Mobilität im Großraum München:MVG braucht Finanzspritze von 140 Millionen Euro

Lesezeit: 3 min

Der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) fehlen rund 50 U-Bahnfahrer. Auch in anderen Bereichen kämpfen die Verkehrsbetriebe in und um München mit dem Fachkräftemangel. (Foto: Priska Wörl)

Die Verkehrsbetriebe in und um München stehen vor großen Herausforderungen: Die Infrastruktur ist marode, hinzu kommt der Fachkräftemangel. Wie soll es da gelingen, die Leute zum Umstieg auf Bus und Bahn zu bewegen?

Von Linus Freymark, Herrsching

Der Dampfer ist gerade dabei zu wenden, da zeigt Bernd Rosenbusch zum Ufer des Sees. Da hinten, wo sich die Berge in den abendroten Himmel erheben, wird demnächst MVV-Land sein, erklärt er. Weilheim, Landsberg, Rosenheim - all diese und noch weitere Landkreise werden in diesem oder dem kommenden Jahr dem Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) beitreten. Für Rosenbusch, seines Zeichens Geschäftsführer des Verkehrsunternehmens, ist das ein Grund zur Freude: Zum einen erhofft er sich von dem Schritt Verbesserungen für die Fahrgäste, zum anderen aber warten damit auch neue Kunden auf den MVV.

Die Dampferfahrt auf dem Ammersee, zu der die Münchner Verkehrsunternehmen am Dienstagabend eingeladen haben, ist da eine gute Gelegenheit, bei den neuen Fahrgästen vorbeizuschauen. Und natürlich bietet es sich dabei an, über sich und die eigene Zukunft zu sprechen. Die Stimmung an Bord der Dießen ist gut, obwohl allen Passagieren klar ist, dass noch einiges zu tun ist in Sachen Verkehrswende - und dass das ein richtig teures Projekt werden wird. Im kommenden Jahr etwa muss die Stadt München die MVG wohl mit einer Finanzspritze von 140 Millionen Euro unter die Arme greifen, schon in diesem Jahr beträgt der Zuschuss wohl etwas mehr als 130 Millionen Euro - und das allein, um das bestehende Angebot zu gewährleisten.

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Der Grund für die steigenden Kosten: Die insgesamt gestiegenen Betriebskosten sowie der Tarifabschluss für die Beschäftigten. Und weil das Problem mit dem Geld nicht nur in der Stadt, sondern auch im Umland präsent ist, dämpfen die Verkehrsmanager die Erwartungen auf einen Ausbau des Netzes. Zwar wächst das Verbundgebiet, allerdings müsse zunächst die bereits vorhandene, aber marode Infrastruktur erneuert werden. "Leider gibt es im Vergleich zu vergangenem Jahr keine Verbesserungen", konstatiert der Geschäftsführer der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) Thomas Prechtl.

Guten Mutes trotz wartender Herausforderungen: MVV-Geschäftsführer Bernd Rosenbusch. (Foto: Georgine Treybal)

Zwar habe der Bund Milliarden für die Sanierung zugesagt - aber ob die wirklich kommen? Prechtl hat da so seine Zweifel. Und auch wenn die Mittel kommen sollten: Für die Arbeiten seien massive Einschränkungen notwendig. Man müsse also erst das "Tal der Tränen" durchschreiten, bevor man von den Verbesserungen - sprich einem störungsfreieren Nahverkehr - profitieren könne. Das gilt auch für die Münchner S-Bahn, Geschäftsführer Heiko Büttner schwört die Fahrgäste schon mal auf ein "Jahrzehnt des Bauens" ein. Die Gesichter der sonst so fröhlichen Manager blicken dabei angemessen ernst drein.

Und dann ist da noch das in fast jeder Branche allgegenwärtige Problem: der Fachkräftemangel. Schon jetzt fehlen der MVG 50 U-Bahnfahrer, hinzu kommen 60 Mechatroniker. Auch rund um München müssen die Verkehrsplaner die Busfahrpläne immer wieder einschränken, weil nicht genügend Fahrer da sind. "Für die Zukunft betrachtet wird das nicht besser", sagt MVG-Chef Ingo Wortmann. Im Gegenteil: Bis 2030 werden wohl 700 Mitarbeiter fehlen. Die Verkehrsgesellschaft versucht mit zahlreichen Maßnahmen gegenzusteuern, es gibt Werkswohnungen, zudem sollen Rentner und Studierende gezielt angeworben werden. Auch im Ausland bemüht man sich um neue Mitarbeiter, in Spanien etwa bildet die MVG gerade Busfahrer aus.

(Foto: Georgine Treybal)

Dass diese dann vielleicht noch kein Deutsch können, wenn sie am Steuer sitzen und die Fahrgäste ihren Chauffeur dann vielleicht nicht mehr nach dem Anschluss an der nächsten Station fragen können, müsse man dabei in Kauf nehmen, so Wortmann. Der Fahrtwind bläst ihm dabei durch die Haare, was zur Zeit nicht selbstverständlich ist: Denn auch der Bayerischen Seenschifffahrt gehen auf so manchem See die Schiffsführer aus.

Kann die Verkehrswende unter diesen Umständen überhaupt gelingen? Die Verantwortlichen der Verkehrsbetriebe sind sich sicher: ja. "Wir können ökologische Mobilität - und zwar heute schon", erklärt Prechtl. Gleichzeitig sehen die Verkehrsbetriebe auch bei sich selbst Nachholbedarf: Bei der Digitalisierung etwa hinke man hinterher, sagt S-Bahn-Chef Büttner, auch bei der Qualität des eigenen Angebots gebe es Nachholbedarf.

Einigkeit an Bord der EMS Dießen: Bernd Rosenbusch, Ingo Wortmann, Thomas Prechtl und Heiko Büttner (von links) fordern mehr finanzielle Mittel vom Bund für den ÖPNV. (Foto: Georgine Treybal)

Auch Bernd Rosenbusch sieht seinen MVV in der Pflicht, Abläufe zu verbessern: Sein Betrieb strebt deshalb einfachere Ticketsysteme, enger aufeinander abgestimmte Fahrpläne und eine bessere Information der Fahrgäste an. Das alles aber funktioniere nur, wenn die Politik die erforderlichen Mittel zur Verfügung stelle, so Büttner. Im vergangenen Jahr seien rund 10 000 Kilometer Straße gebaut worden - aber nur 74 Kilometer Schiene. "Es geht um Prioritäten", erklärt der S-Bahn-Chef.

Lob gibt es auf der Dießen hingegen für das Deutschland-Ticket: Die Fahrgastzahlen haben zwar noch nicht das prä-pandemische Niveau erreicht, dennoch verzeichnen die Verkehrsbetriebe durch das Ticket einen Zuwachs. Allerdings sei es nun eben notwendig, das Angebot des ÖPNV auszubauen, um die Fahrgäste bei der Stange zu halten und neue Kunden hinzuzugewinnen. "Ansonsten werden wir die Verkehrswende nicht hinbekommen", warnt Wortmann. Aber die Nachfrage nach dem Ticket ist da - und damit auch die Zuversicht in den Chefetagen der Transportunternehmen, die Verkehrswende trotz aller Hindernisse zu schaffen.

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