Parkinson-Syndrome: Schwerpunkt - Diagnostik und Früherkennung

Parkinson ist eine tückische Krankheit, ihre Auslöser sind vielfältig, ihr Verlauf ist kaum vorhersehbar. Die neuen Leitlinien empfehlen eine umfangreiche Differenzialdiagnostik, um die Erkrankung frühest möglich zu erkennen sowie eine frühzeitige, altersgerechte und individuelle Therapie. Fotos: Adobe Stock, privat

Weltparkinsontag

Parkinson-Syndrome: Schwerpunkt - Diagnostik und Früherkennung

Neue Leitlinien für Parkinson-Syndrome: Experten geben Einblicke in Diagnostik und Therapie - Interview mit Professor Günther Höglinger.

Die Parkinson-Syndrome sind nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste Gruppe degenerativer Erkrankungen des Nervensystems: Allein in Deutschland sind etwa 500.000 Menschen betroffen, Männer etwas häufiger als Frauen. Experten schließen eine höhere Dunkelziffer jedoch nicht aus, denn die Symptome beginnen schleichend und schreiten nur langsam fort. So können einige Jahre und sogar Jahrzehnte nach Erkrankungsbeginn vergehen, bis erste Beschwerden auftreten und erkannt werden.

Bei etwa 80 Prozent der Personen mit einem Parkinson-Syndrom liegt eine Parkinson-Krankheit vor. Die übrigen 20 Prozent setzen sich zusammen aus seltenen, genetisch-bedingten Parkinson-Syndromen, sekundären Parkinson-Syndromen, die zum Beispiel durch Medikamente, Toxine, kleinere Schlaganfälle oder weitere seltenere Erkrankungen ausgelöst werden, oder aus „atypischen Parkinson-Syndromen“, die durch andere neurodegenerative Erkrankungen verursacht werden. Unter Mitwirkung von insgesamt 19 Fachgesellschaften, Berufsverbänden und Organisationen hat die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) nun eine neue, vollständig überarbeitete S2k-Leitlinie für die Diagnostik und Therapie der Parkinson-Krankheit herausgegeben - mit einigen überraschenden Neuerungen, wie Professor Günther Höglinger erklärt. Gemeinsam mit Professorin Claudia Trenkwalder von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e. V. war der Klinikdirektor der Neurologischen Klinik und Poliklinik sowie des Friedrich-Baur-Instituts am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München federführend und für die Leitlinienkoordination zuständig.

Herr Professor Höglinger, gleich zu Beginn der neuen Leitlinie wird empfohlen, künftig von „Parkinson-Krankheit“ zu sprechen. Warum?

Professor Günther Höglinger
Professor Günther Höglinger

Professor Günther Höglinger: Bislang wurden die Begriffe Parkinson-Krankheit“ und „idiopathisches Parkinson-Syndrom“ meist als Synonym verwendet. Der Begriff „Parkinson-Krankheit“ ist allgemeiner und passt deshalb einfach besser. Denn in denen letzten Jahren wurde immer klarer, dass eine nicht zu vernachlässigende Zahl von Fällen eben nicht idiopathisch, also ohne erkennbare Ursache, auftritt, sondern zum Beispiel durch genetische Mutationen oder durch Umweltfaktoren wie Pestizide entsteht und damit sehr wohl auf einer konkreten, erkennbaren Ursache beruht.

Schlagen die Leitlinien auch Veränderungen in Bezug auf die Parkinson-Diagnostik vor?

