SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 66:Nicht mal zur Hochzeit meiner Schwester!

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Monate im Voraus hat Pola Gülberg darum gebeten, am Hochzeitstag ihrer Schwester frei zu bekommen - ihrem ehemaligen Chef war das egal. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Einst hatte Pola Gülberg einen Chef, der sie trotz vorheriger Ankündigung an dem Tag zum Dienst einteilte, an dem ihre Schwester heiratete. Ein solches Verhalten ist laut der Pflegerin Gift für das Team - und kann zu unguten Konsequenzen führen.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Vor vielen Jahren, als ich einige Jahre nicht in der Ebersberger Kreisklinik gearbeitet habe, bin ich an meinen damaligen Chef herangetreten und habe darum gebeten, an einem bestimmten Wochenende frei zu haben - das Hochzeitswochenende meiner Schwester. Monate im Voraus habe ich mich deshalb an meinen Chef gewandt. Als er den entsprechenden Dienstplan schließlich verteilte, staunte ich nicht schlecht: Genau an diesem einen Wochenende sollte ich arbeiten.

Immer wieder gab es Situationen, in denen wir als Team gemerkt haben, dass die Wünsche von uns Pflegekräften bei unserem Chef keine Rolle spielen. Mehr noch: Wir bekamen Dienstpläne, die kein vernünftiger Mensch für akzeptabel halten kann. So sah der Plan auch vor, dass ich in einem Monat an drei einzelnen Tagen frei haben sollte - so etwas passierte nicht nur einmal.

Auf der Ebersberger Intensivstation ist es komplett anders. Unsere Bereichsleitung berücksichtigt unsere Wünsche so gut es möglich ist. Bei 60 Pflegekräften im Team ist das alles andere als eine leichte Aufgabe. Es wird offen kommuniziert, wenn es beispielsweise in einem Monat besonders schwierig ist, allen Vorlieben gerecht zu werden.

Für mich ist das ein Zeichen von Wertschätzung und Respekt uns gegenüber. Das schafft ein gutes Klima im Team - und das fördert die Motivation.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Motivation ist in jedem Beruf wichtig, um gute Arbeit zu leisten - klar. Und sie ist nicht sofort vorhanden, nur weil ein guter Chef da ist. Aber eine gute Teamleitung ist die Grundvoraussetzung für ein motivierendes Arbeitsklima. So wollten bei meiner früheren Arbeitsstelle schon bald beinahe alle nachts arbeiten, dann war unser Chef nicht im Haus. Das klappte natürlich nicht, deshalb verließen immer mehr unser Team - auch ich.

Auf der Intensivstation nun ist kaum Fluktuation vorhanden. Diejenigen, die den Job aufgeben, ziehen meistens in eine andere Stadt, weil zum Beispiel der Partner dort einen neue Arbeit antritt. Oder sie kündigen aus anderen familiären Gründen. Aber eben nicht, weil das Team durch die Leitung zerrüttet ist.

Eine gute Pflege steht und fällt mit einem guten Chef. Natürlich lässt niemand von uns seinen Frust über die Arbeit an Patienten aus - so etwas würde mir im Traum nicht einfallen. Aber aufgrund des Fachkräftemangels ist es für uns relativ einfach, einen anderen Job in der Pflege zu finden. Wegen Unterbesetzung und ständigem Personalwechsel könnte dann trotzdem die Versorgungsqualität leiden. Deshalb tut jede Bereichsleitung sehr gut daran, mit jedem einzelnen Teammitglied wertschätzend umzugehen und offen zu kommunizieren - so wie es bei der Ebersberger Intensivstation der Fall ist.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 38-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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