SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 131:Mit K.-o.-Tropfen auf der Intensivstation

Lesezeit: 2 Min.

Immer wieder kommt es vor, dass vor allem Frauen im Nachtleben heimlich Drogen in ihre Getränke gemischt werden - mit schwerwiegenden Folgen. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Pola Gülberg versorgt eine junge Patientin, die auf einer Party unwissentlich unter Drogen gesetzt wurde - doch alle Drogentests fallen negativ aus. Eine Vorerkrankung des minderjährigen Mädchens macht es noch schwieriger, den Fall zu klären.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Als ich der jungen Patientin - sie war noch nicht einmal volljährig - mit einer medizinischen Untersuchungslampe in die Augen geleuchtet habe, blickte ich in riesige Pupillen. Eigentlich hätten die Pupillen mittelweit geöffnet sein und sich unter dem Lichtreiz schnell etwas enger zusammenziehen müssen. Stattdessen war die Iris allenfalls einen Millimeter rundherum zu erkennen und die Pupillen reagierten nur langsam. Ohne jeden Zweifel war klar: Hier stimmte etwas nicht.

Das Mädchen war zuvor auf einer Party gewesen, als sie auf einmal zusammengebrochen und kaum mehr ansprechbar war. Ihre Freunde haben sofort den Rettungsdienst verständigt - und auch die Polizei. Denn an der Flasche, aus der ihre Freundin getrunken hatte, sind ihnen weiße Pulverrückstände aufgefallen. Der Verdacht: Jemand hat unserer Patientin etwas ins Getränk gemischt und sie damit ohne ihr Wissen unter Drogen gesetzt.

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Schon in der Notaufnahme haben die behandelnden Ärzte einen Drogenschnelltest bei der Patientin vorgenommen. Auch Blut wurde bei ihr abgenommen für ein ausführlicheres Drogenscreening. Das jedoch kann in unserer Kreisklinik nicht ausgewertet werden, dafür braucht es ein Speziallabor. Es war mitten in der Nacht an einem Wochenende - so schnell würden wir also keine Ergebnisse erhalten.

Die Resultate der Schnelltests waren alle negativ. Amphetamine, THC, LSD, Methadon, Barbiturate - eine Gruppe von Schlafmitteln -, nirgends schlug der Test an. Blieb noch der Verdacht auf Ketamin, das kommt in der Anästhesie zu Narkosezwecken zum Einsatz, ist aber ebenso als Partydroge bekannt. Doch viel häufiger haut es die Leute einfach um, sie bekommen Albträume oder sogar Horrortrips. Aber auch hier: negativ.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Erschwerend kam zu der bitteren Erkenntnis, dass wir bislang nicht genau wussten, womit wir es eigentlich zu tun haben, eine Vorerkrankung der jungen Patientin: Sie war Epileptikerin. Eigentlich war die Erwartung, dass sie nach einer Nacht an unseren Überwachungsmonitoren, in der sie den Rausch ausschlafen konnte, allmählich wieder fit sein müsste. Doch das war nicht der Fall. Es lag nahe, dass das in Zusammenhang mit der Epilepsie stand - möglicherweise hat die unbekannte Droge zu Wechselwirkungen mit ihren Epilepsie-Medikamenten geführt. Immer wieder klagte das Mädchen über das Gefühl, dass ihr ganzer Körper taub wurde und wenn sie aufstehen wollte, klappte sie plötzlich zusammen und war nicht mehr ansprechbar - ein Krampfanfall.

Als sie schließlich mit dem dringenden Rat entlassen wurde, ihre Medikamentendosis unbedingt mit ihrem Facharzt abzuklären, hinterließ das bei meinen Kollegen und mir ein unbefriedigendes Gefühl. Über das ganze Wochenende hinweg haben wir in jeder ruhigen Minute Bücher aufgeschlagen in der Hoffnung, auf etwas zu stoßen, das ihren Zustand erklärte - wir sind nun einmal nicht auf neurologische Fälle spezialisiert. Doch wir fanden nichts. Manchmal denke ich auch jetzt noch an die junge Patientin und hoffe, dass es ihr heute wieder vollständig gut geht.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 39-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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