Brandbekämpfung im Gebirge:Mit Hacke und Helikopter gegen die Flammen

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Löschhubschrauber im Einsatz, hier im Berchtesgadener Land. (Foto: imago stock&people/imago/blickwinkel)

Mit dem fortschreitenden Klimawandel wird wohl auch die Zahl der Waldbrände in Bayerns Bergen steigen. Der Freistaat steckt viel Geld in Ausrüstung und Ausbildung von Polizei und Feuerwehren. Doch am besten ist es, wenn löscht, wer schon droben ist.

Von Matthias Köpf, Aschau im Chiemgau

Beinahe hätte es Sebastian Pertl selbst erwischt. Der Wast, wie ihn hier in Sachrang alle nennen, erinnert sich gut, wie sie an einem Samstag auf seiner Alm droben am Geigelstein gesessen seien und eine habe gesagt, da brenne es doch. Da hätten sie noch gelacht, das sei doch gleich erledigt. Am Montag dann der Alarm, Waldbrand am Geigelstein, und Pertl mittendrin als Einsatzleiter der Bergwacht und als Besitzer der Alm. Es hätte nicht viel gefehlt, und die Leitstelle in Rosenheim hätte das volle Programm aufgeboten: Großeinsatz für die Feuerwehren ringsum, Katastrophenalarm, Löschtanks und Hubschrauber aus halb Bayern und aus dem nahen Österreich, so wie vor fünf Jahren nur zehn Kilometer weiter am Schwarzenberg bei Kiefersfelden.

Gegen Hubschrauber und Großeinsätze hat hier niemand was, ganz im Gegenteil: Wenn es sein muss, dann muss es eben sein - siehe Schwarzenberg, wo 2018 Hunderte Einsatzkräfte und neun Helikopter vier Tage lang gegen den Waldbrand ankämpften, nachdem ein Blitz in einen Baum an einem Steilhang eingeschlagen war. Der Freistaat hat für solche Fälle kürzlich die beiden ersten von acht neuen, schwereren Polizeihubschraubern übernommen, die auch mehr Löschwasser tragen können. In zwei Jahren sollen alle acht in Dienst gestellt sein, mit Wärmebildkameras und allem drum und dran, für insgesamt 145 Millionen Euro. Doch zugleich werden die Waldbrände häufiger werden in Bayerns Bergen, daran lässt der Waldbrand-Experte Lindon Pronto keinen Zweifel. Und dann muss es vor allem schnell gehen.

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Der vor 34 Jahren in Kalifornien geborene Pronto, der dort sieben Jahre für die Forstbehörde als Firefighter in brennenden Wäldern unterwegs war und später lange Zeit als Berater in der halben Welt, arbeitet inzwischen für das "European Forest Institute" (efi). Dort organisiert er in einem vom Bund geförderten Projekt den internationalen Wissensaustausch über Waldbrände und trainiert Einsatzkräfte. Und die allerersten Einsatzkräfte im Gebirge, das sind eben oft die Almbauern oder Hüttenwirte.

Sebastian Pertl und seine Kollegen waren vor ein paar Tagen wieder am Geigelstein zum Schwenden, zum Zurückschneiden von Büschen und Latschen, damit ihre Almen nicht zuwachsen. Die Äste haben sie droben verbrannt, und das diesmal unter der Anleitung von Lindon Pronto. Sie haben darauf geachtet, das Feuer nicht über Wurzelstöcken zu entzünden, und sie haben mit der Hacke kleine Gräben gezogen um die Feuerstellen, damit nichts den Hang hinunterrollt und damit sich das Feuer nicht untergründig weiterfrisst wie damals auf Pertls Alm. Zum Ablöschen helfen flexible, wie Ruder geformte Feuerpatschen und 20-Liter-Rucksackspritzen. Ein halbes Dutzend solcher Löschsets hat Pronto inzwischen verteilt an die Besitzer von besonders weit abgelegenen Almen hier im Priental.

