Bundesregierung:Ampel ringt um Kindergrundsicherung

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Bis zu 5,6 Millionen Kinder könnten Anspruch auf die Kindergrundsicherung haben, hier ein Bild von der Ausgabestelle der Leipziger Tafel. (Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa)

Bei einem Spitzengespräch sucht Bundeskanzler Olaf Scholz eine Lösung im Streit um die Hilfen für armutsgefährdete Familien. Die FDP hat weiterhin grundsätzliche Bedenken.

Von Markus Balser, Daniel Brössler und Henrike Roßbach, Berlin

Im Streit über die Kindergrundsicherung und angesichts der neuerlichen Koalitionskrise ist die Bundesregierung offenbar um Schadensbegrenzung bemüht. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung haben sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Montag zu einem Spitzengespräch getroffen, um Lösungsmöglichkeiten auszuloten. "Wir sind auf einem sehr guten Weg", hieß es anschließend aus Regierungskreisen. Die Hoffnung sei, noch vor der Kabinettsklausur in Meseberg am 30. und 31. August zu einer Einigung zu kommen. Zu hören war, dass die Gespräche am Mittwoch fortgesetzt werden sollen.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist, dass Paus vergangene Woche den Kabinettsbeschluss zu Lindners "Wachstumschancengesetz" verhindert hat, um auf diese Weise Zugeständnisse für die Kindergrundsicherung zu erreichen. Am Wochenende hatte Scholz dann sein Kabinett dazu angehalten, Konflikte nicht immer öffentlich auszutragen, sondern "erst dann zu reden, wenn die Verständigungen gelungen sind".

Der Streit zwischen Lindner und Paus dreht sich darum, dass der Finanzminister für die Kindergrundsicherung bislang nur zwei Milliarden Euro jährlich in die Finanzplanung hat schreiben lassen. Paus Entwurf dagegen soll dem Vernehmen nach anfänglich Ausgaben von zwei bis 3,5 Milliarden Euro vorsehen. Auf Seiten der Liberalen gibt es aber auch inhaltliche Vorbehalte gegen die von Paus geforderte Leistungsausweitung für armutsgefährdete Familien. Lindner sagte am Wochenende, von Kinderarmut seien vor allem Familien betroffen, die seit 2015 nach Deutschland eingewandert seien - weshalb er diskutieren wolle, ob man diesen Kindern wirklich am besten mit mehr Geld auf dem Konto der Eltern helfen könne oder ob das Geld nicht besser in "Sprachförderung, Integration, Beschäftigungsfähigkeit der Eltern" sowie in Kitas und Schulen investiert sei.

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In der Tat haben - Stand März - 47,6 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die Bürgergeld bekommen, eine ausländische Staatsbürgerschaft; knapp 30 Prozent von ihnen stammen aus der Ukraine und sind mit ihrer Familie vor dem Krieg geflohen. Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang wies Lindners Argumentation dennoch zurück. "Wir haben in Deutschland ein großes Problem mit verfestigter Kinderarmut", sagte sie am Montag. Ob man etwas dagegen tue, dürfe nicht von der Herkunft abhängen.

Von grüner Seite wurde zudem betont, dass der Empfängerkreis der Kindergrundsicherung mit bis zu 5,6 Millionen Kindern viel größer sein werde als jener der gut 1,9 Millionen Kinder aus Bürgergeld-Familien. Das liegt daran, dass für die Kindergrundsicherung mehrere Sozialleistungen zusammengefasst werden sollen - darunter auch solche für Familien mit erwerbstätigen Eltern, die aber wenig verdienen. Trotz der regierungsinternen Differenzen gab Lang sich am Montag optimistisch: "Ich bin mir sicher, dass wir in diesem Monat zu einer Einigung kommen werden." In Meseberg soll neben der Kindergrundsicherung auch Lindners Wachstumschancengesetz verabschiedet werden, zusammen mit einer Reihe weiterer Vorhaben.

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