Landespolitik:Ärger über ein Wahlkampfgeschenk

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Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen, lässt durchblicken, dass er über den Zeitpunkt der Wahlrechtsreform unglücklich ist. (Foto: Frank Hoermann/Imago)

Grüne, SPD und FDP im Freistaat schütteln über die Reform des Wahlrechts teils heftig den Kopf: Sie könnte der CSU in Bayern in die Hände spielen.

Von Andreas Glas, München

Eigentlich ist Ludwig Hartmann in die Gaststätte des Landtags gekommen, um über das Wasser zu sprechen. Beim Thema Wasser, überhaupt beim Klimaschutz, befinde sich CSU-Chef Markus Söder "im Schlafwagen", sagt der Fraktionschef der Grünen am Montag. Flüsse renaturieren, Wasserschutzgebiete verdoppeln, zügig ein Wasserentnahmeentgelt einführen, das sind Hartmanns Forderungen. Aber da ist halt auch dieses andere Thema, über das immer noch alle reden: die Wahlrechtsreform. Und da ist die Frage, ob die Berliner Grünen den bayerischen Grünen ausgerechnet im Landtagswahljahr, nun ja, das Wasser abgraben.

Ärgert sich Hartmann über die eigene Bundespartei? "Es gibt etliche Aufgaben, die man zügiger hätte angehen können", sagt er mit Blick auf die Wahlrechtsreform. Man kann das womöglich so übersetzen: "Herrschaftszeiten, warum konnte die Bundesregierung mit ihrer Reform nicht wenigstens warten bis nach der Landtagswahl!" Die von Grünen, SPD und FDP initiierte Reform sieht ja unter anderem vor, dass die CSU bei einer Bundestagswahl künftig alle 46 Direktmandate gewinnen könnte - und trotzdem nicht im Parlament vertreten wäre, falls sie insgesamt an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. "Man versucht, die CSU in ihrer Existenz zu erschüttern und damit Bayern schwächer oder gar mundtot zu machen. Das neue Wahlrecht schwächt ganz Bayern und nicht nur die CSU", findet Markus Söder.

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Was der CSU-Chef beklagt, richtet sich nur vordergründig gegen die Bundesregierung. Söders steile These, dass die Wahlrechtsreform "ganz Bayern" schwäche, zielt vor allem auf SPD, Grüne und FDP im Freistaat. Söder zeichnet schon länger das Bild, dass die bayerischen Ampelparteien quasi fremdgesteuert seien von einer bayernfeindlichen Bundesregierung. Vor diesem Hintergrund ist es gar nicht so überraschend, dass die bayerischen Grünen seltsam still blieben, nachdem die Wahlrechtsreform beschlossen war. Sie kennen Söder ja, und wussten, dass er die Reform gegen sie verwenden würde. Und vermutlich ahnten sie, dass die Reform in Bayern teils auch bei solchen Menschen am Gerechtigkeitsempfinden nagt, die der CSU kritisch gegenüberstehen. Niemand sagt es ganz offen, aber der Ärger der bayerischen Grünen über die Bundespartei ist groß.

Auch in Reihen der SPD-Landtagsfraktion gibt es Stimmen, die sich daran stören, dass die Bundes-SPD eine Wahlrechtsreform zu Ungunsten der CSU mitgetragen hat - aber offenbar nicht die Konsequenzen für die eigenen Leute in Bayern im Blick hatte, wo die CSU den Ampelparteien jetzt erst recht unterstellen wird, dass ihnen die bayerischen Interessen egal seien, und das mitten im Wahlkampf. "Unschön", sagt jemand aus der SPD-Landtagsfraktion, die Genossinnen und Genossen im Bund hätten die Streichung der Grundmandatsklausel vorher mit der Bayern-SPD besprechen müssen.

Ach was, sagt Florian von Brunn, Landes- und Fraktionschef der SPD Bayern. Er sieht "kein Problem" für den Wahlkampf. Nur "eine Debatte, die Politiker und Journalisten führen". Die Menschen fänden "gut, dass der Bundestag verkleinert wird". Letzteres findet natürlich auch Grünen-Fraktionschef Hartmann. Und Martin Hagen, Fraktionschef der FDP. Die Streichung der Grundmandatsklausel beurteilte Hagen aber schon anders, bevor sie der Bundestag beseitigte. "Dass sämtliche CSU-Abgeordnete trotz Mehrheiten in ihren jeweiligen Wahlkreisen aus dem Parlament fliegen", sagte er, "würde dem Willen der bayerischen Wähler widersprechen." Man darf das durchaus auch als Manöver betrachten, mit dem Hagen seine Partei aus der Ecke der Anti-Bayern-Parteien holen möchte, in der Söder auch die FDP gern stellt.

Dass von den Ampelparteien nun immer wieder Vorschläge kommen, beim Wahlrecht nochmal nachzubessern, lässt CSU-Chef Söder kalt. Er fordert, die Reform komplett zu kassieren, andernfalls wird seine Partei klagen. Das Wahlkampfgeschenk, so scheint es, wird Söder nicht wieder hergeben.

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