Der Umrüstung des Heizkraftwerks Nord von Kohle- auf Gasbetrieb steht wohl nichts mehr im Weg. Vertreter der Stadtwerke München (SWM) haben in der jüngsten Sitzung des Klimarats ihre Pläne für die künftige Nutzung der Anlage dargelegt und erstmals auch die Kosten des Umbaus beziffert. "Zeit ist's geworden", fand der Anwalt Alexander Rossner, der als Vertreter der Wirtschaft im Klimarat sitzt. Auch andere Mitglieder des Gremiums kritisierten am Donnerstagabend die bis dato fehlende Offenheit der SWM.
Helge-Uve Braun, Technischer Geschäftsführer der Stadtwerke, bedauerte zu Beginn seiner Ausführungen, "dass der Eindruck entstanden ist, dass wir keine Informationen geben wollen". Dieser Eindruck rührte auch daher, dass Klimarat und Umweltaktivisten lange auf Auskünfte zu geplanten Maßnahmen gedrängt hatten. Die hat der Stadtrat zwar bereits im Juni 2023 abgesegnet, aber im Beschluss hatte auch die Fraktion von Linke/Die Partei einen Vorbehalt verankert, dass noch wesentliche Informationen fehlen. "Wir begrüßen die Umstellung grundsätzlich", versicherte Fraktionssprecher Stefan Jagel nun erneut, "aber wir wollen wissen, was es kostet und wie lange es läuft."
Insofern fiel Jagels Bilanz des Abends eher positiv aus: Die Auskunft der SWM sei "schon viel deutlicher als sonst" gewesen. Dominik Krause (Grüne), der als Zweiter Bürgermeister dem Klimarat vorsitzt, resümierte noch optimistischer: "Ich hoffe, dass heute alles auf den Tisch kam, was es an Argumentationssträngen gibt, und nicht im Nachhinein wieder Dinge so zurecht gedreht werden, wie man es braucht." Das muss sich noch zeigen.
Um das Heizkraftwerk Nord und seinen mit Kohle betriebenen Block 2 wird seit Jahren diskutiert. Nach einem Bürgerentscheid von 2017 ("Raus aus der Steinkohle") sollte der Kohleblock bis spätestens 2022 stillgelegt werden. Weil das wegen der Relevanz für das überregionale Stromnetz nicht möglich ist, sollte der Betrieb zumindest umweltfreundlicher weiterlaufen, mit Erdgas. Wegen der Gasknappheit infolge des Ukraine-Krieges wurde die Umrüstung dann zweimal verschoben. Nun soll sie nach dem Ende der Heizperiode beginnen und der Wirtschaftsausschuss des Stadtrats im April noch einmal auf den neuesten Stand gebracht werden. Aber "grundsätzlich ist der Beschluss gefasst", so die Rechtsauffassung im Rathaus.
Trotzdem blieben bis jetzt Fragen offen nach Wirtschaftlichkeit, Laufzeit, Auslastung und CO₂-Ausstoß des dann mit Erdgas betriebenen Blocks. Den Eindruck, nicht über alles informieren zu wollen, konnten die Stadtwerke auch im Klimarat nicht ganz beseitigen. Auf Krauses Frage nach den Kosten für die Umrüstung murmelte Christoph Bieniek, der für Strom- und Wärmeerzeugung zuständige Mann bei den SWM, zunächst bloß etwas von "keinen so großen Beträgen"; erst auf erneute Nachfrage nuschelte er etwas von ein bis zwei Millionen Euro ins Mikrofon.
Das wäre erstaunlich günstig, was daran liegen könnte, dass die Einrichtungen zur Kohleverbrennung erhalten bleiben. Dem Gedanken, dass die SWM weiter damit arbeiten wolle, widersprach Braun indes sofort: Alle Lieferverträge seien gekündigt. Seine Erklärung: "Wir werden nichts tun, um die ursprüngliche Betriebsgenehmigung zu gefährden." Die habe nämlich bereits 1991 Steinkohle und Erdgas erlaubt. "Wir brauchen für diesen Brennstoffwechsel keine Genehmigung", so Braun mit Hinweis auf einen Bescheid der Regierung von Oberbayern und ein Gutachten des TÜV. "Das war ein wenig überraschend, dass der Gasbetrieb auf einmal doch ging", monierte Christof Timpe vom Öko-Institut in Freiburg. Lange hatten die SWM ja genau das bestritten.
Laufen soll der Block bis 2035, dann hat er technisch gesehen sein Ende erreicht. Für die überregionale Systemrelevanz ist er aber nur bis etwa 2028 nötig, bis die dann fertiggestellte Stromtrasse Südlink einspringt. Aber für die Wärmeversorgung der Stadt werde das Kraftwerk noch gebraucht, bis genügend Geothermie-Anlagen errichtet sind. Und damit rechnet Braun erst in den Dreißigerjahren.
In diesem Kontext versicherte er, die Betriebsstunden des Blocks sukzessive zu verringern, sodass auch CO₂-Emissionen reduziert würden. Bis 2028 wird mit Einsparungen von insgesamt einer Million Tonnen Kohlendioxid kalkuliert, in den Jahren bis zur Abschaltung 2035 mit weiteren 1,24 Millionen Tonnen. Kritiker befürchten, dass bei einer Vollauslastung mit Gas bis 2035 viermal so viele Emissionen entstehen könnten wie bei einer beschränkten Kohlenutzung bis 2028, dem Ende der Systemrelevanz für die Stromerzeugung.
Aus Brauns Erläuterungen war noch herauszuhören, dass die Stadtwerke die Einnahmen aus dem Stromverkauf auch bräuchten, um die Energiewende zu finanzieren. Dafür müssten die SWM bis 2040 rund 6,5 Milliarden Euro aufbringen. Alles in allem waren Brauns und Bienieks Ausführungen sehr techniklastig und wohl nur nachzuvollziehen, wenn man wie Dominik Krause ein Physikstudium abgeschlossen hat. Die Mitglieder des Klimarats wirkten von all den Zahlen und Fachbegriffen jedenfalls ebenso erschöpft wie die interessierten Gäste der öffentlichen Sitzung. Denen hatte Bürgermeister Krause ausnahmsweise ein Fragerecht gewährt, das aber keiner nutzte. Mehr als gelegentliches Grummeln war jedenfalls nicht zu hören.