Politik in Bayern:Aiwanger attestiert sich eine glänzende Ministerbilanz

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Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger steht wegen seiner Amtsführung auch beim Koalitionspartner CSU in der Kritik. (Foto: Rolf Poss/Imago)

Der Freie-Wähler-Chef weist im Wirtschaftsausschuss des Landtags Vorwürfe zurück, er gehe lieber auf Bauern-Demos, anstatt seine Amtsgeschäfte wahrzunehmen. Grüne und SPD kritisierten die in ihren Augen fehlenden konkreten Pläne des Wirtschaftsministers.

Von Johann Osel, München

Hubert Aiwanger hat im Landtag das Bild einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik in Bayern und einer umtriebigen Ministertätigkeit skizziert - und damit die jüngsten Debatten zurückgewiesen, er lasse seine Amtsgeschäfte durch die exzessive Teilnahme an Bauernprotesten verkümmern. Der Freistaat sei in vielen Bereichen in der Bundesrepublik führend und "bei jedem Themenfeld gut unterwegs", sagte er am Donnerstag im Wirtschaftsausschuss des Landtags, wo er den Abgeordneten einen Bericht zu seiner Tätigkeit gab.

Bayern habe unabhängig vom Bund, der haushaltspolitisch mit dem Rücken an der Wand stehe, bei vielen Förderungen schon früh "seine Schäfchen ins Trockene gebracht" und trotze insgesamt quasi einem wirtschaftsfeindlichem Klima aus Energiepreisen und Steuern. Das zeige allein der Fakt, so der Wirtschaftsminister, dass man neun Milliarden Euro für den Länderfinanzausgleich erwirtschafte. Würde man das Geld behalten, "könnten wir goldene Leitplanken installieren an den Autobahnen".

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Nach der Sitzung sagte Aiwanger auf Fragen der Presse zu seinem Wirken, er habe einen "sehr langen Arbeitstag", man könne aber "nicht an allen Fronten zugleich" sein. Doch es "vergiftet das Klima der Koalition", wenn man sich ständig gegenseitig Vorwürfe mache, "den Minister der anderen anfegt" und stets beobachte, wer wann wo sei. Vielmehr schicke es sich in einem Regierungsbündnis, sich "einen gewissen Handlungsspielraum zu geben".

Die Koalitionspartner CSU und Freie Wähler beharken sich seit Längerem in der Frage, ob der Arbeitsplatz eines Ministers sein Ministerium, das Parlament und der Schreibtisch sind - oder die Bühnen von Protesten im ganzen Land. Zuletzt hatte sich das am Bürgervotum in der Gemeinde Mehring im Landkreis Altötting gegen einen Windpark entzündet, den das bayerische Chemiedreieck rund um Wacker Burghausen dringend benötigt. Dort hatte Aiwanger im Januar einen geplanten Besuch abgesagt und stattdessen gleich mehrere Bauern-Demos an dem Tag besucht. In einem Fernsehauftritt hatte er dann trotzig Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Schuld daran gegeben, dass die Planungen für die Windanlage am Ort durchfielen - sozusagen: nicht meine Baustelle. Er lasse sich zudem "nicht überall hinschicken".

Zuletzt hatten Söders Staatskanzlei und weitere CSU-Politiker wie Generalsekretär Martin Huber den Wirtschaftsminister an seine Ressortaufgaben erinnert. Und schon davor - nach der Kabinettssitzung vor einigen Wochen - hatte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) mitgeteilt, "Demo-Hopping" sei nicht "das Mittel der Wahl" von Abgeordneten und Ministern. Bei derlei Protesten finde schließlich nicht "die eigentliche Arbeit" statt, für die man bezahlt werde. Herrmann wollte den Rüffel damals "allgemein" verstanden wissen, berichtet unmittelbar danach jedoch über einen Auftrag des Kabinetts an Aiwanger, sich um die Schieflage bei der Exportbilanz des Freistaats zu kümmern.

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"Großer Redebedarf" bestehe, befand Stephanie Schuhknecht (Grüne), Chefin des Wirtschaftsausschusses, am Donnerstag, Aiwanger möge bitte mal seine "Agenda für die nächsten Monate und Jahre" darlegen. Im Gremium stellte dann mehr als ein Dutzend Abgeordnete unzählige Detailfragen. Aiwanger wollte bei keinem Thema Nachlässigkeiten einräumen. Bei der Bürokratie mahnte er einen "Ruck" bis in die "letzten Behördenstuben" an. Diese sollten nicht auf jedes Gutachten oder jede Kartierung bestehen, sondern "mal Fünfe gerad sein lassen". Generell müsse "der gesunde Menschenverstand als Gradmesser" dienen. Bei Infrastrukturprojekten und Ansiedlungen warnte er vor einer "Sättigung" in der Öffentlichkeit - oft werde gedacht, dem Land gehe es doch weitgehend gut. Doch "diese Denke ist fatal".

In puncto Windkraft und speziell dem Projekt im Chemiedreieck versprach Aiwanger mehr Ambitionen und Gespräche, inklusive besseren Konditionen für die Beteiligung von Bürgern und Kommunen. Schon am Vortag hatte er dies in einer Plenarsitzung im Landtag angekündigt: "Wir kriegen von den Bürgern keinen Blankoscheck nach dem Motto: Ihr werdet es schon richtig machen." Vielmehr müsse man sich "ganz gezielt mit allen Kritikern und mit allen berechtigten Kritiken auseinandersetzen".

Und was bleibt von Aiwangers Ausschuss-Visite? SPD-Fraktionschef Florian Brunn resümierte, dass der Minister zu konkreten Plänen, allem voran bei erneuerbaren Energien, "eigentlich gar nichts gesagt" hat. Aber auch Äußerungen von CSU-Ausschussmitgliedern zeugten nicht von grenzenloser Begeisterung über Aiwangers Wirken. Walter Nussel legte nahe, dass die FW-geführten Ressorts für Wirtschaft und Umwelt beim Bürokratieabbau nicht an einem Strang zögen. Und Kerstin Schreyer, Vize-Chefin des Ausschusses, forderte klare "Konzepte" für die Kommunikation mit den Bürgern bei Energieprojekten, womöglich auch externe Profis dafür. Wobei Aiwanger konterte, "eingekauften Strategen" fehlt seiner Ansicht nach das "Fingerspitzengefühl", um mit den Menschen in den Regionen zu sprechen. Und man könne nicht "den Leuten etwas ans Bein kommunizieren, was sie selber anders sehen".

Einer schien indes ohne Abstriche glücklich zu sein mit der Performance des Ministers. Der FW-Abgeordnete Rainer Ludwig sprach anstelle einer Frage vom "Respekt" für Aiwangers Leistung, der "mit Kompetenz und Pragmatismus" seinen Weg gehe. Wirtschaft und Landwirtschaft sei dankbar, ihn zu haben.

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