Sieben Kurven in der Formel 1:Flammen im Heck, Feuer unterm Dach

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(Foto: Scott Barbour/AFP)

Max Verstappen fällt zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahren aus, Carlos Sainz steigert seinen Marktwert - und der Grand Prix in Melbourne ist vielleicht schon populärer als die Australian Open. Die Geschichten des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Melbourne

Max Verstappen

Zehn Rennen in Serie zu gewinnen, damit hätte Max Verstappen - saisonübergreifend - seinen eigenen Rekord eingestellt. Ein Sieg in Melbourne, und der Hattrick zum Saisonstart wäre perfekt gewesen, die Gegner endgültig demoralisiert. Sogar das Wetter schien auf Verstappen abgestimmt: Wie bei seinem überraschenden Qualifikationserfolg am Samstag wurde es auch zum Rennstart deutlich wärmer, das mögen die Reifen und der Red-Bull-Rennwagen. Dann jedoch wurde es schnell zu heiß, die rechte Hinterradbremse schleifte und explodierte schließlich, nachdem es erst ordentlich geraucht hatte.

Flammen im Heck, das passt zum Feuer unterm Dach beim Weltmeisterrennstall. Der Niederländer hatte im Duell mit Carlos Sainz sofort gespürt, dass da was nicht stimmen konnte: "Ein Gefühl, als ob ich mit angezogener Handbremse gefahren wäre." Sein letzter Ausfall ist zwei Jahre und 43 Rennen her und stammt ebenfalls aus dem Albert Park. Ein Freund von Straßenkursen wird der Champion wohl nie mehr werden. Er trug es für seine Verhältnisse mit Fassung, auch wenn die australischen Medien wenig Trost spendeten: "Eine willkommene Abwechslung für die Formel 1." Plötzlich ist die WM wieder spannend wie lange nicht.

Carlos Sainz jr.

(Foto: Mark Peterson/Reuters)

Der lateinische Begriff Appendix hat sogar das derzeit inflationäre gebrauchte Formel-1-Modewort von der Toleranz übertrumpft. Es ist ja auch etwas ziemlich Ungewöhnliches, eher sogar Unglaubliches, wenn ein Rennfahrer 16 Tage nach einer Blinddarm-Operation einen Grand Prix gewinnen kann. Viele, die topfit sind, macht so ein Straßenrennen schon fix und fertig. Carlos Sainz aber hat sich mit dem Kraftakt von Melbourne gleich mehrfach emanzipiert: Wie schon im vergangnen Jahr in Singapur ist er der erste, der Verstappen den Sieg streitig gemacht hat. Wie zuletzt so oft war er besser als sein Teamkollege Charles Leclerc und läutet damit einen Zweikampf innerhalb der Scuderia ein.

Angesichts der Leistung muss man sich in Maranello fragen, ob man nicht den falschen Fahrer ziehen lässt. Und alle Rennstallbosse müssen den 29-Jährigen jetzt auf der Liste haben, wenn die Cockpits vergeben werden. Die Genugtuung ist beim smooth operator der Formel 1 aus der Stimme herauszuhören: "Ich fahre vor allem Rennen, um mir selbst zu beweisen, dass ich gewinnen kann, wann immer ich ein konkurrenzfähiges Auto bekomme und es eine Gelegenheit gibt. Diese Herangehensweise werde ich den Rest des Jahres beibehalten."

Melbourne

(Foto: Robert Cianflone/Getty Images)

Die einen kommen mit der Tram, die anderen mit dem Heli - schon die Anreise zum Großen Preis von Australien zeigt, dass der Motorsport am anderen Ende der Welt quer durch die Bevölkerung gesellschaftsfähig ist. Donnerstags kommen die Schulklassen, freitags die Modemacher, zum Wochenende die Touristen. Das Erfolgsgeheimnis, das zum neuerlichen Zuschauerrekord (132 106 Fans am Renntag, 452 000 insgesamt) reichte: Die Rennen werden zelebriert wie ein Festival, Sonnenmilch ist für alle gratis. Der Frauenanteil liegt bei 40 Prozent, auch das rekordverdächtig. Und die Hotelzimmer sind besser gebucht als bei Taylor Swift, dem neuerdings weltweiten Maßstab für die Bedeutung einer Veranstaltung. Manche Melburnians glauben, dass der Grand Prix inzwischen populärer ist als die Australian Open. Der Vertrag mit der Formel 1 läuft noch bis 2025, und im kommenden Jahr könnte die Hatz durch den Albert Park wieder der Saisonauftakt sein.

