Politik in Bayern:Söders Traum und Söders Baustelle

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Anlass zur Freude: Ministerpräsident Markus Söder (rechts) mit Wissenschaftsminister Markus Blume im Nürnberger Zukunftsmuseum, das 2021 als Zweigstelle des Deutschen Museums eröffnet wurde. Zwischen den beiden CSU-Politikern: der humanoide Roboter Ameca. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Die Ampel-Fraktionen planen weitere Untersuchungsausschüsse noch vor Weihnachten, zur zweiten Stammstrecke in München sowie zum Nürnberger Zukunftsmuseum. Es gehe um die Frage, welches Verständnis der Ministerpräsident von Recht und Gesetz habe, zetert die SPD. Die CSU rügt das alles als Wahlkampfmanöver.

Von Johann Osel

Jetzt ist es offiziell: Grüne, SPD und FDP im Landtag wollen zwei weitere Untersuchungsausschüsse einsetzen. Einen zur Kostenexplosion und Bauverzögerung der zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München, einen zur Finanzierung des Nürnberger Zukunftsmuseums. Wie Vertreter der drei Oppositionsfraktionen - ein halbes Dutzend war erschienen - am Mittwoch im Landtag erklärten, sollen bereits im November die Fragenkataloge stehen, mit denen man bei beiden Projekten "Transparenz" schaffen wolle; sie müssten wegen des nahenden Endes der Wahlperiode "schlank" ausfallen. Noch vor Weihnachten sollen die Gremien starten. Es bleibe kein anderes Mittel, da die Staatsregierung "mauert", hieß es unisono, sämtliche anderen parlamentarischen Mittel wie Anfragen seien inzwischen "ausgereizt".

Es handele sich, sagte FDP-Fraktionschef Martin Hagen, "zwei Mal um massive Steuergeldverschwendung" - und bei der Stammstrecke werde dies in ganz Bayern spürbar sein, wenn im ländlichen Raum Mittel für den Verkehr fehlten. Verena Osgyan (Grüne) sagte, das "zwielichtige Konstrukt" des Museums sei ein "veritabler politischer Skandal" mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Zentrum. Florian von Brunn, Vorsitzender der SPD-Fraktion, sagte, es gehe um die Frage, welches Verständnis Söder von Recht und Gesetz habe. Das sei "für die Menschen in Bayern die alles entscheidende Frage". Söder habe "unter Bruch aller Regeln" ein Prestigeprojekt durchgeboxt, welches ihm persönlich nütze.

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Damit wird es im Landtagswahljahr 2023 insgesamt vier Untersuchungsausschüsse geben, neben den beiden bereits laufenden zur Maskenaffäre und zur Terrorzelle NSU. Vier solche Gremien, auf die Historie des Landtags betrachtet sei das "eher durchschnittlich", meinte Brunn. Osgyan betonte, man habe sich den Zeitpunkt "wahrlich nicht ausgesucht". Vielmehr habe es jüngst erst neue Erkenntnisse zur Stammstrecke gegeben, beim Museum im Sommer Prüfergebnisse des Obersten Rechnungshofs (ORH). Die Opposition will damit wohl den Eindruck zerstreuen, die U-Ausschüsse seien wahltaktischer Natur. Zur Einsetzung reicht ein Fünftel aller Abgeordneten des Landtags- was die drei Fraktionen reichlich erfüllen.

Worum geht es? Die Nürnberger Zweigstelle des Deutschen Museums kostet den Freistaat bis 2044 eine jährliche Miete von 2,8 Millionen Euro, der Vertrag läuft auch so lange. Nach Rechnung des ORH summieren sich die Ausgaben für das Museum inklusive Aufbaufinanzierung, Miete und geschätzter Betriebskostenzuschüsse bis dahin auf rund 200 Millionen Euro. Konkret stuft der Rechnungshof den Mietvertrag als "vermieterfreundlich" ein, auch erscheine das Kosten-Niveau "insgesamt hoch", wie der ORH in seiner Einschätzung im Mai bekanntgab. Ein Kauf als womöglich wirtschaftlichere Alternative sei gar nicht erwogen worden, bei der Standortauswahl habe es eine nicht nachvollziehbare Vorfestlegung gegeben.

