Nach Bund-Länder-Beschlüssen:Was die neuen Corona-Regeln für München bedeuten

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Die neuen Corona-Regel wirken sich auf viele Bereiche in der Stadt aus. (Foto: Alessandra Schnellnegger, Catherina Hess, dpa)

Die Gastronomie ist enttäuscht über den verlängerten Teil-Lockdown, Politiker machen Vorschläge für mehr feuerwerksfreie Zonen und Altenheime erhöhen ihre Testkapazitäten. Was sich nun in der Stadt ändert - und was nicht.

Von Thomas Anlauf, Barbara Hordych, Anna Hoben, Jakob Wetzel und Andreas Schubert

Tests in Alten- und Pflegeheimen

Von 1. Dezember an sollen in Alten- und Pflegeheimen je Bewohner 30 Schnelltests pro Monat möglich sein, bislang waren es bis zu 20 Tests. Bei der städtischen Gesellschaft Münchenstift ist deshalb nun ein neues Konzept für Corona-Schnelltests erarbeitet worden. Ziel ist es, dass die Mitarbeiter der Häuser einmal in der Woche getestet werden, die Bewohnerinnen und Bewohner alle zwei Wochen, so sie einem Test einwilligen. Zudem sollen sich künftig auch Besucher der 13 Häuser vor Ort einem Test unterziehen lassen.

Die Herausforderung ist gewaltig: "Das sind etwa 20 000 Schnelltests pro Monat", sagt Münchenstift-Geschäftsführer Sigi Benker. Insgesamt leben in den Häusern von Münchenstift 3000 Menschen, davon sind 2100 pflegebedürftig. Betreut werden die Menschen von 2000 Mitarbeitern. Nach dem neuen Konzept, das voraussichtlich von der zweiten Dezemberwoche an umgesetzt wird, sollen sich künftig die ausgebildeten Pflegefachkräfte selbst testen. "Sie sind auch sehr bereit, das zu tun", sagt Benker. Denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gingen sehr verantwortungsvoll mit der Situation um. Wenn möglich, sollen nun die Hausärzte der Bewohner ihre Patienten testen, außerdem sucht Münchenstift zusätzlich Medizinstudenten, die bereits ihr Physikum haben, die ebenfalls als Tester eingesetzt werden könnten, damit das Hauspersonal entlastet wird.

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Unterdessen musste das Haus St. Maria Ramersdorf wegen Corona-Infektionen für Besucher geschlossen werden. "Dort sind alle Wohnbereiche betroffen", sagt Benker. Bereits seit Beginn der zweiten Pandemiewelle gebe es in allen Häusern immer wieder infizierte Mitarbeiter und Bewohner. In der Regel würden die Erkrankungen bei den Bewohnern allerdings "nicht so schwer verlaufen", bislang habe es "sehr sehr wenige Todesfälle" gegeben. Von den 2000 Mitarbeitern der Münchenstift befinden sich derzeit 40 in Quarantäne. Thomas Anlauf

Auftrittsverbot im Circus Krone

"Wir sind natürlich verzweifelt über die neuen Regelungen, die jetzt bekannt gegeben wurden", sagt die Krone-Chefin Jana Mandana Lacey-Krone. "Eigentlich hatten wir an diesem Wochenende mit unserem kleinen Open-Air-Weihnachtsmarkt auf unserem Gut in Weßling starten wollen. Wir hatten ein Hygienekonzept erarbeitet und dem Kreis Starnberg vorgelegt und alle Vorkehrungen dafür getroffen, dass die Besucher auf gekennzeichneten Wegen gut aneinander vorbeigekommen wären. Niemand wäre bei uns so unkontrolliert herumgelaufen wie beispielsweise in der Münchner Innenstadt."

