Landwirtschaft:Ministerien streiten um Veterinärkontrollen

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Auch ein knappes halbes Jahr nach Söders Ankündigung ist der Zuständigkeitswechsel bei Veterinärkontrollen in landwirtschaftlichen Betrieben noch nicht vollzogen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Ministerpräsident Söder hat den Bauern versprochen, dass die Zuständigkeit für den Tierschutz auf den Bauernhöfen von Umweltminister Glauber zu Agrarministerin Kaniber wechselt. Doch die Beamten in den beiden Häusern haben sich bisher nicht einigen können.

Von Christian Sebald

Es ist jetzt fast ein halbes Jahr her, dass Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dem Landtag sein neues Kabinett und die neuen Aufgaben seiner Minister vorgestellt hat. Unter Punkt vier verkündete er: "Die Zuständigkeit für Veterinärkontrollen und den entsprechenden Vollzug in landwirtschaftlichen Betrieben einschließlich des Tierschutzes bei der Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere wechselt vom Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz in das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus. (...) Das Veterinärwesen insgesamt und im Übrigen verbleibt beim Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz."

Nun hat sich herausgestellt, dass der Zuständigkeitswechsel immer noch nicht vollzogen ist. Aber nicht nur das. Die Beamten im Haus von Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) und Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) haben sich in ihren Arbeitsgruppen-Sitzungen dazu offenbar so verhakt, dass der Landesverband der beamteten Tierärzte (LbT), in dem die Amtstierärzte organisiert sind, dieser Tage meldete, die ganze Sache sei "von den politisch Verantwortlichen nun erst mal fallen gelassen" worden. Ob und wann sie nochmals angestoßen werde, sei nicht bekannt.

Die Aufspaltung der Veterinärbehörden zählt zu den umstrittensten Entscheidungen von Ministerpräsident Söder. Und zwar nicht nur bei den Amtstierärzten selbst. Sondern vor allem in der Tierschutz-Szene. Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz, der zahlreiche Tierquälereien auf Bauernhöfen in Bayern aufgedeckt hat, spricht von einem "Wahlgeschenk erster Klasse der CSU an die Agrarlobby". Nicht nur seiner Überzeugung nach sollten Veterinärkontrollen auf Bauernhöfen so unabhängig wie nur möglich von der Agrarverwaltung geschehen - um jeden Verdacht einer möglichen Einflussnahme zu vermeiden. Dass diese Kontrollen in Bayern jetzt dem Landwirtschaftsministerium unterstellt werden, geht nach Müllns Überzeugung "zwangsläufig zulasten des Tierschutzes und außerdem des Verbraucherschutzes". Mülln war eigentlich davon ausgegangen, dass "der Freistaat die Veterinärkontrollen nach der Landtagswahl stärkt".

Der Zuständigkeitswechsel geht zurück auf eine Initiative des Bauernverbands. Er hat ihn seit Jahren gefordert. "Die Furcht vor lascheren Kontrollen ist unbegründet", sagte Bauernpräsident Günther Felßner seinerzeit. "Wir erwarten uns eine Verbesserung, wenn künftig die Expertise aus der Landwirtschaftsverwaltung in sie einfließt." Außerdem hieß es aus dem Verband, dass es "um Augenhöhe zwischen den Landwirten und den Amtstierärzten" gehe. In der Vergangenheit habe es bei Kontrollen immer wieder "unangemessene Vorfälle" gegeben. Natürlich müssten Verstöße gegen den Tierschutz abgestellt werden. Aber man wolle ein "faires Miteinander und einen vernünftigen Ton". Besiegelt haben Felßner und Söder den Zuständigkeitswechsel im "Zukunftsvertrag zur Landwirtschaft" kurz vor der Landtagswahl im September 2023.

Die Amtstierärzte hängen derweil gleichsam in der Luft. Sie fürchten nicht nur um ihre Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit. Sondern sie können sich nicht vorstellen, wie sie alle ihre Aufgaben bewältigen sollen, wenn ein Teil von ihnen tatsächlich in die Landwirtschaftsverwaltung wechseln müsste. Denn die Amtstierärzte sind ja nicht nur für die Stallkontrollen auf den Bauernhöfen zuständig, für die nun das Landwirtschaftsministerium zuständig ist. Sondern außerdem für die Bekämpfung von Tierseuchen wie der Vogelgrippe, die Überwachung von tierischen Lebensmitteln und viele andere Aufgaben mehr, die alle in der Hoheit des Umweltministeriums bleiben.

Die Landräte haben Söders Pläne von Anbeginn kritisiert

Die Veterinärbehörden an den Landratsämtern sind aber schon jetzt denkbar schmal besetzt. Die meisten verfügen über drei bis fünf Amtstierärzte, nur einige wenige haben sechs oder sieben. Schon in der Vergangenheit kamen sie der Arbeit kaum hinterher, der Oberste Rechnungshof hat den Freistaat wiederholt dafür kritisiert. Der LbT-Vorsitzende und Chef des Veterinäramts im Landkreis Traunstein, Jürgen Schmidt, sagt: "Die angedachte Verlagerung widerspricht völlig der Arbeits- und Kontrollorganisation an unseren Ämtern. Deshalb können hier auch keine Mitarbeiter an den Ämtern hin- und hergeschoben werden, außer man will die gesamte Arbeit an den Veterinärämtern lahmlegen." Auch die Landräte haben Söders Pläne von Anbeginn kritisiert und gefordert, dass der Zuständigkeitswechsel auf keinen Fall zu einer personellen Schwächung der Veterinärämter führen dürfe.

Gleichwohl wollte das Agrarministerium offenkundig bis in jüngste Zeit nicht von seiner Vorstellung lassen, dass ein Teil der Amtstierärzte in seine Zuständigkeit wechseln müsse. So berichten es zumindest Insider, denn offizielle Stellungnahmen dazu sind weder von dort noch vom Umweltministerium zu haben. "Die Gespräche laufen. An den Details der Reform wird aktuell noch gearbeitet", ist das Einzige, was ein Sprecher des Umweltministeriums zum Stand der Dinge sagt. Der Sprecher von Agrarministerin Kaniber äußert sich ähnlich. Insider sagen derweil, dass wohl Kaniber und Umweltminister Glauber höchstpersönlich den "Gordischen Knoten" zwischen ihren Häusern werden durchschlagen müssen.

Beim Bauernverband werden sie derweil ungeduldig. "Der Zuständigkeitswechsel ist seit fast einem Dreivierteljahr beschlossene Sache", sagt Bauernpräsident Felßner. "Zwei Ministerien sollten in der Lage sein, sich in dieser Zeit entsprechend zu organisieren."

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