2014 hatte das Kabinett unter Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) im Zuge der Nordbayern-Initiative ein solches Museum für Nürnberg beschlossen. Söder war als Finanzminister in den Medien fortan Treiber des Projekts; formal zuständig ist eigentlich das Wissenschaftsministerium. Aus zunächst zahlreichen potenziellen Standorten wurde 2016 der Augustinerhof des Nürnberger Immobilienunternehmers Gerd Schmelzer ausgewählt. Sebastian Körber (FDP), der die Debatte zuletzt am stärksten forciert hatte, sagte am Mittwoch, es sei bei der frühen Festlegung nicht verwunderlich, dass ein Unternehmer bei den Verhandlungen ein "Maximum Profit herausholt". Schon früher hatte Körber es so formuliert: "Es war Söders Traum, ein Science-Fiction-Museum in seiner Heimatstadt anzusiedeln, koste es, was es wolle."

Bei der Stammstrecke wittern Grüne, SPD und FDP "Vertuschung"

Die Ladung des Ministerpräsidenten als Zeuge im Ausschuss ist erwartbar. Dabei soll etwa Aktenvermerken nachgegangen werden, wonach eben nicht das Wissenschafts-, sondern das Finanzministerium Regie führte. 2016 zum Beispiel forderte Söders damaliges Haus intern: "Bitte Angelegenheit zügig und konsequent vorantreiben. Augustinerhof wäre die Lösung." Zur Mietdebatte hinzu kamen Berichte über Spenden, die Firmen von Schmelzer nach Unterzeichnung des Vertrags tätigten: zwei Mal gut 45 000 Euro an die CSU. Einen Bezug zum Museum bestritten Unternehmer wie Partei mit Nachdruck. Es könnten ja auch noch mehr Spenden sein, mutmaßte Körber, "das wissen wir nicht".

Bei der zweiten Stammstrecke geht es darum, dass nach bislang vorliegenden Erkenntnissen die Staatsregierung bereits seit Mitte 2020 gewarnt war, dass sich der Bau um etliche Jahre verzögern könne. Ende 2020 wurde die Staatskanzlei vom bayerischen Verkehrsministerium zudem über drohende Kostensteigerungen informiert. Söders Regierung unterließ es aber, die Bevölkerung im Großraum München über das sich abzeichnende Desaster zu informieren. Erst Mitte 2022 räumte Bayerns neuer Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) öffentlich ein, dass sich die zuletzt für 2028 geplante Fertigstellung bis 2037 verzögern und die Baukosten nahezu verdoppeln könnten. Grüne, SPD und FDP wittern hier "Vertuschung" und "Dilettantismus".

Die Leitung der beiden U-Ausschüsse wird - gemäß üblichem Verteilsystem - den Regierungsfraktionen CSU und Freien Wählern zufallen, die zwei Vize-Vorsitze der CSU sowie der AfD. Deren Abgeordnete Franz Bergmüller und Uli Henkel hatten für die Stammstrecke kürzlich ebenfalls einen U-Ausschuss gefordert, die Öffentlichkeit sei "bewusst getäuscht" worden. Aus der Ampel-Opposition wird also niemand die Gremien leiten, nicht mal stellvertretend.

CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer sagte am Mittwoch, in Wahrheit gehe es der Opposition nicht um Aufklärung, sondern um "Wahlkampf" und "Populismus". Die U-Ausschüsse seien "unnötig", die Fakten lägen auf dem Tisch und seien viele Male im Landtag erörtert worden. Kreuzer witterte gar einen "Missbrauch" des "schärfsten Schwerts des Parlaments". Wissenschaftsminister Markus Blume hatte zuletzt den Mietvertrag des Museums verteidigt, eine solche Sonderimmobilie habe eben keine Null-acht-fünfzehn-Konditionen. Noch als CSU-Generalsekretär hatte Blume der Opposition in der Debatte "Schmierentheater" vorgeworfen.

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