Chronik der Skandale in Bayern:Bäderkönig, Hendlkönig, Schmiergeldkönig

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Ging alles mit rechten Dingen zu? Das sollte bereits 65-mal ein Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags klären. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

65-mal hat der bayerische Landtag nach dem Krieg bereits einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, herausgekommen ist mal mehr, mal weniger.

Von Johann Osel und Klaus Ott, München

Im Dezember 1946 konstituierte sich der erste Nachkriegslandtag in Bayern - und schon knapp zwei Monate später gab es die ersten Untersuchungsausschüsse. Um "Missstände im Staatsministerium für Wirtschaft und in den Wirtschaftsämtern" ging es, im Beritt des späteren Bundeskanzlers Ludwig Erhard. In 17 Sitzungen wurden Zeugen gehört, Tausende Briefe von Bürgern wurden, "so weit sie dem Beweisthema dienten, auch verwertet", notiert der Abschlussbericht. Bei Erhard stehe die "Lauterkeit der Person" außer Frage, er habe aber "seine Aufgabe nicht so geführt, wie man es von ihm erwarten hätte müssen". Weil Erhard "zu viel Theoretiker war", habe es organisatorische Defizite gegeben: "kleine Könige" in Wirtschaftsämtern im Land, als Einladung für krumme Geschäfte. Der Ausschuss verlangte, dass "die Sauberkeit des Beamtenkörpers wiederhergestellt" werde, empörte sich aber über "verleumderische Angriffe" der Presse - dass nämlich Ausschussmitglieder selbst Waren aus einem Lager entwendet hätten und ein CSU-Abgeordneter sich an Holzgeschäften "schwer bereichert" habe.

Rasch ging es 1947 weiter in U-Ausschüssen - mit "abenteuerlichen Persönlichkeiten" in einem Ministerium, wie es in einer neueren Chronik des Landtags heißt. Und um den Machtkampf in der CSU: Haben im Vorjahr hohe Ministeriale den Staatskanzleileiter Anton Pfeiffer bei der US-Militärregierung "angeschwärzt" und gleichzeitig das Entnazifizierungsverfahren von CSU-Chef Josef Müller, dem legendären "Ochsensepp", beschleunigt?

Korruption, Organisationsfehler, Intrigen - bereits in der frühen Geschichte der U-Ausschüsse steckt viel von dem, was die folgenden Jahrzehnte prägen sollte. Insgesamt hat der Landtag 65-mal das Format initiiert. Bald kommt ein neuer Ausschuss hinzu, Grüne, SPD und FDP wollen aufklären, wie die Beschaffung von Corona-Masken genau abgelaufen ist; ein Anlass sind die Vorwürfe gegen den Abgeordneten und früheren Justizministers Alfred Sauter, inzwischen Ex-Mitglied der CSU-Fraktion.

Umstrittene Masken-Deals
:CSU unter Filzverdacht - Untersuchungsausschuss startet

Es sollen alle Geschäfte zwischen Abgeordneten und Freistaat seit 2010 durchleuchtet werden. Grüne, SPD und FDP wollen neben den Fällen Nüßlein und Sauter auch die Rolle der Unternehmerin Andrea Tandler aufklären.

Von Johann Osel, Klaus Ott und Jörg Schmitt

U-Ausschüsse gelten als schärfstes Kontrollinstrument des Parlaments. Laut Gesetz muss die Beweiserhebung "im öffentlichen Interesse liegen"; zulässig sind abgeschlossene Verwaltungsvorgänge, als "Ex-post-Kontrolle", sodass die Untersuchung nicht in laufende Entscheidungen der Regierung eingreift. Zur Einsetzung bedarf es nur eines Fünftels der Abgeordneten.

Thematisch war über Jahrzehnte nahezu alles dabei: überteuerte Bauprojekte, Polizeiarbeit, Studienplatzvergabe, Spielbankkonzessionen, größerer wie kleinerer mutmaßlicher Schmu. Zudem die berüchtigten Amigo-Geschichten mit Protagonisten wie dem "Bäderkönig" Eduard Zwick, dem "Hendlkönig" Friedrich Jahn vom Wienerwald oder dem "Schmiergeldkönig" (Zitat Bild-Zeitung) und Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber. Die Ergebnisse waren mal spannend, mal überschaubar, das Ende oft unversöhnlich.

Im Fall der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf 1985 bis 1986 standen etwa nicht die ökologische Frage oder die Proteste im Fokus, sondern finanzielle Zusagen der Staatsregierung an die Deutsche Gesellschaft für Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen. Die CSU unter Ministerpräsident Franz Josef Strauß kam zum Ergebnis, Bayern habe die WAA keinesfalls Niedersachsen mit Lockangeboten "abgejagt". Die SPD dagegen rügte genau das - einen "Subventionswettlauf".

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Der bayerische Landtag hat im Laufe seiner Geschichte bereits 65 Mal einen Untersuchungsausschuss initiiert. Die Anlässe dafür waren zum Beispiel die Wiederaufbereitungsanlage WAA in Wackersdorf,...

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(Foto: picture alliance/dpa)

...Spielbank-Lizenzen oder...

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(Foto: Armin Weigel/dpa)

...der Fall von Gustl Mollath.

Als Ausschussthemen der jüngeren Vergangenheit bleiben unter anderem in Erinnerung: 2018 der Verkauf gemeinnütziger GBW-Wohnungen durch die Landesbank, unter Zuständigkeit des damaligen Finanzministers Markus Söder. Die Deutung der Causa ist bis heute umstritten. Oder: der Ausschuss zum Salmonellen-Skandal bei "Bayern-Ei", zur Modellbau-Affäre um Ex-Staatskanzlei-Chefin Christine Haderthauer und zum Fall Gustl Mollath. Auch der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) und mögliche Versäumnisse bayerischer Sicherheitsbehörden wurden im vergangenen Jahrzehnt erörtert. Angesichts neuer Hinweise, etwa zu V-Leuten in der Neonazi-Szene, gab es zuletzt einzelne Forderungen nach einem weiteren NSU-Ausschuss.

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Ein einziges Mal hat die CSU vor allem einer Affäre wegen ihre Mehrheit verloren. 2008 war das, als die Christsozialen von zuvor mehr als 60 auf weniger als 44 Prozent abstürzten und eine Koalition mit der FDP bilden mussten. Das Wahlvolk bestrafte damals die CSU wohl für Verluste der Landesbank in Milliardenhöhe. Ein U-Ausschuss hatte zuvor zahlreiche peinliche Details zutage gefördert.

Der Größenwahn von Edmund Stoiber - er wollte als Ministerpräsident mit der Staatsbank international in der Champions League mitspielen - und schlampige Kontrollen durch gleich mehrere CSU-Minister im Aufsichtsgremium der Landesbank hatten zu dem finanziellen Desaster geführt. Das politische Debakel für die CSU folgte. Erwin Huber musste als Parteichef gehen, Günther Beckstein als Ministerpräsident. Beide hatten in der Landesbank-Affäre keine gute Figur abgegeben.

Ein ähnliches persönliches Schicksal muss Regierungs- und Parteichef Markus Söder nicht befürchten. Er hält sich von allem fern, was für ihn verfänglich sein könnte. Und er versuchte sich zuletzt demonstrativ in der Offensive: Neue Transparenzregeln sollen seine Partei skandalresistenter machen. Wie sehr die CSU unter den neuen Affären noch zu leiden hat, ist freilich offen.

© SZ vom 25.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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