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Stafflerhaisl in Großberghofen: Denkmalschutz in Perfektion
Stafflerhaisl in Großberghofen: Denkmalschutz in Perfektion

SO FEIN HERAUSGEPUTZT IST DAS STAFFLERHAISL HEUTE. DOCH BIS DAHIN WAR ES EIN LANGER UND MÜHSAMER WEG, WIE DIE URSPRÜNGLICHE ANSICHT (UNTEN) ZEIGT. FOTO: FRIEDRICH; PRIVAT

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Stafflerhaisl in Großberghofen: Denkmalschutz in Perfektion

Lorenz Reischl beweist, dass man mit Leidenschaft alte Gebäude wieder zum Leben erwecken kann. Das Stafflerhaisl ist von der Ruine zum Leuchtturmprojekt geworden und ist nun als Wohnhaus vermietet.

FOTO: FRIEDRICH; PRIVAT
FOTO: FRIEDRICH; PRIVAT

„Ein echtes Hexenhäuschen“, „ein Schmuckstück“ oder „Ist das neu?“. Das waren nur einige der überraschten Kommentare zum Stafflerhaisl in Großberghofen, kaum dass der Bauzaun gefallen war. Fast drei Jahre lang hatte der junge Unternehmer Lorenz Reischl gegen alle möglichen Unwägbarkeiten von der Statik bis zum Holzwurm – gekämpft. Nun führt er durchs Haus und ist echt glücklich „und auch ein wenig stolz“, wie er sagt. Dazu hat er allen Grund. Denn das ehemalige Austragshäusl ist – auch wenn es nur 75 Quadratmeter Wohnfläche hat – ein Leuchtturmprojekt der gelebten Denkmalpflege im 21. Jahrhundert. Und ein weiteres Beispiel dafür, was die Leidenschaft für alte Bauten alles ermöglichen kann. Es sind Dutzende Details, die den Charme dieses Gebäudes ausmachen: drei blitzblanke Räume im Erdgeschoss mit alten Holzdielen und einem Ofen, ein wunderbar restaurierter Fliesenboden im Flur, Schalter und Steckdosen in schwarzem Bakelit, wiederhergestellte oder detailgetreu nachgebaute Türen, Doppelfenster mit Spezialglas, mühselig zusammengesucht auf Flohmärkten und im Internet, die Küche genau dort, wo einst die einzige Wasserstelle im Haus war, ein unglaubliches Bad und und und.

Jahrelang war das Stafflerhaisl – der sonst so konziliante Bauherr Lorenz Reischl besteht auf dieser Schreibweise – ein echter Schandfleck: Von allen Seiten zugewuchert, das Dach eingefallen, die Fensterscheiben kaputt, die Fensterläden schief in den Angeln hängend, der Putz abgeborsten. Ein klarer Fall für die Abrissbirne, dachte man im Vorbeifahren und bedauerte ein wenig, dass wohl demnächst wieder ein Stück alter Baukultur verschwinden und ein gesichtsloser Neubau entstehen würde. Doch das Häuschen hatte Glück. Reischl verliebte sich in den Bau, es habe ihm wehgetan, ein denkmalgeschütztes altes Bauernhaus so verfallen zu sehen, erzählte er bei einem Treffen während der Restaurierungsphase. Er kaufte es 2020 – und machte sich auf Spurensuche in die Vergangenheit, wühlte in Archiven und Chroniken. Schließlich fand er heraus, dass der Grund ursprünglich der Kleinberghofener Familie Rothenfußer gehört hatte. Sie verkaufte das Grundstück an einen Augustin Burgmayr, der dort 1843 ein Austragshäusl nebst einem Stadl baute. Bis in die Siebzigerjahre war das Haus bewohnt, der Stadl wurde um 2000 abgerissen. Soweit wie möglich hat Reischl die Geschichte des Hauses rekonstruiert, da er trotz intensiver Recherche kaum explizite Nachweise gefunden hatte. Der wichtigste Beleg – und über Jahre quasi seine ständige Begleiterin – ist die im Original erhaltene Haustafel mit der Madonna von Taxa im Sternenkranz. Die wundertätige Madonna im Kloster Taxa war im 17. und 18. Jahrhundert ein beliebtes Wallfahrtsziel. Nun thront ihr Abbild wieder an seinem angestammten Platz an der Hausfassade. Und Reischl schaut fast liebevoll zu ihr auf. Womöglich geht ihm gerade durch den Kopf, wie seine Freunde und Bekannten seinerzeit mit Kopfschütteln auf die Kaufpläne reagiert und zum Abriss geraten hatten. Heute, so lässt sich vermuten, würden sie wohl gerne selbst einziehen.