Vor ein paar Tagen haben die Bauern droben am Geigelstein Latschen zurückgeschnitten, damit ihre Almen nicht langsam zuwachsen. Nach diesem sogenannten Schwenden werden die Äste verbrannt - gleich eine Gelegenheit zum Üben mit der Rucksackspritze. (Foto: Lindon Pronto (oh))

"Wir haben vergessen, wie man mit Feuer umgeht", sagt Pronto drunten im Tal. Der fortschreitende Klimawandel, Hitzewellen, wochenlange Dürreperioden, extreme Wetterlagen - all das lasse die Waldbrandgefahr steigen, und speziell im alpinen Raum würden inzwischen ungefähr doppelt so viele Blitzeinschläge registriert wie vor 40 Jahren. Zugleich hat das Thema für Pronto auch kulturelle Aspekte. So sei es etwa in Deutschland praktisch undenkbar, ein Feuer einfach mal brennen zu lassen, selbst wenn zu erwarten sei, dass es kaum Schaden anrichtet und irgendwann von selbst erlischt.

Pronto erläutert seine Gerätschaften und Konzepte der Sachranger Feuerwehr, die auch seine eigene Dorffeuerwehr ist, denn er lebt seit einigen Jahren im Haus seiner Großmutter in einem nahe gelegenen Weiler. Ins Feuerwehrhaus hat er Jörg Häusler mitgebracht, der 25 Jahre lang bei verschiedenen Berufsfeuerwehren gearbeitet hat und inzwischen hauptamtlicher Katastrophenschutzbeauftragter der bayerischen Bergwacht ist. Häusler erläutert den Beitrag, den die Bergwacht bei Waldbränden nicht nur im Gebirge leisten kann.

Man könne mit geländegängigen Fahrzeugen Menschen und Material heranführen oder schlicht die Verpflegung im Einsatz sicherstellen und den Rettungsdienst für den Notfall, zählt Häusler auf. Man könne seilgesicherte Fluchtwege anlegen und vor allem die einzelnen Feuerwehrleute im steilen Gelände mit feuerbeständigen Seilen sichern. Das Material dazu ist in zwei speziellen Anhängern für den Notfall gebündelt, einem in Murnau und einem in Altötting. Löschen, das bleibe aber allein die Aufgabe der Feuerwehr, betont Häusler ausdrücklich.

Waldbrand-Experte Lindon Pronto, Almbauer und Bergwacht-Mitglied Sebastian Pertl und Feuerwehrmann Thomas Parigger (von links) demonstrieren am Ortsrand von Sachrang das schnelle Bekämpfen eines kleinen Brandherds im Gebirge. (Foto: Matthias Köpf)

Der Grund für solche Beteuerungen sind alte Eifersüchteleien zwischen den Rettungsorganisationen. Manche Verbandsvertreter rangen und ringen um Geld und Gehör bei den zuständigen Behörden und Ministerien, wo es auch Rivalitäten zwischen den jeweiligen Abteilungen gibt. Umso erfreuter zeigen sich Lindon Pronto und Jörg Häusler, dass hier in Sachrang nicht nur Kommandant Stefan Singhartinger und andere örtliche Feuerwehrleute gekommen sind, sondern auch der Rosenheimer Kreisbrandrat Richard Schrank als oberster Feuerwehrler der Region und einige Kreisbrandmeister und -inspektoren.

Hier in Rosenheim hakt es sowieso nicht. Um die dauernden Fehlalarme zu reduzieren, hat der Landkreis schon vor einer Weile ein Online-Portal eingerichtet, über das sich Daxenfeuer wie das nach dem Schwenden am Geigelstein anmelden lassen. Nicht nur an der Basis arbeiten Feuerwehr und Bergwacht hier Hand in Hand, wie anderswo oft auch. Er habe aber auch schon erlebt, dass manche Feuerwehren mit ihm als Bergwachtler schlicht nicht reden wollten, sagt Häusler. Das European Forest Institute hat jedenfalls den Chiemgau als Demonstrationsregion für die Waldbrandbekämpfung im Gebirge ausgesucht, sagt Lindon Pronto, zu den Kooperationspartnern zählen auch die Bergwacht sowie die vom Freistaat zum Kompetenzzentrum für Waldbrandbekämpfung erklärte Feuerwehrschule in Regensburg und die dortige Technische Hochschule.

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