Ehemaliges Reichsparteitagsgelände:"Fundamentaler Eingriff in ein Denkmal"

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Im Innenhof der Torso gebliebenen NS-Kongresshalle in Nürnberg auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände entsteht ein Interimsbau für Oper und Ballett. (Foto: Olaf Przybilla)

Mancher mag gehofft haben, dass für das Nürnberger Operninterim nur minimale Änderungen an der Fassade des denkmalgeschützten NS-Baus notwendig sein werden. In der Ausschreibung liest sich das allerdings ganz anders.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Die Debatte ums Nürnberger Operninterim konzentriert sich auf drei Fragen: Wo genau soll die Aufführungsspielstätte hin, innerhalb oder außerhalb der Ex-NS-Halle? Soll dieser Kulturbau lediglich temporärer Natur sein oder hernach wieder entfernt werden? Und könnte man ihn anschließend als Konzertsaal nutzen?

Dass auch im Hufeisen - offizieller Name: Rundbau der Kongresshalle auf ehemaligem Reichsparteitagsgelände - massive Eingriffe notwendig sind, gerät dabei leicht aus dem Blick, versteht sich aber von selbst: Immerhin soll dort zunächst der "Backstage"-Bereich der Oper untergebracht werden und danach sogenannte Ermöglichungsräume für die Kunst. Bislang mag mancher gehofft haben, dass dafür an der Außenfassade des unter Denkmalschutz stehenden Baus nur minimale Eingriffe notwendig sind. Nun aber sind Teile der Objektplanung ausgeschrieben worden. Und eines lässt sich daran ablesen: Gering dürften die Eingriffe nicht werden.

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Geplant für die 39 Meter hohe Fassade zum Innenhof sind demnach: der "erstmalige Einbau von maximal 15 parabelförmigen Fenstern" im dritten Obergeschoss (OG); der "erstmalige Einbau von maximal 35 Fenstern" im ersten OG; der "erstmalige Einbau von maximal neun großformatigen Fassadenelementen" samt "erstmaligem Einbau von maximal 24 Fenstern" im Arkadengeschoss; und der "erstmalige Einbau von maximal 17 Fassadenelementen/Fenstertüren" im zweiten OG. Voraussichtlich sollen also bis zu 100 neue Fenster, Fassadenelemente, Fenstertüren, auch großformatige, allein in die Außenwand zum Hof des historischen Baus eingefügt werden.

Pascal Metzger ist Historiker bei "Geschichte für Alle", der Verein hat unlängst das "Henkerhaus" zum Museum umgebaut. Wenn er sich überlege, wie aufwendig man da mit dem Denkmalschutz habe ringen müssen, um an bereits existierende Fensterrahmen Hand anzulegen, so komme er angesichts des nun geplanten Eingriffs in ein denkmalgeschütztes Gebäude ins Staunen. Zumal es Fenster zum Innenhof dieses NS-Hufeisenbaus nie gegeben habe.

Das Baureferat der Stadt, zuständig für die Ausschreibung, bestätigt das. "Zugänge" waren aus dem monströsen Treppenhaus - dem Rundbau - in die Halle geplant, sie wären auch für "Lüftung" nutzbar gewesen, sagt eine Sprecherin. Fenster weniger. Für was auch?

Starke Bauchschmerzen hat damit Alexander Schmidt vom Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände. Die Ausschreibung komme einem "fundamentalen Eingriff in ein Denkmal auf kleinem Dienstweg" gleich, sagt der Historiker. Insbesondere der Innenhof symbolisiere das Scheitern einer verbrecherischen Ideologie. Aus dieser historischen Fassade werde nun die eines "modernen Kulturgebäudes".

Natürlich wisse er, dass exakt eine solche Metamorphose viele begrüßen und gar nicht der Ansicht sind, man sollte an dem Bau möglichst wenig Hand anlegen. Aber ob die historische Vorstellung dessen, für was dieser größte überlieferte NS-Propagandabau bislang stehe, hernach noch ebenbürtig möglich sei? Er bezweifle das.

In der Mehrheit dürften Zweifler wie Schmidt und Metzger freilich nicht sein. Mit sehr klarer Mehrheit hat der Stadtrat im Dezember für den Umzug der Oper gestimmt, wohl im Bewusstsein dessen, dass die Räume auch von der Innenseite ausreichend Licht benötigen. "Das verändert den Bau grundsätzlich und ist nicht reversibel", warnt Metzger trotzdem - wohl ahnend, dass gerade dies mancher genau richtig finden wird.

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