Kita-Plätze:Die große Herausforderung

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Betreuungsangebote für Kinder sind so gefragt wie noch nie. Ob Krippe, Kita oder Hort: überall wächst der Bedarf. Die Kommunen bemühen sich, doch nicht alle können ihn decken. Ein Überblick über die Situationen, Probleme und Lösungen.

Von F. Amler, M. Heßlinger, K. Kampwerth, W. Schäl, K. Schieder und A. Vecchiato

Augen auf bei der Berufswahl, hört man immer wieder. Doch die Wahl des Wohnortes kann mindestens genauso entscheidend sein, wenn es um ein gesellschaftliches Schlüsselthema geht: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der Ausbau der Kindertagesstätten steht regelmäßig auf den Agenden der Lokalpolitik. Doch für berufstätige Eltern stellt sich die Situation in den Kommunen der Region höchst unterschiedlich dar - mal mangelt es an Plätzen, während es wenige Kilometer entfernt genügend Angebote gibt. Ein Überblick:

Geretsried

Bürgermeister Michael Müller (CSU) macht kein Hehl draus: "Kinderbetreuung ist das ewige Leidensthema der Stadt Geretsried", sagte er auf der Bürgerversammlung vor knapp zwei Wochen. Das Problem ist keineswegs nur ein Mangel an Plätzen, sondern auch einer an Personal. Laut Rathaussprecher Thomas Loibl stehen im Moment noch zwei Kindergartengruppen (18 und 20 Plätze) komplett leer, weil den Trägern die Mitarbeitenden fehlten.

Insgesamt gibt es in der 26 000 Einwohner-Stadt Geretsried 1395 Plätze in Kindertagesstätten, darunter 198 in Krippen, 981 in Kindergärten und 216 in Horten. Hinzu kommen die neu geschaffenen Plätze für die Mittagsbetreuung - 168 für die Karl-Lederer-, 130 für die Isardammschule. Loibl sagt: "Wir haben 49 Krippenkinder, 76 Kindergartenkinder und 25 Hort- beziehungsweise Mittagsbetreuungskinder, die momentan auf einen Platz warten." Manche allerdings seien nicht gleich zum Beginn des Betreuungsjahrs angemeldet. Aktuell, so Loibl, stünden auf der Warteliste zum Stichtag 1. September 27 Krippenkinder, 57 Kindergarten- und 25 Hort- oder Mittagsbetreuungskinder. Müller hat angekündigt, dass die Stadt, die keine Kita selbst betreibt, die freigemeinnützigen Träger bei der Personalsuche unterstützen werde. Vorstellbar sei eine Personal-Messe, um für die Attraktivität des Standorts zu werben.

Wolfratshausen

Wie sich die Situation der Kindertagesstätten in Wolfratshausen darstellt, will der zuständige Referatsleiter Martin Melf am 8. Juli in einer Sitzung des Ausschusses für Jugend, Sport, Kultur- und Soziales erläutern. Diesem Statement, sagt Melf, wolle er nicht vorgreifen. Zumindest anhand von Vergleichsdaten aus den vergangenen Jahren lassen sich die Größenordnungen nachvollziehen: 2016 standen in 15 städtischen, privaten und kirchlichen Einrichtungen 868 Kitaplätze zur Verfügung, davon 186 Krippenplätze. Das gesamte Aufgabengebiet sei äußerst komplex, sagt Melf, und es sei in den vergangenen Jahren immer umfangreicher geworden. "Früher ließ sich das in einem halben Tag erledigen, heute braucht man dazu einen ganzen Stab von Leuten." Grund für die schwierige Berechnung ist Melf zufolge der Förderbedarf für einzelne Buben und Mädchen, der sich oft erst "im Echtbetrieb" herausstelle. So könne es vorkommen, dass bei schwierigen Kindern der Betreuungsschlüssel um den Faktor drei oder vier erhöht sei, es also passieren könne, dass ein einzelnes Kind mehrere Kitaplätze in einer Gruppe beanspruche. Dazu komme, dass bald Nachmittagsangebote für Schulkinder zur Pflicht werden und bereits Kitaplätze für Einjährige eingeklagt werden können. Über den ganzen Themenkomplex könne er jederzeit "gern eine halbe Stunde lang referieren, denn es ändert sich täglich was". Aber das alles sei ja auch kein spezielles Wolfratshauser Problem, "damit haben alle Kommunen zu tun". In Wolfratshausen versuche man jedenfalls, "das Beste aus alledem zu machen". Und, fügt Melf an: "Es schaut gar nicht so schlecht aus."

Vor großen Herausforderungen steht die Stadt auch bei der Abdeckung von Angeboten in den Bereichen Mittagsbetreuung und Kinderhorte, der Bedarf an Betreuung von Grundschulkindern im Anschluss an den Vormittagsunterricht wächst nach Angaben von Stadtjugendpfleger Fritz Meixner seit Jahren kontinuierlich. Meixner belegt diese Aussage mit aktuellen Zahlen: Die Zahl der Kinder ist seiner Statistik zufolge von 631 im Schuljahr 2020/21 auf 718 im Schuljahr 2021/21 gestiegen - eine Aufgabe, die dank der gut funktionierenden Kooperation des Kinder- und Jugendfördervereins (KJFV) mit der Stadt ermöglicht wird. So werden die beiden integrativen Kinderhorte in Wolfratshausen und Waldram im neuen Schuljahr jeweils um eine Gruppe erweitert, wodurch in Waldram das Platzangebot von 80 auf 100, im Kinderhort Wolfratshausen von 130 auf 150 Plätze steigt. Für diese Angebote gilt es nun, das nötige Personal zu finden.

