Hubert Aiwanger im Wahlkampf:Er ist wieder da

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Der Stellvertreter (links) und sein Ministerpräsident. Der Wahlkampf ist längst eröffnet, bald wird der Wettstreit zwischen Hubert Aiwanger (FW) und Markus Söder (CSU) in den Bierzelten ausgetragen werden. (Foto: Sven Simon/imago images)

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger scheint in der jetzigen Krise seine Bühne zu finden, vergessen ist das Theater um seine Impfskepsis. Dass ihn die CSU mit neuem Personal in die Zange nehmen will, wirkt auf ihn offenbar eher erfrischend.

Von Andreas Glas und Johann Osel, München

Hubert Aiwanger malt mit dem Finger einen Kreis auf die Tischplatte, verlegt mit der Handfläche den Boden im Gedankenbauwerk, setzt links und rechts Befestigungsbolzen. Fertig. So eine Lagerstätte für Steinkohle, mit dem Schiff importiert, sei technisch keine große Sache, erklärt der Minister. Er sitzt in einem Konferenzraum im Landtag, die Sitzung seiner Freien Wähler ist zu Ende, jetzt spricht Aiwanger über ein Thema, das spätestens mit dem Krieg in der Ukraine zum Megathema gewachsen ist - und ihn, den Wirtschafts- und Energieminister, zurück ins Bühnenlicht rückt: Energiepolitik.

Zum Beispiel Kohlevorräte, sagt Aiwanger, die müssten her und würden "uns nicht verfaulen". Eigentlich war die Kohle tot, der Ausstieg beschlossen, "idealerweise" 2030, heißt es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Doch Aiwanger ist keiner, der in Idealen denkt. Er gehört zu denen, die Kohle nun "Brückentechnologie" nennen. Zu schmutzig, zu ineffizient?

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Sinnvoll, sagt er, um rasch unabhängig zu sein von russischem Gas. Es heißt ja, der Agraringenieur Aiwanger agiere auch als Politiker wie ein Landwirt: maximal pragmatisch. Oft wird er dafür verspottet. Nun in der Krise ist das anders - obwohl Aiwanger immer noch wie einer spricht, der halt seinen Hof gut über die Runden bringen muss. Seine Fans sagen: Der Mann ist wie gemacht für diese Krise.

Hubert Aiwanger, Chef der FW, war nie weg. Und doch kann man sagen: Er ist wieder da. Nach der Bundestagswahl, als seine Partei den Einzug ins Parlament klar verpasst hat, konnte man meinen, dass sich Aiwanger in die Schmollecke verkrochen habe. Was auch daran lag, dass der lange ungeimpfte Minister wegen der 2-G-Regel nicht an Presseterminen teilnehmen durfte.

Nun ist er geimpft und ein bisschen macht es den Eindruck, als hätte ihm jemand ein paar Amphetamine in die Spritze gemischt. Schon allein, wie häufig er seit Kriegsbeginn in der Presse steht. Er hat eine Taskforce zur Sicherung der Wirtschaft einberufen, hat noch vor Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine Laufzeitverlängerung der Kernkraft ins Spiel gebracht, hat Berlin und Brüssel geraten, "die Lebensmittellager bis unter die Decke" zu füllen. Er hat ein "Gesellschaftsjahr" für alle gefordert, samt Wehrdienst, billigerem Sprit für Speditionen oder eben vollen Kohlelagern.

Umtriebig war Aiwanger schon immer. Nur dass all die Spatenstiche, Firmenbesuche oder Festreden wie bei der Jahrestagung des Verbandes für landwirtschaftliche Fachbildung in Schwandorf nicht die mediale Schlagkraft haben wie die Weltpolitik und deren Folgen für den Freistaat. Und dann gibt es da ja noch einen Faktor, der einen Wettkämpfer wie Aiwanger aus der Reserve lockt: Im Herbst 2023 ist Wahl in Bayern. Offiziell sagt es keiner, aber: Der Wahlkampf ist längst eröffnet. Intern bringt sich die CSU in Stellung, um ihren Hauptgegner Aiwanger aus allen Richtungen anzugehen. Zittert er schon?

Die erste Chance, konservativeres Profil zu zeigen, habe die CSU verpasst

Im Gegenteil, heißt es bei den FW. Dass die CSU ihr konservatives Stammpublikum auf dem Land wieder stärker umgarnen möchte, habe Aiwanger registriert, er buhlt ja ums selbe Publikum. Die bisherige Bilanz der CSU habe den FW-Chef aber eher beruhigt als beunruhigt. Etwa die Sache mit der Wehrpflicht, die der neue CSU-Generalsekretär Stephan Mayer direkt abgebügelt hat. Die erste Chance, konservativeres Profil zu zeigen, habe die CSU damit verpasst, hört man bei den FW. Und dass eine konservativere CSU, die das liberale Großstadtpublikum nicht vergraulen möchte, keine Konkurrentin sein könne für die FW, die sich seit jeher als Partei des ländlichen Raums sehen.

CSU-Chef Söder, das ist kein Geheimnis, muss bei der Landtagswahl liefern. Wobei sie in der CSU nicht genau wissen, welches Ergebnis ein Erfolg wäre. Nicht mal 32 Prozent, wie bei der Bundestagswahl, wären in jedem Fall eine Katastrophe. Das war neulich Thema bei einer Grundsatzaussprache in der Landtagsfraktion. Wenig drang nach außen, eines aber doch: Dass Abgeordnete, in deren Stimmkreisen die FW bei der Bundestagswahl überraschend stark waren und das CSU-Ergebnis zusammenschmolz, Strategien von Söder verlangen. Von 50 auf 35 Prozent wie im September - so etwas dürfe nur ein Ausrutscher gewesen sein. Was tun gegen Aiwangers Partei?