Ja, Diagnose und Früherkennung sind sogar ein Schwerpunkt der neuen Leitlinie. Dazu gehört zum Beispiel, fortan die Diagnosekriterien der Internationalen Parkinson and Movement Disorder Society (MDS) von 2015 zur Diagnose der Parkinson-Krankheit heranzuziehen, anstelle der hierzulande immer noch oft verwendeten „UK Brain Bank“-Kriterien. Zudem wird empfohlen, nicht-motorische Frühsymptome wie eine Riechstörung oder REM-Schlafverhaltensstörung mithilfe von gezielten Untersuchungen in die Parkinson-Diagnostik mit einzubeziehen und die Befunde zur Prognoseabschätzung heranzuziehen. Darüber hinaus unterstreicht die Leitlinie den hohen Stellenwert einer kranialen Magnetresonanztomografie (CMRT) insbesondere zur Differenzialdiagnostik, die deshalb möglichst frühzeitig im Krankheitsverlauf erfolgen sollte. Weitere verfügbare Methoden zur Differenzialdiagnostik sind - je nach Fragestellung - die transkranielle Hirnparenchymsonografie, eine FDG-PET sowie eine Dopamin-Transporter-SPECT (DAT-SPECT). Biomarker wie die Neurofilamente sind dagegen nicht spezifisch genug und deshalb derzeit nicht zur Diagnosesicherung geeignet. Eine genetische Untersuchung sollte nur dann in Betracht gezogen werden, wenn die Parkinson-Krankheit vor dem 50. Lebensjahr manifest geworden ist oder wenn mehrere Personen in der Familie von der Parkinson-Krankheit betroffen sind.

Welche Frühsymptome sind bekannt?

Frühsymptome, sogenannte Parkinson-Prodromi, können den motorischen Kardinalsymptomen der Parkinson-Krankheit bis zu zwanzig Jahre vorausgehen. Dazu gehören zum Beispiel ein eingeschränkter Riechsinn oder eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung. Hierbei leben Betroffene ihre Trauminhalte motorisch aus, indem sie sich im Schlaf heftig bewegen oder schreien. Ebenso können relativ unspezifische Symptome wie eine chronische Verstopfung oder eine neu aufgetretene depressive Stimmungslage erste Hinweise sein. In der Zusammenschau können diese nicht-motorischen Symptome helfen, die Parkinson-Krankheit schon in der prodromalen Frühphase zu erkennen, noch bevor die typischen motorischen Symptome auftreten.

Wie wird die Parkinson-Krankheit behandelt?

Hauptpfeiler der Behandlung ist die Dopamin-Ersatztherapie, die darauf abzielt, den Mangel an Dopamin im Gehirn auszugleichen und so die motorischen Symptome der Parkinson-Krankheit zu lindern. Neben der Dopamin-Vorstufe L-Dopa, die im Gehirn zu Dopamin umgewandelt wird, gibt es auch sogenannte Dopamin-Agonisten, die direkt die Dopamin-Rezeptoren aktivieren. Hinzu kommen Medikamente, die den Abbau von Dopamin hemmen. Auch die Darreichungsformen sind inzwischen breit gefächert. So gibt es nicht mehr nur die klassischen Tabletten, sondern auch Medikamenten-Pflaster, -Spritzen, -Sprays und -Pumpen. Neu ist die Empfehlung der Leitlinie speziell zur Pumpentherapie. Generell betont die Leitlinie die Bedeutung einer frühzeitigen, altersgerechten und individuellen Therapie.

Welche weiteren Therapieansätze gibt es?

Eine gut etablierte Therapie in fortgeschritteneren Krankheitsphasen ist die Tiefe Hirnstimulation, die eine Art „Herzschrittmacher“ für das Gehirn darstellt. Daneben gibt es auch sogenannte läsionelle Verfahren, zum Beispiel Gamma-Knife oder fokussierter Ultraschall, bei denen bestimmte Gehirnareale gezielt verödet werden können, ohne dass dazu ein operativer Eingriff nötig ist. Diese Verfahren werden jedoch bislang nur bei einer sehr kleinen Gruppe von Patienten eingesetzt, vor allem, wenn einseitiges Zittern im Vordergrund steht. Neue Therapieansätze, welche die Verzögerung des Fortschreitens der Krankheit zum Ziel haben, befinden sich aktuell in Entwicklung.

Interview: Nicole Schaenzler

Er­schie­nen im Ta­ges­spie­gel am 11.04.2024