Für Reischl begann mit dem Kauf eine wahre Sisyphosarbeit. Drei Statiker ließ er kommen, um Klarheit über die Standfestigkeit zu gewinnen. Er beriet sich laufend mit dem Denkmalschutz und erwog sogar, das Häusl ins Freilichtmuseum Glentleiten versetzen zu lassen. Was aber nicht realisierbar war. Nachdem die Statikfrage geklärt und die Corona-Zwangspause endlich vorbei war, gab es „jeden Tag eine neue Überraschung“. Feuchtigkeits- und Salzprobleme im Mauerwerk mussten gelöst werden. Für Reischl war es „fast ein Glücksfall, dass die Fenster kaputt waren und immer Zugluft herrschte, sonst hätten wir auch noch Schimmel an den Wänden gehabt“. Die wohl böseste Überraschung gab es in Sachen Fundament. Es bestand lediglich aus ein paar Ziegelreihen und stand „völlig im Dreck“, was die Bauarbeiter nicht wirklich liebten. Mussten sie doch mit Schaufel und Schubkarre den ganzen Modder entfernen und händisch den Beton zur Stabilisierung einfüllen.

Auch der Dachstuhl von 1843 war durch den jahrzehntelangen Verfall schwer in Mitleidenschaft gezogen. Doch „wir haben immer für alles gemeinsam eine Lösung gefunden“, sagt Reischl. Weil er das alte Gebälk unbedingt retten wollte, ließ er es gegen Ungeziefer behandeln und die morschen oder unbrauchbaren Teile so ersetzen, dass sich Alt und Neu deutlich voneinander abheben. Darüber gibt es nun eine biologische Dämmung und ein zweites Dachgestühl, das aber weder von außen noch von innen zu sehen ist. Nun ist das Dachgeschoss, jahrelang nur über eine Leiter zu erreichen und jetzt mittels einer schmalen Treppe (selbstverständlich aus Originalmaterialien), der schönste Raum im Haus. Selbst die ehemaligen Einfluglöcher für die Tauben sind sichtbar erhalten. Und eine ausgeklügelte Lichtkonstruktion schaltet das Kopfkino an. Was könnte man aus diesem Zimmerermeisterwerk alles machen? Sicher kein Yogastudio, wie eine Besucherin beim Tag des offenen Denkmals vorgeschlagen hatte. Was zur Frage nach der künftigen Nutzung führt. Die habe die gesamten Arbeiten stark beeinflusst, sagt Reischl. „Café, Manufaktur, Treffpunkt oder Wohnen: Ich war völlig offen“, sagt er – und freut sich, dass er das Stafflerhaisl nun als Wohngebäude an jemanden vermietet hat, „der das alles zu schätzen weiß“. Und der die verwegene Bad- und Kellerzugang-Lösung als individuellen Charakterzug des Hauses sieht. Was so besonders an diesem Bad ist? Es ist winzig und wirkt doch groß dank einer geschickten Planung. Will man aber in den schönen Gewölbekeller hinabsteigen, so muss man im Mini-Badezimmer zunächst die restaurierten Kellerfalltüren öffnen, um überhaupt einen Zugang zu bekommen. „Früher gab es weder Bad noch Toilette im Haus. Ich wollte keinen der drei Räume als Bad umbauen. Deshalb habe ich das Bad in die Ecke neben dem Kellerzugang bauen lassen“, sagt Reischl. Recht hat er. Was soll eine der angesagten riesigen Wellnessoasen im Stafflerhaisl? Die ausgeklügelte Konstruktion erfüllt ihren Zweck und hat sogar eine echt elegante Anmutung. Auch den Augen des Hauses, den Fenstern, hat sich Reischl intensiv gewidmet. Die Außenfenster sind – bis auf zwei Ausnahmen – Originale und vom Schreiner restauriert. Die Innenfenster sind Nachbauten, die Fenster haben ein Spezialglas, das eigens für denkmalgeschützte Objekte entwickelt wurde. Wie detailgetreu Reischl das Stafflerhaisl restauriert hat, zeigt sich auch an der Eingangstür: Eine alte Postkarte bildete die Vorlage für den Nachbau. Heizkörper sucht man übrigens vergebens. „Die gab es damals ja noch nicht“, sagt der leidenschaftliche Restaurator. Deshalb hat er Fußbodenheizung einbauen lassen – und ist wieder einmal hochzufrieden, dass es inzwischen den Originalen nachempfundene Bakelitschalter gibt, mit denen auch die Heizung reguliert werden kann. Irgendwann möchte man nun aber doch wissen, wie teuer all diese riesengroßen und ganz kleinen Maßnahmen zum Erhalt eines Denkmals waren. Reischl lächelt und sagt: „Darüber möchte ich nicht sprechen...“

DOROTHEA FRIEDRICH

Er­schie­nen im Ta­ges­spie­gel am 06.04.2024

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