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Söders jüngste Kabinettsumbildung sollte da erste Pflöcke einrammen: Der bisherige Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter ist jetzt Bau- und Verkehrsminister, ein kommunalpolitisches Schwergewicht, das nicht nur eine Großbaustelle im Kabinett flottmachen, sondern niederbayerisches Anpackertum nach aiwangerischer Art verströmen soll.

Oder Markus Blume, bisher Generalsekretär, nun Wissenschaftsminister. Er gilt als Fan von Otto Wiesheu, Wirtschaftsministerlegende der CSU. Blume werde in Söders Auftrag die "Grenzen des Ressorts weit auslegen", hört man in der CSU. Er soll Hightech- und Zukunftsthemen besetzen, die Aiwanger vernachlässige, der sich gern als Mann des Mittelstandes, der Gastronomie und der Bauern präsentiert - oder wie die CSU spottet: als Wirtshausminister.

Geht es nach Söder, soll mit Blume ein Neben-Wirtschaftsminister im Haus für Hochschulen und Kunst wachsen, der gnadenlos jede Flanke besetzt, die Aiwanger offen lässt. Es ist die Rede von der "Zange" Bernreiter/Blume, die den FW-Chef zerquetschen soll. Dazu kommt der neue CSU-General Mayer, den Söder so charakterisiert: "ländlicher Raum, konservativ, auch katholisch". Bernreiter, Blume, Mayer: drei Musketiere für Söder. Einer für alle, alle gegen Aiwanger.

Das Risiko für die CSU: Wer seinen Gegner so sehr bekämpft, wertet ihn auf. Was Aiwanger nur recht sein kann. Seine Bilanz als Minister ist ja durchwachsen, seine Hemdsärmeligkeit in der Gas-Krise vernebelt den Blick dafür, dass Bayern in der Energiepolitik recht planlos dasteht. So gesehen war es ein geschickter Zug, dass sich Aiwanger kürzlich mit dem Mann verbrüderte, der gerade mit einem ehrgeizigen Energieplan durchs Land reist: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Nach dessen Besuch in München spielten sich fast rührende Szenen ab. Wenige Stunden war es her, dass Söder von einem "Dissens" mit Habeck gesprochen hatte. Und was tat Aiwanger, als er mit Habeck vor die Kameras trat? Er sprach von einem "Konsens" beim Ausbau der Windenergie. Aiwanger sprach so liebevoll über Habeck, dass man fürchten musste, er könnte das mit körperlichen Zärtlichkeiten untermalen.

Er wolle "keine One-Man-Show"

Einigermaßen harmonisch läuft es für Aiwanger auch mit den eigenen Leuten. Vor wenigen Monaten war das noch anders. Als er zunächst die Corona-Impfung ablehnte und mit kuriosen Argumenten hantierte, hielten ihn manche in der Partei für nicht mehr tragbar. Inzwischen beteuern selbst Parteifreunde, die nicht als Aiwanger-Bewunderer gelten, dass es "keine Nachwehen" gebe. Er sei der Anführer, einziger wahrer Promi, die Partei sei schlicht darauf angewiesen, dass Aiwanger vom Wahlplakat grinst.

Wobei, intern schlummert Widerborstigkeit, das zeigte der FW-Vorschlag zur Bundespräsidentenwahl im Januar. Aiwangers Wunschkandidatin fiel in der Landtagsfraktion durch. Rebellion, riefen manche. Und Aiwanger? Zeigte den Abgeordneten eine lange Nase, stellte eine Freie Wählerin aus Brandenburg auf, die glatt einen Achtungserfolg einfuhr. So benimmt sich einer, der sich seiner Unantastbarkeit bewusst ist. Und das, obwohl die Freien Wähler kaum nach klassischen Hierarchien funktionieren.

Dass etwa FW-Mann Fabian Mehring seinen Chef anzählte, als er sagte, dass es für Aiwanger ohne Impfung schwierig werde, sein "Amt auszuüben", ließ den Angezählten kalt. "Passt schon", sagte der. Überhaupt scheint sich Aiwanger nicht daran zu stören, dass Mehring ihm immer wieder mal die Bühne klaut. Über Aiwanger heißt es, dass er sich sogar wünsche, dass Leute neben ihm glänzen. Er wolle "keine One-Man-Show". Ein Begriff, vermutlich bewusst gewählt. In der CSU, wo Söder recht unbeschränkt herrscht, hatten genau das zuletzt eine Reihe von Mitgliedern gefordert: ein Ende der One-Man-Show.

Noch betonen CSU und FW die gute Zusammenarbeit im Kabinett, aber irgendwann wird "die maximale Harmonie", wie es einer nennt, bröckeln. Schon bald stehen die ersten Bierzeltreden an, nach der langen, pandemiebedingten Volksfestpause. Die CSU, welche die Hoheit über Bierzelte und Stammtische schon immer für sich beansprucht, will über diese Präsenz zulegen in Umfragen; die FW spechten auch auf diese Arenen. Spätestens dann dürfte der Wahlkampf für alle sichtbar werden.

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