Fernando Alonso

(Foto: Paul Crock/AFP)

In 380 Formel-1-Rennen lässt sich gut die Unschuldsmiene einstudieren, selbst ein bekennendes Alpha-Tier wie Fernando Alonso kommt nicht ohne aus. Das neben dem Ausfall von Max Verstappen spektakulärste Ereignis beim dritten WM-Lauf war der Crash von George Russell bei der Jagd auf Platz sechs und den Aston Martin von Alonso.

Der Brite bretterte erst in die Bande, dann lag das Wrack quer in der Fahrbahnmitte. Der Spanier hatte nach Ansicht der Rennkommissare einen sogenannten Bremstest gemacht, er ist in der Bremszone früher vom Gas als sonst, um dann wieder zu beschleunigen und danach erneut zu verzögern. Verpönt, trotzdem gängig, bei Tempo 250 dennoch höchst gefährlich. Der treue Blick nutzte dem 42-Jährigen daher nix, die Fahrzeugdaten überführten ihn: Er hatte urplötzlich 100 Meter früher als bei seinen anderen Runden das Tempo reduziert, eine klare Verteidigungstaktik. "Ein unberechenbares Manöver", klagte Russell - und die Schnellrichter verhängten 20 Strafsekunden, womit Alonso nur noch Achter war.

Nico Hülkenberg

(Foto: William West/AFP)

Ohne Günther Steiner, der seine Sprüche jetzt bei Galaabenden oder RTL klopfen darf, kommt der Haas-Rennstall offenbar doch ganz gut zurecht. Die Chance auf Punkte ist immer dann da, wenn die Top-Teams etwas liegen lassen. Aber dann muss ein Hinterbänkler eben auch zur Stelle sein. Dazu gehört etwas Glück, wie bei Nico Hülkenbergs schnellem Stopp während der virtuellen Neutralisierung des Rennens, aber auch eine ordentliche Fahrzeugabstimmung. Hülkenberg lieferte, wurde von Startplatz 16 aus Neunter, Kollege Kevin Magnussen kam als Zehnter ins Ziel. Für den Thailänder Alex Albon auf Platz elf, der sich über die Zweikampfhärte beschwerte ("Das ist soooo gefährlich"), hatte Hülkenberg nur Hohn übrig: "Sorry, unser Sport ist nun mal gefährlich. Ich habe das gar nicht mitbekommen, denn ich gucke nur nach vorne."

Mercedes

(Foto: Asanka Brendon Ratnayake/dpa)

Alle Schlechte hat etwas Gutes: Nur 15 Runden lang musste sich Lewis Hamilton, der es in der Qualifikation nicht in die Top Ten geschafft hatte, mit dem Silberpfeil quälen. Dann tat es einen Schlag, und der Motor war hin. "Das ist der schlechteste Start in eine Formel-1-Saison, den ich jemals hatte", klagt der Rekordweltmeister, und dürfte sich in seinem Wechsel 2025 zu Ferrari bestätigt sehen. Im dritten Anlauf schafft es das britisch-deutsche Werksteam nicht, ihm einen konstant leistungsfähigen Dienstwagen für die anvisierte Revanche gegen Max Verstappen hinzustellen. Dass Kollege George Russell kurz vor Schluss verunfallte, verstärkt die Pleite der Silberpfeile.

Teamchef Toto Wolff gab zu: "Das war ziemlich brutal. Wir durchleben gerade ziemlich harte Zeiten." Um sich dann selbst zu steigern: "Die Zeiten sind superhart." Dass der Kundenrennstall von McLaren die neue dritte Kraft ist, tut besonders weh, gibt dem Österreicher aber auch leise Hoffnung: "Wenn man die richtigen Dinge tut, lässt sich das Ganze schnell drehen." Bislang aber drehen sich die Techniker nur im Kreis.

Oscar Piastri

(Foto: Robert Cianflone/Getty Images)

Der Fluch, der über den australischen Grand-Prix-Piloten zu liegen scheint, wenn es um ihr Heimrennen geht, ist wieder nicht gebrochen worden: Noch hat es kein Aussie aufs Podium geschafft. Oscar Piastri, der in Melbourne zum zweiten Mal in Serie Vierter geworden war, schien ziemlich nah dran. Dann aber doch wieder weit entfernt. Denn auf Geheiß der McLaren-Bosse musste er seinen schnelleren Teamkollegen Lando Norris in etwa zur Rennmitte kampflos vorbeilassen. Der 22-Jährige will sich erst gar nicht dem Frust hingeben: "Das war komplett fair."

Weit schlimmer erwischte es seinen Landsmann Daniel Ricciardo, der im Racing-Bulls-Rennwagen als Zwölfter zum dritten Mal hintereinander punktlos blieb. Angeblich glauben sie auch im Team nicht mehr an ein Comeback des 34 Jahre alten Dauerlächlers - wenn es bis zum Großen Preis von Miami im Mai nicht besser läuft, droht ihm die Auswechslung.

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