Penzberg

Eine "erfreuliche Mitteilung" überbrachte Franziska Annaberger vom Familienbüro im Penzberger Rathaus kürzlich dem Sozialausschuss. 333 Anmeldungen für das Betreuungsjahr 2021/2022 konnten berücksichtigt werden. Lediglich 37 Anmeldungen wurden aus verschiedensten Gründen (Umzug oder beschränkte Aufnahme von Kindern aus dem Umland) zurückgestellt oder abgelehnt. Allerdings gebe es noch Aufnahmewünsche von Januar 2022 an. "Insgesamt 25 Anmeldungen sind es aktuell", sagte Annaberger. 19 davon betreffen Kinder aus Penzberg.

Um ein Jahr verlängert wird das Angebot der Vorschulgruppe im Awo-Kinderhort an der Birkenstraße. Dort sei immer Platz, um ein oder zwei Kinder zusätzlich unterzubringen, sagte Annaberger. "Da gibt es einen Puffer für Zugänge." Dieses Angebot werde gut angenommen.

Wegen der Corona-Pandemie hätten einige Familien sich für eine Schulrückstellung entschieden oder möchten die sogenannte Korridorlösung nutzen und den Schuleintritt ihrer Kinder verschieben. Dies übe in diesem Jahr einen zusätzlichen Druck auf die Betreuungssituation im Kindergarten aus, weshalb eine weitere Kindergartengruppe geschaffen werden müsse. Sie soll im Awo-Kinderhort an der Birkenstraße eingerichtet werden. Vorschulgruppen (für ältere Kindergartenkinder) wie auch diese neue Gruppe sind vorerst auf ein Jahr befristet.

Momentan melden 19 Familien Bedarf für einen Krippen- oder Kindergartenplatz ab Januar 2022 an. Weil immer wieder Familien wegzögen oder die Kinder unterm Jahr von der Krippe in den Kindergarten wechselten, werde erfahrungsgemäß ein kleines Kontingent an Plätzen frei, die dann erneut vergeben werden könnten. "Wie sich die Betreuungssituation im Frühjahr 2022 darstellt, ist offen", meinte Annaberger.

Bad Tölz

Bad Tölz hat in den vergangenen Jahren seine Plätze in Kindertagesstätten kontinuierlich nach oben geschraubt. Und im Herbst kommt noch eine ganze Menge hinzu: Der neue Kindergarten an der Jahnstraße soll voraussichtlich im Oktober fertiggestellt sein. 100 Plätze wird es in der von Kinderland Weyarn betriebenen Einrichtung geben. Davon ist allerdings kein einziger mehr zu bekommen. "Die 100 Plätze sind bereits vergeben", sagt Birte Otterbach, Pressesprecherin der Stadt. Und das seit schon seit Monaten. Stadtkämmerer Hermann Forster wundert die große Nachfrage nicht. Bad Tölz sei ja eine Zuzugsregion, "da ist es kein Problem, dass wir ihn vollkriegen", sagte er bei einer Baustellenbesichtigung. Rund 4,06 Millionen Euro kostet der Neubau in Holzbauweise, der mit dem vom Landkreis betrieben Nahwärmenetz der Realschule verbunden wird. Ob der Bedarf damit auch in den kommenden Jahren zu decken ist, muss sich ungeachtet der Anstrengungen erst noch zeigen. Denn trotz des Neubaus gibt es bereits jetzt kaum Spielraum. "Weitgehend alle zur Verfügung stehenden Plätze wurden nachgefragt", teilt Otterbach mit. Dabei bietet Bad Tölz insgesamt nicht weniger als 808 Plätze an: 650 in Kindergärten, 108 in Kinderkrippen und 50 im Kinderhort. Eine Ausweichmöglichkeit gibt es überdies in den Kindergartengruppen an der Peter-Freisl-Straße. Aber auch dort seien alle 50 Plätze belegt, sagt die Pressesprecherin. Eine weitere Verschärfung der Situation durch Eltern, die ihre Kinder wegen möglicher Corona-Lockdowns im Herbst heuer noch nicht einschulen und stattdessen ein Jahr länger in den Kindergarten schicken, gibt es in der Kreisstadt kaum. Das sei "eher nicht" der Fall, sagt Otterbach.

