Erneuerbare Energien:Hubert Aiwanger auf später Rettungsmission

Lesezeit: 3 min

Hubert Aiwanger gibt in Pullach den Startschuss für das Programm "Windkümmerer". (Foto: Claus Schunk)

Der bayerische Wirtschaftsminister kündigt an, "möglichst viele" Windräder der im Landkreis Altötting geplanten Anlage retten zu wollen. Die Bürger dort hatten sich gegen den großen Windpark entschieden - was Kritiker auch auf mangelndes Engagement Aiwangers zurückführen.

Von Johann Osel

Nach dem Bürgervotum im Landkreis Altötting gegen einen großen Windpark will sich Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) nun doch stärker in der Sache engagieren. Man müsse die "Bedenken ernst nehmen", andererseits gebe es in der Region des Chemiedreiecks "gigantische Energiebedarfe", sagte er am Dienstag nach einer Sitzung des Kabinetts. Er wollte noch am selben Tag mit Landrat und Bürgermeistern sprechen, er wolle "möglichst viele dieser 40 Windräder retten". Es gehe darum, eine "Kompromisslinie zu finden", es gebe Möglichkeiten, in puncto Bürgerbeteiligung und kommunalem Einfluss bei dem Großprojekt "an Stellschrauben zu drehen" - womöglich könnten so sogar andere Kommunen, die bis dato nicht beteiligt sind, "unter neuen Bedingungen" einsteigen.

In einem Bürgerentscheid hatte die Gemeinde Mehring kürzlich Windkraftanlagen auf ihrem Gebiet abgelehnt. Dort sollten nach bisherigen Plänen etwa zehn von 40 Windrädern gebaut werden. Im Altöttinger und Burghauser Forst soll so insgesamt Bayerns größter Windpark entstehen. Das Bürgervotum hatte zu Verwerfungen innerhalb der Staatsregierung geführt. Dem Wirtschaftsminister war - auch aus der CSU heraus - angekreidet worden, sich nicht genug um das Großprojekt gekümmert zu haben. Die Kritik zielt vor allem darauf, dass Aiwanger einen im Januar geplanten Besuch in Mehring nicht wahrgenommen und stattdessen mehrere Bauern-Demos besucht hatte. Offen ermahnte etwa der Altöttinger Landtagsabgeordnete und CSU-Generalsekretär Martin Huber den Minister, dass Energiepolitik Wirtschaftspolitik sei.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Beim "Sonntags-Stammtisch" im Bayerischen Fernsehen wiederum schob Aiwanger Markus Söder barsch die Schuld zu. Für die Planung des Parks sei "der Herr Ministerpräsident" zuständig gewesen. Und die Menschen seien "eben von dieser Planung nicht überzeugt". Hätte er nicht stärker für das Projekt werben müssen? "Ich lasse mich halt auch nicht überall hinschicken, wo man mich gerne hätte." Am Montag wiederum erinnerte die Staatskanzlei Aiwanger auf BR24-Anfrage an dessen fachliche Zuständigkeit für erneuerbare Energien - diese seien übrigens "im sechsten Jahr in der Verantwortung von Hubert Aiwanger". Bereits im Januar hatte es aus der CSU Rüffel für Aiwangers exzessive Teilnahme an Demos von Bauern und Mittelstand gegeben, demnach zulasten seines eigentlichen Jobs und seiner Präsenz im Wirtschaftsministerium. Von "Demo-Hopping" war da mehrmals abschätzig die Rede.

Jetzt am Dienstag wies Aiwanger "die Argumentation der letzten Tage" zurück, sein Einsatz für die Bauernproteste habe dem Windkraftprojekt geschadet. Er fühle sich "geschmeichelt", ihm hier einen Einfluss zuzuschreiben, den er nicht habe. Im Gegenzug sei es "gut investierte Zeit in die Demokratie unseres Landes", sich bei Bauern und Mittelstand sehen zu lassen. Auf dem Weg zu den Demos und nach Hause ließen sich "andere Themen bedienen", Büroarbeit finde heutzutage auf dem Rücksitz des Autos statt. Der Termin im Landkreis Altötting am Dienstag gehe auf seine Initiative zurück, sagte Aiwanger, als eigenständige Partei ließen sich die Freien Wähler nicht die Arbeitsbeschreibung vom CSU-Generalsekretär "diktieren".

