Wirtschaft in der Krise:Ökonomen fordern niedrigere Unternehmensteuern

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Mit zehn Milliarden Euro will die Bundesregierung den Chip-Hersteller Intel subventionieren, der am Rande von Magdeburg ein Werk baut. Ökonomen halten niedrigere Unternehmensteuern für sinnvoller. (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/picture alliance/dpa)

Die Idee der Ampelspitzen, die Steuern für Firmen zu senken, wird von Fachleuten gelobt - sie sehen allerdings auch Probleme - und bezweifeln, dass die Koalition die Kraft für eine große Reform hat.

Von Bastian Brinkmann, München

Die Idee trifft auf viel Zustimmung: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben niedrigere Steuern für Unternehmen zur Diskussion gestellt. "Die Wirtschaft über Steuersenkungen anzukurbeln, wäre sinnvoll", sagt Veronika Grimm aus dem Sachverständigenrat, dessen Mitglieder bekannt sind als "die Wirtschaftsweisen".

Die ökonomische Logik einer Unternehmensteuerreform: Den Firmen bleibt mehr von ihren Gewinnen, das Geld stecken sie in neue Fabriken, Innovationen, klimaneutrale Technik. Diese Investitionen steigern dann das Wirtschaftswachstum, und es entstehen neue Arbeitsplätze.

Ökonomen bevorzugen Steuersenkungen für die Konjunktur, weil der Wettbewerb dann regelt, welche Unternehmen davon am meisten profitieren. "Steuersenkungen sind deutlich besser als Subventionen", sagt Ökonomin Grimm. "Niedrigere Steuern helfen allen, keiner bleibt im Regen stehen. Subventionen helfen nur denen, die der Staat als Gewinner ausgewählt hat."

Firmen zahlen in Deutschland in der Regel rund 30 Prozent Steuern auf ihre Gewinne. Im Vergleich mit ähnlichen Ländern liegt die Bundesrepublik damit recht weit vorne. Diskutiert wird nun, diesen Steuersatz für Unternehmen zu senken. "Das wäre wichtig als starkes Signal", sagt Dominika Langenmayr von der Universität Eichstätt-Ingolstadt. Der Steuersatz habe eine große Bedeutung für internationale Unternehmen, die sich entscheiden, in welchem Land sie investieren, sagt Langenmayr, die auch Mitglied im unabhängigen Wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums ist. Auch Konzernchefs kennen die Grafiken mit den Steuersätzen.

Was eine solche Reform kosten würde, lässt sich grob schätzen. Dazu hilft ein Blick auf die Körperschaftsteuer. Sie liegt bei 15 Prozent und macht somit die Hälfte der insgesamt rund 30 Prozent Steuern auf Unternehmensgewinne aus; die andere Hälfte ist die Gewerbesteuer, die in verschiedenen Gemeinden unterschiedlich hoch ist. Möglich wäre als Reform, die Körperschaftsteuer von 15 auf zehn Prozent zu senken, um die gesamten Steuern für Unternehmen von 30 auf 25 Prozent fallen zu lassen. Die Körperschaftsteuer hat dem Staat laut Statistischem Bundesamt zuletzt rund 40 Milliarden Euro pro Jahr eingebracht. Streicht man ein Drittel dieser Einnahmen, würden dem Staat rund 13 Milliarden Euro fehlen - das wären die direkten Kosten. Manche Unternehmen würden allerdings aufgrund ihrer Rechtsform von dieser Reform nicht profitieren.

Umstritten ist, wie eine solche Steuersenkung finanziert werden könnte. Es gibt volkswirtschaftlich vier Möglichkeiten, die Kosten auszugleichen. Erstens könnten andere Steuern in gleichem Umfang erhöht werden. Zweitens könnten die Reformkosten per Kredit ausgeglichen werden, also über neue Staatsschulden. Drittens könnten Steuersenkungen die Konjunktur verbessern, also die Wirtschaft so wachsen lassen, dass zusätzliche Steuereinnahmen entstehen. Viertens können bisherige Ausgaben gestrichen werden.

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Eine Reform, die stimmig ist, lasse sich nicht aus dem Ärmel schütteln, sagt Veronika Grimm

Steuererhöhungen sind unbeliebt, selbst SPD-Wähler bevorzugen laut Forschungsgruppe Wahlen überwiegend andere Optionen. Habeck hat seinen Vorschlag in Zusammenhang mit neuen Schulden gemacht, er plädiert für ein weiteres sogenanntes Sondervermögen. "Das ist keine gute Idee", sagt Veronika Grimm. Deutschland müsse aufpassen, sich bei den Staatsschulden nicht zu übernehmen - damit künftige Generationen noch Spielraum haben, auf Krisen zu reagieren. Dass Habeck nun eine Unternehmensteuerreform anbiete, ziele vermutlich darauf ab, die FDP und die Union für zusätzliche Schulden zu gewinnen, sagt sie: "Das könnte ein Feigenblatt sein."

Die Hürden für zusätzliche Staatsschulden sind seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hoch. Ohne Kredit bleibt zur Finanzierung eine Mischung aus Optionen drei und vier: höheres Wachstum und andere Staatsausgaben zu kürzen. "Dass sich eine Senkung um fünf Prozentpunkte komplett selbst finanziert, ist unrealistisch", sagt Forscherin Langenmayr. "Aber gerade höhere Investitionen lösen substanzielle Zusatzeinnahmen aus."

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Ein bisschen was bleibt durch eine Unternehmensteuerreform also automatisch beim Staat wieder hängen. Übrig bleiben könnte ein einstelliger Milliardenbetrag, der anderswo eingespart werden müsste. Das entspricht weniger als einem Prozent aller Staatseinnahmen. Das ist je nach Perspektive nicht viel - oder eben viel zu viel für eine Koalition, deren Sparpaket in ähnlicher Größenordnung nach dem Karlsruher Urteil gerade erst viel Ärger und Protest ausgelöst hat.

"Eine große Steuerreform, die stimmig ist, kann man eh nicht aus dem Ärmel schütteln", gibt Veronika Grimm noch zu bedenken. "Das braucht langen Atem. Dass die Ampel dazu aktuell die Kraft hat, kann bezweifelt werden."

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