehrsteilnehmer, auch der Fußgänger übrigens, zu lösen. Die fachliche Unterstützung der Kommunen werde dazu beitragen. Daran glaubt auch FW-Kollege Eibl - das könne wegen einer erwartbaren "Abwehrhaltung" allerdings "ein Spagat" werden.

Das Volksbegehren habe sich damit erledigt, finden CSU und Freie Wähler

Das Volksbegehren sehen CSU und FW mit ihrem Gesetz quasi vom Tisch, es gebe "keine Notwendigkeit für weitere Regelungen", sagte CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer. Ohnehin gehe er nicht von dessen Zulässigkeit aus. Der bayerische Verfassungsgerichtshof will am 7. Juni seine Entscheidung verkünden, ob das bereits beantragte Volksbegehren für ein umfassenderes Radgesetz rechtlich zulässig ist. Also ob die Initiatoren die nächste Stufe erreichen und es ein bayernweites Volksbegehren gibt - aus dem dann ein Volksentscheid erwachsen könnte. Die Staatsregierung hält den von den Initiatoren gewünschten Gesetzentwurf unter anderem für rechtlich fehlerhaft, weil er ins Budgetrecht des Parlaments eingreife.

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Die Grünen können dem neuen Vorstoß von CSU und FW zwar Positives abgewinnen, die Staatsregierung stelle sich dem wachsenden Bedarf an guter und sicherer Radverkehrsinfrastruktur nicht mehr in den Weg, hieß es. Jedoch fehlten zum Beispiel umfassende bauliche Maßnahmen und verbindliche Zielvorgaben für den Anteil des Fahrrads am Gesamtverkehr. Die Staatsregierung vollziehe nun quasi "erste Fahrversuche auf einem Kinder-Laufrad", meint der Grünen-Abgeordnete Markus Büchler. "Die CSU zimmert jetzt einen Last-Minute-Entwurf zusammen, damit sie im Wahljahr keinen Image-Verlust erleidet."

Kritisch bleibt auch das Bündnis Radentscheid, das den Entwurf an vielen Stellen als "zu vage" tadelt. Bernadette Felsch vom Fahrrad-Club ADFC in Bayern rechnet vor: 1500 Kilometer Radweg bis 2030 wären 91 Meter pro Jahr und Gemeinde. "Bei diesem Tempo dauert es bis etwa 2160, bis Bayern ein sicheres Radwegenetz hat."

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