In knapp vier Wochen erwarten sie und ihr Mann Martin Lacey das zweite Kind, "es soll tatsächlich an Weihnachten kommen". Gewissermaßen pünktlich zur feierlichen Eröffnung der Winterspielzeit im festen Stammsitz des Circus Krone an der Marsstraße, die traditionell am ersten Feiertag stattfindet. "Aber jetzt fällt die Premiere erst einmal aus", sagt die Direktorin. Dabei hatte man sich auch hier gut vorbereitet und Plexiglasscheiben installiert, einerlei ob vor 200 oder 50 Besuchern hätte gespielt werden dürfen. "Wir haben das neue Programm vernünftig zusammengestellt; nur Künstler und Artisten engagiert, die keine weite Anreise haben, möglichst aus Deutschland kommen. Dazu wollten wir auch jungen Künstlern, Absolventen von der Berliner Artistenschule Berlin, die dieses Jahr nirgendwo auftreten konnten, eine Chance bieten", sagt Lacey-Krone.

Aber sie zeigt auch Verständnis für die Lage der Politiker in dieser Ausnahmesituation. "Man merkt ja, wie schwer ihnen die Entscheidungen fallen, wie sie mit den Regelungen und Verboten ringen." Trotz der Enttäuschung betont die Zirkusdirektorin: "Wir bleiben flexibel. Wir haben immerhin den Vorteil, dass wir hier in München unser eigenes Haus, unsere eigene Spielstätte haben und nicht wie andere Veranstalter extra Bühnen anmieten müssen." Auch wenn sie es als "nervenaufreibend" empfinde, alle Tickets, die vom Frühjahr auf die Winterspielzeit umgebucht wurden, jetzt noch ein zweites Mal umtauschen zu müssen. "Sobald sich etwas an den Bestimmungen ändert und wir grünes Licht erhalten, können wir loslegen". Die Gefahr, dass ihnen die Artisten wegliefen, weil sie anderswo engagiert würden, bestehe eher nicht. Barbara Hordych

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Diskussion ums Feuerwerk

Vergangene Woche erst hatten Stadträtinnen und Stadträte lebhaft über die Silvester-Böllerei debattiert. Eigentlich wollen fast alle Fraktionen das Gleiche, zeigte sich da - und zwar unabhängig von der Corona-Pandemie: eine deutliche Einschränkung von Privatfeuerwerken, nicht nur in der Innenstadt, sondern auch an sensiblen Orten wie etwa rund um den Tierpark. Das sei aber rechtlich nicht möglich, hieß es aus dem Kreisverwaltungsreferat. Es sollte deshalb bei den Einschränkungen vom Jahreswechsel 2019/2020 bleiben: Damals herrschte in der Fußgängerzone ein absolutes Feuerwerksverbot, zudem gab es ein Böllerverbot in der Umweltzone innerhalb des Mittleren Rings.

Der Bund-Länder-Beschluss vom Mittwoch blättert dieses Thema nun noch einmal auf. Darin wird den Bürgern empfohlen, auf Feuerwerke zu verzichten. Auf belebten Plätzen und Straßen soll die Verwendung von Pyrotechnik verboten werden, damit sich keine größeren Gruppen bilden. Es komme nun darauf an, bis wann der Freistaat die Beschlüsse in eine Landesverordnung umsetze, sagt eine Sprecherin des KVR. Sobald die Rechtsgrundlage da sei, werde man mit dem Referat für Gesundheit und Umwelt besprechen, welche Maßnahmen man ergreifen wolle. Sprich: ob die Regelungen vom vergangenen Jahr erweitert werden.

Die Fraktion ÖDP/Freie Wähler forderte am Donnerstag die Stadt auf, auch alle Orte mit mehr als dreistöckiger Bebauung außerhalb des Mittleren Rings als "belebt" und folglich böllerfrei zu definieren. Die CSU schlug indes vor, die besten Szenen aus früheren "Sommernachtstraum"-Feuerwerken im Olympiapark auf der Webseite muenchen.de zu veröffentlichen. Ein virtuelles Feuerwerk sei "eine schöne Alternative für alle, die es sich daheim gemütlich machen und trotzdem nicht auf den Anblick bunter Raketen verzichten wollen", so Fraktionschef Manuel Pretzl. Anna Hoben

Beschränkungen im Einzelhandel

Wer mit dem Auto zum Einkaufen fährt, muss künftig auch auf dem Parkplatz eines Ladens eine Maske tragen. In der Münchner Innenstadt bleibt in der Fußgängerzone das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes weiterhin Pflicht. Zudem gilt: In kleineren Läden bis 800 Quadratmeter Fläche darf sich auf zehn Quadratmetern nur noch ein Kunde aufhalten. In den größeren Geschäften sind es 20 Quadratmeter. Aber: Die 20-Quadratmeter-Regel greift nur für die Fläche, die über den 800 liegt. Sonst hätte beispielsweise ein Laden mit 1000 Quadratmetern Fläche nur 50 Kunden aufnehmen dürfen, einer mit 800 aber 80.

Wolfgang Fischer vom Gewerbeverband Citypartner hält diese Regel noch für vernünftig. "Jeder Kunde, der reinkann, ist wichtig", sagt er. Was natürlich fehle, sei die Gastronomie. "Kein Mensch geht ausschließlich fünf Stunden einkaufen", sagt Fischer. Man setze sich dann eben zwischendurch mal in ein Café. Die Lust, Shopping mit einer Einkehr zu verbinden, wird wohl auch nicht der Online-Christkindlmarkt ersetzen, den die Stadt München auf ihrer Homepage christkindlmarkt-muenchen.de anbietet. Doch immerhin können dort Schausteller, denen sonst das komplette Geschäft weggebrochen wäre, ihre übliche Ware anbieten, die es ansonsten am Stand auf dem Marienplatz gegeben hätte. Man bekommt sogar Glühwein nach Hause geliefert.

Sportgeschäfte könnten von Corona in diesem Winter gleich doppelt betroffen sein. Sollten die Ski-Gebiete wirklich komplett bis nach den Weihnachtsferien geschlossen werden, wie es unter anderem Söder fordert, fiele das Geschäft mit der Ski-Ausrüstung schon mal weg. Flori Schuster, Inhaber des gleichnamigen Sporthauses, verweist darauf, dass die Gondelbetreiber durchaus Hygienekonzepte vorgelegt hätten, um ein zweites Ischgl zu verhindern. Er ist überzeugt, dass ein gefahrloser Ski-Urlaub möglich ist. Sollte es zu riskanten Situationen kommen, müsse man eben eingreifen. "Das machen wir im Laden ja auch, wenn es zu dicht wird." Dass in der Innenstadt an bestimmten Orten wie dem Rindermarktbrunnen oder am Wedekindplatz in Schwabing zuweilen die Menschen ohne Maske dicht an dicht stehen oder sitzen, dagegen müsste seiner Ansicht nach auch konsequenter vorgegangen werden. Andreas Schubert

Gastronomie bleibt zu

Ein nettes kleines, liebevoll eingerichtetes Café betreibt Anja Eichler in der Thalkirchner Straße im Schlachthofviertel. Waren von den zehn Plätzen im Café Sweetmeat wegen der Abstandsregeln bereits fünf weggefallen, so darf sie jetzt gar keine Gäste mehr bewirten. Doch sie habe Glück, sagt Eichler, dass sie auch einen kleinen Einzelhandel habe, in dem sie etwa Essen und Kaffee zum Mitnehmen anbieten kann. Die Gastronomie ist zwar erst einmal offiziell nur bis 20. Dezember geschlossen, doch ob sie danach wieder öffnen darf und wenn ja, für wie lange, weiß aktuell noch niemand. Es sei schwierig, sagt Eichler, in so einer Situation das Personal bei der Stange zu halten. Immerhin hatte sie das Glück, dass ihr der Vermieter entgegengekommen ist und die Miete reduziert hat.

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Hoteliers und Wirte sorgen sich, dass sie länger schließen müssen - und damit fiele das immens wichtige Weihnachtsgeschäft ins Wasser.

