Ehemaliges Reichsparteitagsgelände:Wohin mit dem millionenschweren Opernbau?

Ehemaliges Reichsparteitagsgelände: Auf das ehemalige Reichsparteitagsgelände am großen Dutzendteich soll das Operninterim, aber wohin genau? In das Halbrund der Kongresshalle oder davor? Die Diskussion wird wohl noch andauern.

Auf das ehemalige Reichsparteitagsgelände am großen Dutzendteich soll das Operninterim, aber wohin genau? In das Halbrund der Kongresshalle oder davor? Die Diskussion wird wohl noch andauern.

(Foto: Norbert Probst/imago/imagebroker)

In den Hof oder vor das Hufeisen? Denkmal- und Naturschutz lassen die Entscheidung über das Gebäude, das am Nürnberger NS-Kongresshallentorso seine Heimat finden soll, zur Zwickmühle werden.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Im Dezember hat Nürnbergs Stadtrat mit großer Mehrheit die Grundsatzentscheidung getroffen, vom Jahr 2025 an mit dem Opern-Interimsbau aufs ehemalige Reichsparteitagsgelände zu ziehen. Wohin genau, wurde noch nicht entschieden, auf jeden Fall aber soll der Kulturbau für die Aufführungen von Ballett und Oper am NS-Kongresshallentorso eine Heimat finden. Gut einen Monat nach der Entscheidung treten freilich immer mehr offene Detailfragen ins Blickfeld, unter anderem naturschutzrechtliche Bedenken. Der Stadtrat dürfte demnach seine schwerste Entscheidung - die nach dem tatsächlichen Ort für den Aufführungsbau - erst noch vor sich haben.

Auch der Denkmalschutz ist eines dieser Problemthemen - und wohl das komplexeste. Zwar hat die zuständige Oberkonservatorin des Landesamts für Denkmalpflege bereits vor drei Monaten eine Stellungnahme abgegeben, die kaum Fragen offen zu lassen scheint: Demnach könnte die Denkmalpflege ihre Bedenken gegen einen Kubus im Innenhof des NS-Hufeisens nur zurückstellen, sofern "der tatsächliche Rückbau nach der Interimszeit gewährleistet" sei. Was bedeuten würde: Der voraussichtlich 50 Millionen teure Kulturbau müsste nach etwa zehn Jahren wieder abgerissen werden.

Zuletzt aber hat sich der Chef der Landesbehörde, Mathias Pfeil, in die Debatte eingeschaltet und sich mit dem - angesichts der Stellungnahme der Oberkonservatorin überraschenden - Diktum zitieren lassen, er schließe einen "dauerhaften Bau nicht aus". Ein Eingriff dieser Tragweite könne aber "nur auf Grundlage einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion beschlossen" werden. Die Debatte, ob ein millionenschwerer Kulturbau auf dem Ex-NS-Gelände aus denkmalpflegerischer Sicht wieder abgerissen werden muss, dürfte damit erst am Anfang stehen.

Kaum weniger komplex werden die naturschutzrechtlichen Fragen zu beantworten sein - und dies insbesondere für jene, die bislang einen Kulturbau im Hof des NS-Hufeisens befürworten. Das sind die Grünen; und vor allem die CSU - und damit die in Nürnberg seit der Kommunalwahl 2020 maßgebliche Partei, die OB und Kulturbürgermeisterin stellt. In einer umweltfachlichen Stellungnahme der zuständigen Behörde wird die Möglichkeit, den Kulturkubus nicht etwa in den Hof, sondern vor die NS-Kongresshalle zu bauen, ganz klar bevorzugt. Und es findet sich dort der grundsätzliche Hinweis, die Stadt müsste es "fundiert" erläutern, sollte sie dem entgegen eine Variante wählen wollen, die aus umweltfachlicher Sicht deutlich schlechter geeignet wäre - also etwa den Bau in den Innenhof. Andernfalls verstieße die Stadt gegen das Bundesnaturschutzgesetz.

"Das Kommunikationsmanagement ist eine Katastrophe."

In besagter Stellungnahme werden insgesamt sechs Standorte analysiert. Jener im Innenhof - und fünf weitere außerhalb des NS-Hufeisenbaus: zwei auf der nördlichen Seite zur Stadt hin, zwei auf der gegenüberliegenden Seite am Dutzendteich und einer am Volksfestplatz. Von all diesen Standorten wird jener im Innenhof - also jener von CSU und Grünen bevorzugte - als ein "Sonderfall" analysiert: Er stelle "aufgrund der Brut von Wanderfalke und Uhu im unmittelbaren Umfeld" die Variante dar "mit der höchsten artenschutzrechtlichen Eingriffsschwere". Und auch ein weiteres Detail dürfte etwaigen künftigen Planern eines Operninterims im Innenhof noch Bauchschmerzen bereiten. Um "Verbotstatbestände" nach dem Bundesnaturschutzgesetz zu verhindern, müsste dort auf eine "angemessene (vergleichsweise geringe) Höhe" eines Kulturbaus geachtet werden, heißt es in dem Papier. Ein Opernhaus mit geringer Höhe? Zumindest für den Bühnenturm klingt das nicht komfortabel.

Also doch besser ein Kulturbau außerhalb der Hofes - wie es die SPD präferiert? Das wiederum würde bei Denkmalschützern auf noch größere Skepsis stoßen als im Innenhof. "Da die Reichweite im Außenbereich wesentlich größer ist als im nur für Besucher zugänglichen Innenhof, kann die Variante eines außenliegenden Kubus (auch temporär) aus Sicht der Denkmalpflege nicht befürwortet werden", heißt es in dem Dokument der Landesamtes.

Im Kern heißt das: Im Außenbereich des NS-Torsos will der Denkmalschutz den Bau nicht sehen; drinnen hat die Umweltschutzbehörde massive Bauchschmerzen. Was unterm Strich keine behagliche Debatte für die Stadt verspricht. Zumal zahlreiche Stadträtinnen und Stadträte der kleineren Parteien gerade Redebedarf anmelden, weil ihnen grundlegende Dokumente - das Papier aus der Landesamt für Denkpflege etwa - vor der Grundsatzentscheidung offenbar nicht zur Verfügung standen. Sie werde in der kommenden Stadtratssitzung deutliche Worte dazu finden, kündigt Marion Padua von der Linken Liste bereits an. Und Ernesto Buholzer Sepulveda von der "Politbande" wird noch deutlicher: "Das Kommunikationsmanagement ist eine Katastrophe."

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