SZ PlusEnergiewende
:Wenn der Wind sich dreht

In Bayern wollten sie lang keine Windräder. Jetzt aber wollen Söder und Aiwanger gleich 40 Stück davon in einen Wald bei Altötting stellen. Blöd nur, dass viele Leute störrisch sind. Über den Hunger nach Energie und das Gift der Verschwörungsideologen.

Von Jan Schmidbauer (Text) und Catherina Hess (Fotos)

Das alles wirkte nicht, als hätten sich die Differenzen gelegt, im Gegenteil. Und auch beim Schwerpunkt der Kabinettssitzung zieht Ungemach zwischen den Regierungspartnern auf. Der Ministerrat stellte erste Weichen, um Söders Ankündigungen in der Regierungserklärung im Dezember zu Hightech und künstlicher Intelligenz umzusetzen. Die im Aufbau befindliche TU Nürnberg soll zur ersten auf KI spezialisierten Universität werden, wie Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) erklärte. Bayern schafft daneben 100 zusätzliche Stellen für KI-Forschung an anderen Standorten, in einem wettbewerblichen Verfahren. Zahlreiche weitere Maßnahmen in dem Bereich werden angegangen, Blume hielt in seinem Statement eine eigene kleine Regierungserklärung. Man dürfe "nie stehen bleiben" in einer Welt, in der es große Rennen gebe um die Zukunftsthemen. Der in München forschende Physik-Nobelpreisträger Ferenc Krausz nahm an der Sitzung teil, er hat laut Blume den Forschungsstandort Bayern gewürdigt, etwa das Zusammenspiel universitärer und außeruniversitärer Einrichtungen.

Die Kultusministerkonferenz weigert sich, Aiwanger in den Senat der Max-Planck-Gesellschaft zu berufen

Die außeruniversitären Player, darunter die Max-Planck-Gesellschaft (MPG), liegen indes in der Zuständigkeit des Wirtschafts-, nicht des Wissenschaftsministeriums. Nach einem Bericht des Münchner Merkurs (Dienstagsausgabe) droht Aiwanger der Rauswurf aus dem Senat der MPG. Grund dafür ist, dass er in den vergangenen fünf Jahren keine einzige Sitzung des wichtigen Gremiums besucht haben soll. Die Kultusministerkonferenz (KMK) weigert sich daher seit Sommer 2023, Aiwanger erneut in den Senat zu berufen. Damit ist der Posten der Ländervertretung und ausgerechnet des Sitzlandes der MPG vakant. Nun steht laut Bericht im Raum, dass Wissenschaftsminister Blume in den Senat einzieht.

Aiwanger bestätigte auf Nachfrage tatsächlich, dass er noch kein einziges Mal bei der MPG im Senat getagt habe, wegen "Terminkollisionen". Auch wenn eine Teilnahme möglichst oft "sinnhaft" sein möge, könne er doch in der Zeit "fünf bis sieben andere Termine zu Hause" absolvieren. Er werde noch mal "mit diesen Leuten" reden, vermute aber, dass das alles auf "rote und grüne Minister" in der KMK zurückzuführen sei. Blume betonte dazu auf Nachfrage, dass die MPG "für uns als Freistaat von außerordentlich großer Bedeutung" sei. Auch im anstehenden Exzellenz-Wettbewerb, in dem Bayern eine dritte Elite-Uni ergattern will. Bei der Frage, ob er Aiwangers Sitz im Senat übernehmen würde, sagte Blume: Er sei ja nicht fachfremd, sondern, "wenn's die Umstände erfordern", stets "pragmatisch".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ Plus"Kein Millimeter nach rechts"
:Das freundliche Gesicht der Freien Wähler

Fraktionschef Florian Streibl ist das Gegenmodell zu Hubert Aiwanger: leise, ausgleichend, über Lager hinweg beliebt. Ist er der Mann, der dem Rechtsrutsch seiner Partei Einhalt gebieten kann - oder doch nur ein Feigenblatt für den Chef? Eine Nahaufnahme.

Von Andreas Glas

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: