Flughafen München:Zwang zu "Geisterflügen"

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Dass Airlines Flugzeuge ganz oder fast leer starten lassen, um ihre Slots zu behalten, kann man beim Bürgerverein Freising "nicht nachvollziehen". (Foto: Marco Einfeldt)

Airlines müssen Flugzeuge ganz oder fast leer starten lassen, um ihre Slots nicht zu gefährden. Der Bürgerverein Freising startet deshalb eine Postkartenaktion an den Landtag. Die Flughafen München GmbH sieht keine Hinweise auf überflüssige Einsätze im Luftverkehr.

Von Petra Schnirch, Freising

Es ist ein Thema, das den Bürgerverein Freising schon länger beschäftigt. Dass Airlines ihre Flugzeuge ganz oder fast leer starten lassen müssen, um ihre Slots nicht zu gefährden, "können wir nicht nachvollziehen", sagt Vorsitzender Reinhard Kendlbacher. "Wir sind sehr verärgert." Seit Jahren kämpft der Verein für eine Reduzierung der Ultrafeinstaub-Belastung im Flughafenumland. Für eigentlich nicht notwendige Starts und Landungen hat er deshalb kein Verständnis. Die nächste Postkartenaktion an die Mitglieder des Landtags soll das Problem aufgreifen.

Derzeit sei man dabei zu ermitteln, wie hoch der Anteil solcher Flüge am Flughafen München in etwa ist, sagt Kendlbacher. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hatte am 26. Dezember in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung angekündigt, die Fluggesellschaft müsse im Winter 18 000 "zusätzliche, unnötige Flüge durchführen", nur um ihre Start-und-Lande-Rechte zu sichern. Konkrete Zahlen für den Münchner Airport nannte die Lufthansa auf Anfrage keine.

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Grünen-Landtagsabgeordneter Johannes Becher hat dazu eine Anfrage an die Staatsregierung gestellt. Er will wissen, wie viele solcher Leerflüge an den Flughäfen München und Nürnberg vorgesehen seien und "in welcher Form sich die Staatsregierung dafür eingesetzt hat, Ausnahmen bei der Slot-Vergabe zu erlassen, um Leerflüge vermeiden zu können", schreibt Becher auf seiner Homepage. Auch der Bürgerverein will mit seiner Postkartenaktion erreichen, dass die Staatsregierung in dieser Sache Druck macht.

Denn angepackt werden müsste das Problem auf anderer Ebene. Eine EU-Regelung schreibt vor, dass die Airlines mindestens 80 Prozent ihrer Slots, ihrer Zeitfenster, an den Flughäfen nutzen müssen, sonst verfallen ihre Ansprüche und die Rechte werden neu vergeben. Dies soll den Wettbewerb fördern. Aufgrund der Einbrüche im Flugverkehr durch die Corona-Krise war die EU den Fluggesellschaften schon so weit entgegen gekommen, dass sie bis zum Ende des Winterflugplans nur 50 Prozent ihrer Slots in Anspruch nehmen müssen. Offenbar reicht das noch nicht.

"Viele Tausend unnötige Flüge" wären vermeidbar

Der Lufthansa-Konzern hat im Winterflugplan zehn Prozent der Flüge, etwa 33 000 an der Zahl, gestrichen. 2021 hatten Flugbewegungen und Passagierzahlen bis Oktober stetig zugelegt, dann aber stiegen die Corona-Fallzahlen in zahlreichen Ländern wieder. Wegen der geringen Nachfrage im Januar wären laut Spohr weitere Reduzierungen erforderlich. Mit einer entsprechenden Anpassung der Ausnahmeregelung im laufenden Winterflugplan "könnten viele Tausend unnötige Flüge in Europa vermieden werden", sagt eine Sprecherin der Lufthansa Group.

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Der Luftverkehr habe sich nach wie vor nicht normalisiert. Aufgrund der Entwicklung neuer Virusvarianten und den daraus folgenden Reiserestriktionen bleibe die Situation sehr volatil. "Andere Regionen der Welt gehen hier pragmatischer vor, indem sie zum Beispiel die Slotregeln pandemiebedingt temporär aussetzen. Das nutzt Klima und Airlines," so die Sprecherin weiter.

Die Entscheidung der EU-Kommission für die Sommersaison eine Mindestgrenze von 64 Prozent anzusetzen, hält die Lufthansa zum derzeitigen Stand dagegen für angemessen. Im Übrigen weist der Konzern darauf hin, dass man nicht mit leeren Maschinen fliege, sondern mit Flugzeugen, die pandemiebedingt schlecht ausgelastet sind. Dies sei aufgrund der aktuellen Regelung zur Sicherung von Start- und Landerechten notwendig.

Flughafen hat keine Hinweise auf vermehrte Leerflüge

Die Flughafen München GmbH teilt mit, dass sie keine Hinweise darauf hat, dass es derzeit am Münchner Flughafen vermehrt zu Leerflügen aus den genannten Gründen komme. "Natürlich liegt die Vermeidung von unnötigen Flügen jetzt wie auch künftig im Interesse aller Luftverkehrspartner", sagt Sprecher Ingo Anspach. "Nach unserer Kenntnis diskutiert die EU-Kommission die geltenden Regularien der Slotvergabe vor dem Hintergrund der anhaltenden pandemiebedingten Krise aktuell mit den zuständigen Ministerien der Mitgliedsstaaten und den Luftverkehrsverbänden." Dem wolle man nicht vorgreifen.

MdL Becher fordert, dringend nachzubessern. Darüber hinaus setzt er sich für eine grundlegende Reform des Systems zur Vergabe der Start- und Landerechte ein. Schon früher sei das nicht tragbar gewesen, in der aktuellen Situation umso weniger. Die sogenannten Großvaterrechte dienten vor allem den großen Airlines als Schutz gegen den Wettbewerb. Ziel müsse es sein, den Flugverkehr "so effizient und damit klimagerecht wie möglich zu gestalten".

© SZ vom 15.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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