So geht es bei weitem nicht allen, wie Christian Schottenhamel, Wirt des Paulaner am Nockherberg und Münchner Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, berichtet. Viele Betriebe bekämen nur eine Stundung ihrer Mieten, was nichts anderes bedeutet, dass sie immer mehr Schulden anhäuften. Dies sei ein "Tod auf Raten", sagt Schottenhamel. "Man kann nur etwas nachzahlen, wenn man mehr Umsatz gemacht hat."

Auch die meisten Brauereien signalisierten momentan keinerlei finanzielles Entgegenkommen, bedauert er. Deshalb sei es wichtig, dass die sogenannten Novemberhilfen rasch ausgezahlt werden. Das sind 75 Prozent des durchschnittlichen Wochenumsatzes vom November 2019 oder, wenn es den Betrieb zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab, der durchschnittliche Wochenumsatz vom Oktober 2020 oder seit Gründung. "Mitte Dezember muss das da sein." Dann müsse es ebenso bald Hilfen für den entgangenen Umsatz vom Dezember geben. Dass viele Lokale ein To-Go-Angebot hätten, sei oft nichts anderes als Selbstbeschäftigung, weil das finanziell wenig bringe. Denn die Fixkosten wie Miete, Strom oder Versicherung würden weiterhin abgebucht.

Was die Gastronomie vor allem umtreibt, ist laut Schottenhamel die fehlende Planungssicherheit und eine langfristige Perspektive. "Das ist ein unerträglicher Schwebezustand", sagt der Nockherberg-Wirt. Viele befürchteten, dass sie über Weihnachten eine Woche offen haben dürfen und dann gleich wieder zusperren müssen. Und dafür müsste man eigens das Personal aus der Kurzarbeit holen, das dann womöglich nur über die Feiertage arbeiten darf. Andreas Schubert

Abwarten bei den Schulen

An den Münchner Schulen ändert sich zunächst nichts. Doch ob das so bleibt, ist unklar: Eltern, Kinder und Lehrkräfte müssen in den nächsten Tagen weiterhin auf die Infektionszahlen schielen. Bund und Länder haben sich auf einen neuen Schwellenwert von 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche geeinigt, der Freistaat hat diesen am Donnerstag bekräftigt. Ist dieser Wert überschritten, werden die Schulen zwar nicht komplett geschlossen, es soll aber Wechsel- oder sogenannten Hybrid-Unterricht geben, die Schülerinnen und Schüler sollen also abwechselnd in die Schulen kommen und zu Hause arbeiten oder - im "hybriden" Fall - dem Unterricht abwechselnd virtuell von zuhause aus folgen. An vielen Schulen wurden die Klassen dazu längst in Gruppen eingeteilt.

Derzeit liegt das Infektionsgeschehen in München unter dem Wert von 200, aber nur knapp: Am Donnerstag lag die Inzidenz laut Robert-Koch-Institut bei 184,1, die Tendenz ist unklar. Seit Mitte November schwankt sie in München auf hohem Niveau, an sieben Tagen lag sie bereits über 200. Was geschieht, wenn die Stadt diese Schwelle erneut überschreitet, ist erst in allen Details klar, wenn der Freistaat die neuen Regeln in eine gültige Rechtsverordnung gegossen hat. Erst dann weiß die Stadt, ob bei einer Inzidenz jenseits der 200 automatisch Wechselunterricht gilt oder sie und ihr Gesundheitsamt Spielraum haben.

Am Donnerstag waren in München 93 Kitas sowie 229 Schulen, Tagesheime und Horte von Corona-Infektionen betroffen. Zehn Kitas waren komplett geschlossen, in den übrigen einzelne Gruppen, meist jeweils eine. 377 von 6491 Schulklassen durften nicht in die Schulen kommen; damit hatten 8676 von insgesamt 174 513 Schülerinnen und Schülern keinen Präsenzunterricht. Laut Bildungsreferat sind aktuell 306 Schülerinnen und Schüler sowie 13 Schulmitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert. Jakob Wetzel

© SZ vom 27.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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