Event:Die Szene verändert sich

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Die Schwedin Liv Strömquist ist mit ihren feministischen Comics äußerst erfolgreich und so etwas wie der Superstar des diesjährigen Comicsalons. (Foto: Liv Strömquist / avant-verlag)

Nach vier Jahren und einer erzwungenen Corona-Pause präsentiert sich der Internationale Comic-Salon in Erlangen so weiblich und divers wie nie.

Von Jürgen Moises , Erlangen

Als Hergés " Tim im Kongo" 1930 und 1931 als Fortsetzungsgeschichte herauskam, entwickelte sich der Comic schnell zum Publikumserfolg. In den Fünfzigern warf man dem belgischen Zeichner dann eine rassistische und kolonialistische Darstellung vor, und auch heute noch ist dieses frühe Abenteuer von Tim und Struppi umstritten. Zumindest zum Teil könnte man Hergés Comic als Kind der Zeit sehen. Er zeigt aber zugleich eurozentristische Fallstricke auf, welche etwa auch die Macher des Comic-Salons Erlangen jahrelang davon abhielten, etwas über die Comic-Szene in Afrika zu machen. Nun ist mit " Populäre Bilder" doch eine Ausstellung mit Comics aus Afrika in Erlangen zu sehen. Zehn Künstler aus Kinshasa, Lubumbashi und der kongolesischen Diaspora sind darin vertreten. Und sie alle werden auch zu Gast beim Comic-Salon sein, der vom 16. bis 19. Juni stattfindet.

Zu verdanken ist das einer glücklichen Fügung, wie Annika Gloystein vom Comic-Salon am Telefon erzählt. Denn ein Kollege war vor ein paar Jahren in Kinshasa und lernte dort Christ Mukenge und Lydia Schellhammer kennen, welche die Ausstellung kuratiert haben. Darin und parallel auf dem Blog popularimages.org bekommt man Comics zu sehen, welche in der Demokratischen Republik Kongo oft einfach auf der Straße verkauft werden. Das heißt, selbst wahre Comic-Freaks dürften hier noch Neues lernen. Wie etwa, dass es bereits seit mehr als 70 Jahren Comics im Kongo gibt. Ansonsten wartet auf die Besucher mit mehr als 400 Künstlern ein großes, buntes Programm, das nach der Corona-Pause vor zwei Jahren so "weiblich, so divers und interkulturell" wie nie ist. Bewusst geplant habe man das nicht, sagt Gloystein. Vielmehr zeige das, dass die Szene "immer weiblicher wird" und sich auch sonst immer mehr verändert.

Die ehemalige Charlie-Hebdo-Zeichnerin Catherine Meurisse setzt sich in "Nami und das Meer" mit Japan auseinander. (Foto: Catherine Meurisse, Dargaud 2021, Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2022)

Geändert hat sich auch der Ort der zentralen Comic-Messe. Das war schon vor vier Jahren so, als die Heinrich-Lades-Halle wegen Sanierung geschlossen war und man in Messezelte auf dem Schlossplatz und im Schlossgarten auswich. Das wird auch dieses Jahr so sein, aber nun deswegen, weil die neuen Standorte und Zelte so gut ankamen. "Die Stadt atmet richtig Comic", hätten, so Gloystein, damals nicht wenige gesagt. An Orten wie dem Kunstpalais ist man dort auf jeden Fall nah dran, wo Ausstellungen von Liv Strömquist und LuYang laufen. Die Schwedin Strömquist ist so etwas wie der Superstar in diesem Jahr. Mit ihren feministischen Comics gehört sie zu den Bestsellern der Branche. Und sie wird auch zu einem Gespräch, bei zwei Empfängen und zum Signieren anwesend sein. LuYang ist ein non-binärer Künstler aus Shanghai, der auf überdrehte Art Virtual Reality, Animation und Games zusammenführt und in der Kunstwelt groß durchstartet. Auf der Biennale in Venedig ist aktuell ein Film von LuYang zu sehen, der auch in Erlangen gezeigt wird.

Mit Catherine Meurisse ist eine der bekanntesten Comic-Zeichnerinnen aus Frankreich mit einer Ausstellung im Kunstmuseum vertreten. Vor kurzem kam " Nami und das Meer" von ihr heraus, worin sich die ehemalige Charlie-Hebdo-Zeichnerin mit Japan auseinandersetzt. Ebenfalls im Kunstmuseum wird der "Graphic Novel Godfather" Will Eisner mit einer Retrospektive gewürdigt, die vom Schauraum: comic + cartoon in Dortmund konzipiert und von dort übernommen wurde. Im Redoutensaal wird die Ausstellung " Vorbilder*innen - Feminismus in Comic und Illustration" gezeigt, die im letzten Jahr auch auf dem Comicfestival in München lief. Zu den darin vertretenen 30 Künstlerinnen gehört die in München geborene und in Ostafrika aufgewachsene Birgit Weyhe, die im Redoutensaal auch eine eigene Ausstellung hat. In Arbeiten wie "Rude Girl" setzt sich Weyhe mit Themen wie schwarzem Empowerment auseinander.

Klassiker: Der "Graphic Novel Godfather" Will Eisner wird mit einer Retrospektive geehrt. (Foto: 2022 Will Eisner Studio Inc.)

Der anspruchsvollen Aufgabe, die Erinnerungen von vier Holocaust-Überlenden grafisch zu rekonstruieren, haben sich Miriam Libicki aus Kanada, Gilad Seliktar aus Israel und Barbara Yelin aus München gewidmet. Das Ergebnis heißt "Aber ich lebe" und kommt am 14. Juli als Buch heraus. Im Stadtmuseum gibt es im Vorfeld und bis zum 28. August Originalzeichnungen, Skizzen sowie Archivmaterial zu sehen. Hinzu kommen Gespräche, an denen per Video auch der 94-jährige David Schaffer aus Vancouver teilnimmt. Der Ukraine-Krieg ist in Erlangen ebenfalls Thema. Im Klimaschaufenster werden Bilder von der vom Pictoric Illustrators Club betriebenen Webseite www.supportukraine-pic.com gezeigt. Außerdem sind mit Romana Ruban und Anna Sarvira zwei im Exil lebende ukrainische Illustratorinnen zu Gast.

Die Max und Moritz-Preise werden in diesem Jahr natürlich ebenfalls verliehen. Die von Hella von Sinnen und Christian Gasser moderierte Gala findet am 17. Juni im Markgrafentheater statt. Der Preis für das Lebenswerk etwa geht an den Manga-Zeichner Naoki Urasawa, der wegen der strengen Corona-Regeln in Japan leider nicht anreisen kann. Was Erlangen angeht, gibt es in Uni-Gebäuden wie dem Schloss oder der Orangerie Maskenpflicht und an engen Orten wie der Messe dafür zumindest eine Empfehlung. Und wenn man selbst nicht anreisen kann? Vielleicht weil man zur parallel eröffnenden Documenta fahren will, wo in diesem Jahr mit Nino Bulling und Safdar Ahmed ebenfalls zwei Comic-Künstler vertreten sind? Dann kann man sich erstmals via Mail eine Salon-Agentin buchen und sich von ihr per Videocall eine Ausstellung zeigen oder auch ein Buch signieren lassen. Eine schöne Idee, der persönliche Besuch ist natürlich trotzdem die bessere Wahl. Außerdem läuft die Documenta ja viel länger.

Comic-Salon Erlangen, 16. bis 19. Juni, www.comic-salon.de

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