Schäftlarn

Bei Familien sei Schäftlarn als Wohnort sehr beliebt, sagt Stefan Wallner, Leiter des Rathauses. Ein Grund sei, "dass wir ein relativ gutes Betreuungsangebot haben und das zieht Familien schon auch an." Die Gemeinde hat keine eigenen Kinderkrippen oder -gärten, mehrere Träger übernehmen die Kinderbetreuung im Ort. Deshalb kann Wallner selbst keine genauen Zahlen nennen. Aber wer nicht gerade erst im Juli neu zuziehe und auf einen kurzfristigen Platz im September hoffe, habe gute Chancen, für seine Kinder ein Betreuungsangebot zu kriegen, sagt er. Allerdings: "Wenn zu viele auf einmal zuziehen, dann reicht der Bedarf, den wir die vergangenen Jahre errechnet haben, nicht mehr." Denn für Vorratsplätze bekomme die Gemeinde keine Fördergelder. "Insofern ist dieses Platzangebot immer sehr auf Kante genäht." Konkurrenz haben die Schäftlarner zudem von Kindergärten aus München und Umland, die ihren Erzieherinnen mehr bezahlen. Wallner spricht von einem "Überbietungskampf, wer mit dem besten Gehalt punkten kann." Einer der Kindergärten suche deshalb bereits seit dem Frühjahr nach einer neuen Erzieherin. Wird die Stelle bis September nicht besetzt, kann eine Gruppe nicht zustande kommen. Die Eltern müssten sich dann im Umland nach Ersatz umsehen. Wer als Erziehender in Schäftlarn arbeitet, bekommt für eine Vollzeitstelle 270 Euro pro Monat als Großraumzulage draufgezahlt. Vor allem aber punkteten die Schäftlarner Einrichtungen mit guten Arbeitsbedingungen: "Das sind eingeschworene Teams, die da arbeiten", sagt Wallner. Was ältere Kinder betrifft, plant Schäftlarn groß: Von 2026 an sollen alle Erstklässler in Bayern einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung haben, bis 2029 dann alle Grundschulkinder von der ersten bis zur vierten Klasse. Neben der Schäftlarner Grundschule soll deshalb bis 2026 eine neue Turnhalle stehen - mit Mensa und Räumen für die Nachmittagsbetreuung. Wie genau das Konzept aussehen soll, mit welcher Art der Betreuung, das ist noch offen. Bislang nehmen 75 Prozent aller Schäftlarner Grundschulkinder eine Nachmittagsbetreuung in Anspruch. Und "das nimmt jedes Jahr gewaltig zu, deswegen steigt unser Platzbedarf", sagt Wallner.

Icking

Familie und Beruf unter einen Hut bringen - in Icking ist das kein großes Ding. "Wir haben durchaus noch freie Plätze für das nächste Kita-Jahr", sagt Zweite Bürgermeisterin Claudia Roederstein (UBI). "Wir sind in einer komfortablen Lage." Damit meint sie nicht nur die geografische Verortung der Gemeinde. Denn die zieht natürlich Menschen an, die sich zwischen Oberland und München niederlassen möchten. Eltern, die das am Ende bezahlen können, wollen nicht nur, sie müssen in der Regel arbeiten, und zwar beide. Sorgen um die Betreuung ihrer Kinder müssen sie sich deshalb nicht machen. So sei erst voriges Jahr ein Anbau in der Krippe am Wenzberg eröffnet worden. Hier können nun vier Gruppen à zwölf Kleinkinder betreut werden. "Wir haben reichlich Platz", sagt Roederstein, weshalb man sogar auswärtige Kinder aufnehmen konnte. Außerdem gibt es noch zwei gemeindliche Kindergärten in Icking selbst und in Dorfen, die im September ohne Probleme die der Krippe entwachsenen Kinder aufnehmen können. In diesem Jahr sei die Situation nämlich eine besondere, erklärt Roederstein, weil eine ungewöhnlich große Anzahl von Kindern in die Grundschule wechsle. Gleichzeitig bleibe Spielraum für Familien, die über das Jahr nach Icking ziehen. Weitere Betreuungsmöglichkeiten bieten ein Wald- und ein Waldorfkindergarten. "Man könnte fast sagen, in Icking haben Eltern die Qual der Wahl", sagt Roederstein. Wenn das Kindergartenkind zum Schulkind wird, hat die Ickinger Verwaltung auch rechtzeitig reagiert. Einen Hort gibt es zwar nicht. "Aber wir haben die offene Ganztagsschule schon jetzt gestartet, obwohl der Rechtsanspruch erst von 2026 an gilt", sagt Roederstein. Träger ist der KJFV Wolfratshausen. Angeboten wird eine pädagogisch qualifizierte Beschäftigung inklusive Hausaufgabenbetreuung. Weniger gut sieht es beim Personal für die Betreuung aus. Hier tut sich Icking genauso schwer wie andere Kommunen. Zwar werde die Ballungsraumzulage bezahlt. Woran es aber am meisten fehlt, sei Wohnraum, den sich Erzieherinnen leisten könnten. "Das haben wir schon lange auf der Agenda", beteuert die Zweite Bürgermeisterin. Erschwert werde das einerseits durch den Wunsch, von innen heraus wachsen zu wollen. Und andererseits durch die Tatsache, dass die Gemeinde selber über wenige eigene Grundstücke verfüge, auf denen man bezahlbaren Wohnraum schaffen könne.

© SZ vom 29.06.2021 / fam, kmp, mhes, sci, veca, wsg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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