Kanzler unter Druck:Scholz hält an den Kürzungsplänen für die Bauern fest

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Im gesamten Bundesgebiet blockierten Landwirte mit ihren Traktoren Auto- und Straßenzufahrten, wie hier in der Bremer Überseestadt. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Angesichts der massiven Proteste der Landwirte fordern nun auch mehrere SPD-Ministerpräsidenten von Kanzler Scholz, dass er die Subventionskürzungen zurücknimmt. Doch er will da hart bleiben.

Von Georg Ismar

Angesichts der Massenproteste von Landwirten wächst auch in der eigenen Partei der Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die geplanten Subventionskürzungen für die Agrarbranche komplett zurückzunehmen. "Die Bauern sind stinksauer, und das zu Recht", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) der Süddeutschen Zeitung. "Man kann nicht über Nacht zwei Finanzierungsgrundlagen streichen, ohne vorher miteinander zu reden. Deshalb müssen die Maßnahmen zurückgenommen werden." Doch Scholz blockt das bisher ab.

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke und die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger stellten sich am Montag gegen ihren Parteikollegen Scholz, was ungewöhnlich ist und den Druck für Korrekturen noch einmal erhöht.

Die bereits von Scholz, Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verkündete Korrektur, wonach die Kfz-Steuer-Befreiung für landwirtschaftliche Maschinen doch nicht angetastet wird, reicht den Kritikern in der SPD nicht - weil die Steuersubventionen für Agrardiesel weiterhin abgeschafft werden sollen, wenn auch nur noch stufenweise.

Scholz: Die Agrarkürzungen werden kommen

"Der Geist ist aus der Flasche", sagte Weil im ZDF. "Gerade für kleinere Betriebe ist der Wegfall des Agrardiesels - und sei er auch über drei Jahre hingezogen - wirklich eine arge Belastung." Deswegen sei seine dringende Empfehlung an die Bundesregierung, "an dieser Stelle reinen Tisch zu machen". Es wäre gut, wenn man diesen Konflikt beenden würde.

Bundeskanzler Scholz will jedoch trotz der Proteste der Landwirte an den Kürzungsplänen der Ampelkoalition festhalten. "Die Bundesregierung steht dazu", sagte er am Montag im Kanzleramt. Bei einem Subventionsabbau gebe es immer Stimmen, die sagen, "aber nicht diese". Das Vorhaben bleibe und solle "in sehr kurzer Zeit" im Bundestag zur Abstimmung stehen.

Die Bundesregierung brachte daher am Montag das schrittweise Auslaufen des Agrardiesels und andere Pläne wie eine höhere Ticketsteuer im Flugverkehr ab Mai auf den Weg. Dazu wurden Formulierungshilfen für die Koalitionsfraktionen zur Umsetzung im Bundestag beschlossen. Mit den Maßnahmen sollen Milliardenlöcher im Haushalt, die sich nach dem verfassungswidrigen Umwidmen nicht verbrauchter Corona-Gelder in einen Klima- und Transformationsfonds aufgetan haben, wieder geschlossen und zudem weitere Projekte in dem Bereich finanziert werden können. In der SPD-Bundestagsfraktion wurde gewarnt, wenn man hier nun vor den Landwirten einknicke, würden als Nächstes andere Berufsgruppen auf die Straßen gehen.

Traktorblockaden im ganzen Land - auch Lkw-Fahrer schließen sich Protesten an

Tausende Landwirte blockierten am Montag mit ihren Traktoren im gesamten Bundesgebiet Autobahn- und Straßenzufahrten. Zudem bildeten sich in vielen Städten lange Traktorkolonnen. Viele Bürger kamen nicht zur Arbeit, auch Schulunterricht fiel in einigen Orten aus. In der Regel blieben die Proteste friedlich, in Niedersachsen wurde jedoch ein Demonstrant angefahren und verletzt. In Dresden versuchten rechtsextreme Gruppen, die Proteste für sich zu kapern und Polizeisperren zu durchbrechen. Im VW-Werk Emden musste zudem die Produktion gestoppt werden, weil die Beschäftigten nicht mehr zur Arbeit kommen konnten. Die Bauern erhielten vielerorts Unterstützung von Lastwagenfahrern, die wegen des hohen CO₂-Preises und der gestiegenen Lkw-Maut protestierten; auch Handwerker, Fischer und andere Gruppen solidarisierten sich.

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Auf Transparenten wurde ein Ende der Ampelkoalition gefordert. "Wir räumen sie beiseite" oder "Sie säen nicht. Sie ernten nicht. Aber sie wissen alles besser" stand auf Plakaten von Bauern, die sich gegen die Sparpläne von SPD, Grünen und FDP richteten.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der zuletzt bei der Rückkehr aus einem Nordsee-Urlaub wegen wütender Demonstranten eine Fähre am Anleger Schlüttsiel nicht wie geplant verlassen konnte, warnte in einer Video-Botschaft davor, dass die Proteste von radikalen Gruppen gekapert werden könnten. "Es kursieren Aufrufe mit Umsturzfantasien. Extremistische Gruppen formieren sich, völkisch-nationalistische Symbole werden offen gezeigt. Es wird sichtbar, dass in den letzten Jahren etwas ins Rutschen geraten ist, was den legitimen demokratischen Protest und die freie Meinungsäußerung entgrenzt", betonte Habeck. Die Gesellschaft erlebe einen Umbruch; Kriege und Krisen sowie die hohe Inflation führten zu Verunsicherung. "Wir dürfen nicht zulassen, dass Extremisten diese Verunsicherung kapern. Wir dürfen nicht blind sein. Umsturzfantasien heißen nichts anderes, als unseren demokratischen Staat zerstören zu wollen", sagte Habeck. "Wenn an Traktoren Galgen hängen, wenn Traktorkolonnen zu privaten Häusern fahren, dann ist eine Grenze überschritten."

In der Ampelkoalition wird zudem auf die teils gute Ertrags- und Verdienstlage für viele Landwirte in den vergangenen Jahren verwiesen. Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte dagegen bei einem Besuch der Klausurtagung der CSU-Bundestagsabgeordneten im Kloster Seeon, die Kürzungspläne der Ampel hätten jetzt "das Fass zum Überlaufen gebracht". Sie müssten auch beim Agrardiesel komplett zurückgenommen werden, sonst werde das ein "Sterben auf Raten". Die Bauern seien schon stark von anderen Kürzungen und immer neuen Auflagen etwa bei der Tierhaltung betroffen.

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