Landwirtschaft:Bauern protestieren gegen Kürzungen - Pläne der Ampel in Gefahr

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In Berlin demonstrieren Landwirte gegen die Pläne der Ampelkoalition, die Subventionen für Agrardiesel zu streichen. (Foto: Fabian Sommer/dpa)

Die Ampelkoalition will Vergünstigen für Landwirte abschaffen. Diese protestieren mit Traktoren am Brandenburger Tor dagegen - und haben die FDP-Fraktion bereits auf ihrer Seite.

Von Oliver Klasen und Nadja Lissok

Dass das, was Kanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner ausgehandelt haben, um den wochenlangen Haushaltsstreit zu beenden, nicht alle glücklich machen würde, war abzusehen. Nun hat die Ampel mit ihrem Vorschlag, Steuervergünstigen für Agrardiesel abzuschaffen, den Zorn der mächtigen Landwirtschaftslobby auf sich gezogen.

"Wir werden uns das nicht gefallen lassen", sagt Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied. Unter dem Motto "Zu viel ist zu viel" demonstrieren Bauern aus dem ganzen Land seit 11 Uhr am Brandenburger Tor, zahlreiche Traktoren rollten am Morgen bereits durch die Hauptstadt.

Drei der benötigten 17 Milliarden Euro plant die Regierung einzusparen, indem sie klimaschädliche Subventionen abbaut. Der Deutsche Bauernverband verlangt, die Sparvorschläge, die die Landwirtschaft betreffen, komplett zurückzunehmen. "Wenn nicht, wird es ab Januar massiven Widerstand geben", betont der Bauernpräsident. Fast eine Milliarde Euro, so der Bauernverband, werde der Landwirtschaft mit den Maßnahmen entzogen. Bisher können sich Höfe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen. Zudem sind land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge von der Kfz-Steuer befreit.

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Bundesagrarminister Cem Özdemir hat sich den wütenden Landwirten am Brandenburger Tor gestellt und versprochen, sich dafür einzusetzen, dass die Hilfen nicht so stark gekürzt werden wie geplant. Seine Rede wurden mehrfach von Pfiffen und "Ampel weg"-Rufen unterbrochen. Özdemir hatte bereits vorher vor einer überproportionalen Belastung gewarnt, wenn sowohl die Agrardieselbeihilfe als auch die Kfz-Steuer-Befreiung gestrichen würden. Das wäre ein Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Ländern, in denen es diese Subventionen gebe. Alternativen zum Agrardiesel hätten die Bauern nicht. "Wir reden über schwere Maschinen, die kann man nicht einfach auf Elektro umrüsten", sagte Özdemir im ARD-"Morgenmagazin". Er habe dem Bundesfinanzminister alternative Sparvorschläge gemacht.

Auch von der Opposition kam am Wochenende viel Kritik an den Plänen. Die Chefin des Wirtschaftsflügels der Union, Gitta Connemann, warnte, ohne Diesel könne kein Acker bestellt werden: "Eine Kostenexplosion ist vorprogrammiert." Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) kündigte auf X an, an der Demonstration in Berlin teilzunehmen, weil der Plan "ein Schlag mit dem Dreschflegel ins Gesicht der Landwirte" sei.

FDP-Fraktion droht mit Veto

Dabei hat sich die Lage der Landwirte zuletzt verbessert. Im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 stieg der durchschnittliche Gewinn der Betriebe laut Bauernverband auf mehr als 115 000 Euro - ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Angesichts sinkender Preise bei Getreide, Ölsaaten und Milch war die Branche aber schon vor Bekanntwerden der Ampel-Pläne pessimistisch, was die Zukunft angeht. Anders sieht es Greenpeace: Der Wegfall der Subvention bei Agrardiesel sei angesichts rekordverdächtiger Agrar- und Lebensmittelpreise und vieler weiterer Agrarsubventionen verschmerzbar, sagt ein Experte der Umweltorganisation.

Die FDP-Fraktion schlägt sich dagegen auf die Seite der Bauern und kündigt ein Veto gegen die Pläne der Ampel-Spitzen an. Man halte die starke Belastung der landwirtschaftlichen Betriebe für nicht zustimmungsfähig, sagte Fraktionschef Christian Dürr am Sonntag. "Es wird zu oft von angeblich klimaschädlichen Subventionen gesprochen, ohne auf die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Abschaffung zu schauen". Lindner habe deshalb bereits zugesagt, der Regierung Alternativen vorlegen zu wollen, wenn die Koalitionspartner zustimmten.

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In anderer Hinsicht gemäkelt wird auch bei den Sozialdemokraten. So möchte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese das Sparpaket noch einmal aufschnüren. Unglücklich ist er nicht nur über die Kürzung beim Agrardiesel, sondern vor allem mit dem abrupten Ende der E-Auto-Kaufförderung. "Sie auslaufen zu lassen und denjenigen noch die Möglichkeit zu geben, die bereits die Anträge gestellt und die das in ihre Kaufentscheidung miteinkalkuliert haben, das halte ich noch mal für überlegenswert", sagte Wiese.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hingegen warnt davor, den Kompromiss aufzukündigen. "Wenn jetzt einzelne Streben herausgezogen werden, ohne neue einzusetzen, fällt die Gesamtlösung in sich zusammen", sagt er der Deutschen Presse-Agentur. "Das heißt, wer an einer Stelle Änderungen wünscht, muss eine abgestimmte und für alle Seiten tragfähige Gegenfinanzierung anbieten." Auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit macht wenig Hoffnung auf nachträgliche Änderungen. Zwar würden die Details noch geprüft, "aber die Regierung ist fest entschlossen, die Einigung von Mittwoch umzusetzen."

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