Petersberger Dialog:Das Klima ist in der Krise, die Klimapolitik auch

Lesezeit: 3 min

Ilham Alijew, Bundeskanzler Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock auf der Petersburger Klimakonferenz in Berlin. (Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP)

In Berlin treffen Minister aus 40 Staaten zusammen, um den nächsten Gipfel vorzubereiten. Doch die Zahlen sind schlecht und Experten zunehmend frustriert. Auch in Deutschland passiere viel zu wenig - mit einer Ausnahme.

Von Michael Bauchmüller

Ilham Alijew ist wenigstens ehrlich. "Es ist ja nicht unsere Schuld, dass wir Öl- und Gasvorkommen haben", sagt er. "Es ist ein Geschenk Gottes." Entscheidend sei doch, wie ein Land sie nutze. Alijew ist der Präsident von Aserbaidschan, und Aserbaidschan ist der Gastgeber des nächsten Klimagipfels, der COP 29 im November in Baku. Und deshalb ist der Präsident an diesem Freitag in Berlin, beim Petersberger Klimadialog.

Seit 2010 trommelt die Bundesregierung für dieses Treffen einmal im Jahr Ministerinnen und Minister aus aller Welt zusammen. In kleiner Runde sollen sie ausloten, was in der Klimapolitik besser laufen könnte. Und das ist, wie sich in den zwei Tagen in Berlin zeigt, eine Menge. Nicht nur das Klima steckt in der Krise. Die Klimapolitik tut es auch. Und das nur wenige Monate nach dem Erfolg des Gipfels in Dubai - bei dem sich doch die Staaten vorgenommen hatten, fossilen Energien den Rücken zu kehren und noch bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energien zu verdreifachen.

Warum das so schwer ist, dafür ist Aserbaidschan ein gutes Beispiel. Denn das Land fährt seine Erdgasproduktion nicht runter, sondern rauf - auf Bitten der Europäer. Man investiere der EU zuliebe in weitere Förderung, verkündet Alijew der staunenden Klima-Community in Berlin. Das Gas vom Kaspischen Meer soll jenes aus Sibirien ersetzen. "In dieser geopolitischen Lage ist das ein Zeichen der Verantwortung." Parallel investiere das Land auch in erneuerbare Energien, um weniger Gas in Kraftwerken zu verbrennen, wirbt Alijew: Damit bleibe mehr übrig für die Europäer. Er sagt aber auch: "Wir verteidigen unser Recht, weiter fossile Brennstoffe zu fördern und darin zu investieren." Nur: So wird das nichts mit den Abmachungen aus Dubai.

Selbst die größten Optimisten im Kreis der Klimaexperten tun sich dieser Tage schwer, Zuversicht zu schöpfen. "Ich werde immer frustrierter", sagt Niklas Höhne, dessen New Climate Institut die Fortschritte in der Klimapolitik regelmäßig in Zahlen fasst. "Seit drei Jahren warnen wir, dass die nationalen Ziele für 2030 nicht ausreichen", sagt er. "Dass wir die Emissionen halbieren müssen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Aber nichts passiert." Allenfalls der Boom bei Solarenergie und Elektromobilität mache derzeit Hoffnung.

Deutschland schwäche das Klimaschutzgesetz ab, das sei ein Rückschritt

Dabei hatten sich die Staaten doch fest vorgenommen, die Erderwärmung möglichst bei 1,5 Grad Celsius zu stabilisieren, verglichen mit den globalen Temperaturen vor Beginn der Industrialisierung. Jedes Land sollte dafür Pläne aufstellen und diese regelmäßig verschärfen, bis das Ziel erreicht ist. "Die Wahrheit ist: Kein einziges großes Land hat bisher überhaupt in Erwägung gezogen, seine Ziele für 2030 zu verschärfen", sagt Höhne. Stattdessen werde in Deutschland ein gutes Klimaschutzgesetz abgeschwächt. Eine Katastrophe sei das, sagt Höhne. "Ein echter Rückschritt."

Gleich nach Alijew - und nur drei Stunden, ehe der Bundestag ebendiese Änderung des Klimagesetzes mit den Stimmen der Ampelkoalition beschließt - spricht auch Kanzler Olaf Scholz beim Petersberger Dialog. Scholz nennt ihn "Petersburger" Klimadialog, aber das kommt schon mal vor. Das deutsche Klimaschutzgesetz erwähnt er mit keinem Wort, lieber möchte er über "das große Ganze" reden: "Wir müssen schneller werden, wir müssen besser werden - aber die Richtung stimmt", sagt der Kanzler, ehe er vor allem Erfolge daheim hervorstreicht. Beim Umbau der Industrie etwa oder beim Ausbau der erneuerbaren Energien.

SZ PlusKlimaziele
:Wie sich die Emissionen im Verkehr sehr wohl senken lassen

Deutschland kann seine Klimaziele im Verkehrssektor gar nicht erreichen? Und wenn dann nur mit Fahrverboten? Von wegen. Welche Maßnahmen es gibt und was die bringen würden.

Von Thomas Hummel und Vivien Timmler, Berlin

Bei Letzterem liegt Deutschland tatsächlich vorn - auch im Kreis des Industriestaaten-Klubs G7, dessen Klima-, Umwelt- und Energieminister an diesem Wochenende in Turin zusammentreffen. Doch von den Zielen aus Dubai sind auch die reichen sieben weit entfernt: Nach Daten des britischen Thinktanks Ember werden sich ihre Ökostromkapazitäten bis 2030 nicht verdreifachen, sondern allenfalls verdoppeln. Vor allem die Länder Kanada, Japan oder Frankreich hinken hinterher.

In Baku aber, im November, werden andere Dinge im Vordergrund stehen. Etwa milliardenschwere Transfers, mit denen arme Länder in der Klimakrise unterstützt werden sollen. Neue, höhere Ziele sollen die Staaten hier festlegen. Bei dem Thema wird auch der Kanzler für seine Verhältnisse deutlich: Aufstrebende Länder, die "signifikant" zu den Emissionen beitrügen, müssten auch Gelder bereitstellen. Gemeint ist wohl China, das sich selbst immer noch als Entwicklungsland sieht.

Aber auch diese Frage bleibt schwierig. "Die alten Gräben bestehen fort", sagt Sabine Minninger, Klimaexpertin von "Brot für die Welt" und als Beobachterin beim Klimadialog dabei. Es fehle jede gemeinsame Vision. "Da bleibt bis Baku noch jede Menge zu tun", sagt sie.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Klimakrise
:Der SZ-Klimamonitor

Wie wir Menschen die Erde zerstören - und wie wir sie noch retten können. Die wichtigsten Daten und Hintergründe zur größten Krise der Welt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: