Umstrittene Masken-Deals:CSU unter Filzverdacht - Untersuchungsausschuss startet

Eine weggeworfener Mund-Nasen-Schutz liegt verdreckt auf dem Boden in Berlin, 19.02.2021. Berlin Deutschland *** A disca

Was schnell zu Müll wird, kann vorher viel Geld einbringen: der millionenfach nachgefragte Mund-Nasen-Schutz. Die Maskenaffäre beleuchtet ab Donnerstag ein Untersuchungsausschuss.

(Foto: Florian Gaertner/imago images)

Es sollen alle Geschäfte zwischen Abgeordneten und Freistaat seit 2010 durchleuchtet werden. Grüne, SPD und FDP wollen neben den Fällen Nüßlein und Sauter auch die Rolle der Unternehmerin Andrea Tandler aufklären.

Von Johann Osel, Klaus Ott und Jörg Schmitt

Fast drei Jahrzehnte ist es her, dass der Name Tandler in einem Untersuchungsausschuss im Landtag eine prominente Rolle spielte. 1994 befasste sich das Parlament mit einem der größten Steuerskandale in Bayern, mit dem Fall Zwick. Der Ausschuss durchleuchtete auch die Beziehung des vormaligen CSU-Granden und Finanzministers Gerold Tandler zum Bäderkönig Eduard Zwick. Tandler hatte sich von Zwick, der als Betreiber einer Therme reich geworden war und dem der Fiskus eine hohe Millionenschuld erließ, privat Geld geliehen. Nun steht nach zwischenzeitlich vielen anderen Skandalen, die den Landtag beschäftigten, ein weiterer U-Ausschuss an.

Dieses Mal geht es um die Maskenaffären inmitten der Corona-Pandemie, und wieder kommt der Name Tandler vor. Die Münchner Unternehmerin Andrea Tandler, eine Tochter von Gerold Tandler, hatte im Frühjahr 2020 Corona-Schutzmasken an die Gesundheitsministerien in Bayern, in Nordrhein-Westfalen und im Bund vermittelt und dafür zusammen mit einem Partner horrende Provisionen kassiert. Es geht um Ansprüche in Höhe von 34 bis 51 Millionen Euro für die Firma Little Penguin. Ein großer Teil des Geldes soll auch geflossen sein. Die nach dem Zwergpinguin benannte Firma gehört Andrea Tandler und einem Partner von ihr.

Die Fraktionen der Grünen, der SPD und der FDP im Landtag haben beschlossen, einen U-Ausschuss einzusetzen, der dem Filz-Verdacht zwischen CSU und Freistaat nachgehen soll. Die CSU-Abgeordneten Alfred Sauter (Landtag) und Georg Nüßlein (Bundestag) hatten kräftig Kasse gemacht beim Verkauf von Corona-Schutzkleidung an staatliche Abnehmer. Das kostete beide Mandatsträger ihre politischen Karrieren, nachdem die Generalstaatsanwaltschaft München die unrühmlichen Maskendeals enthüllt hatte. Die Oppositionsparteien nehmen das zum Anlass, alle Geschäfte der vergangenen zehn Jahre zwischen Abgeordneten und Freistaat sowie auch die Tandler-Deals offenlegen zu wollen. Vielleicht ist da ja noch viel mehr gelaufen, was nicht in Ordnung sein könnte.

Alfred Sauter, CSU, Ex-Justizminister. 90.Plenarsitzung des Bayerischen Landtags am 22.07.2021. Alfred Sauter an seinem

Alfred Sauter hatte nach Beginn der Maskenaffäre im März 2021 seine Parteiämter niedergelegt und die CSU-Landtagsfraktion verlassen. Nach dem Erfolg vor Gericht könnte er nun wieder in die Fraktion drängen.

(Foto: Rolf Poss /imago)

Florian Siekmann, Vizechef der Landtags-Grünen, wirft Ministerpräsident Markus Söder und seiner Regierung "Verzögerungstaktik" vor. Die Regierung habe bei Parlamentsanfragen zu den Maskendeals gemauert. SPD-Mann Markus Rinderspacher, Vizepräsident des Landtags, spricht vom Verdacht der "Günstlingswirtschaft". Der FDP-Abgeordnete Helmut Kaltenhauser sagt, man hätte einen U-Ausschuss gerne vermieden. Aber selbst das Angebot, einen unabhängigen Ermittler einzusetzen, sei von der Staatsregierung "auf fast schon arrogante Weise zurückgewiesen" worden. Also bleibt aus Sicht aller drei Fraktionen nur noch das äußerte Mittel übrig, ein Untersuchungsausschuss.

Man kennt sich: Die Familien Strauß und Tandler sind befreundet

Der soll sich ein "Gesamtbild" verschaffen, was seit 2010 zwischen Abgeordneten, Ministerien, nachgeordneten Behörden und Unternehmen des Freistaats gelaufen ist. Oder laufen sollte. Der Fragenkatalog, den Grüne, SPD und FDP an diesem Donnerstag öffentlich präsentieren wollen, dürfte üppig ausfallen. Das größte Skandal-Potenzial haben dabei die Maskenverkäufe des Schweizer Unternehmens Emix für insgesamt 670 Millionen Euro an die Gesundheitsministerien in Bayern, in NRW und im Bund. Vermittelt hatte diese Deals vor allem Andrea Tandler mit ihrer Little Penguin GmbH, einer Firma für Kommunikations- und Krisenberatung mit Sitz im Münchner Nobelvorort und Gewerbesteuerparadies Grünwald.

Als Tandlers Millionen-Provision öffentlich bekannt wurde, sprach SPD-Landeschef Florian von Brunn von einer "unvorstellbaren Abzocke in der Krise auf Kosten der Steuerzahler". Die SPD verlange von Söders Regierung die "sofortige Offenlegung aller Akten" zum Geschäft des Freistaats mit Emix. Was aber nicht geschah. Bayern hatte kurz nach Beginn der Pandemie, als Corona-Schutzkleidung rar und teuer war, von Emix zwar nur eine Million Masken gekauft.

Allerdings zum Stückpreis von 8,90 Euro, was die mit Abstand teuersten Masken waren. Der Großteil der Emix-Masken ging an das von Jens Spahn (CDU) geleitete Bundesgesundheitsministerium. Zur Freude der beiden Emix-Betreiber, zweier Jungmillionäre aus der Schweiz, die sich die Taschen füllten und von ihren Profiten teure Autos kauften. Der neue U-Ausschuss soll alle Details der Emix-Deals offenlegen. Das betrifft auch die Rolle der CSU-Europaabgeordneten Monika Hohlmeier, der Tochter des früheren Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Franz Josef Strauß.

Zu Zeiten von Strauß hatte Gerold Tandler in Bayern groß Karriere gemacht, bevor er über die Zwick-Affäre stolperte. Die Familien Strauß und Tandler sind befreundet. Monika Hohlmeier hatte Andrea Tandler im Vorfeld der Masken-Deals Kontakte zur damaligen bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml und zu Bundesgesundheitsminister Spahn verschafft. Nach allem, was bislang bekannt ist, hat Hohlmeier dafür nichts kassiert; keinen Euro und keinen Cent. Was die Opposition aber wissen will: Hat vielleicht wer anderer aus der CSU von Tandlers üppiger Millionenprovision etwas abbekommen, oder sollte davon profitieren?

Einige Details fand man selbst in der CSU unappetitlich

Bisher gibt es zu den Emix-Deals und Tandlers Rolle viele Fragen und wenig Antworten. Auch bei den von Nüßlein und Sauter vermittelten Masken-Deals bleibt noch vieles aufzuklären. Nüßlein soll sich, als es um Geldtransfers via Liechtenstein ging, sinngemäß sogar als von der Bundesregierung beauftragter Koordinator für die Beschaffung von Corona-Schutzkleidung ausgegeben haben. Das Bundesgesundheitsministerium erklärt, einen solchen Posten habe es nicht gegeben. Nüßleins Anwalt äußert sich wegen der laufenden Ermittlungen nicht zu solchen Details.

Bundestag - Georg Nüßlein

Georg Nüßlein, Mitglied des Deutschen Bundestags

(Foto: Sören Stache/dpa)

Nüßlein, Sauter und ihre Anwälte weisen indes den Verdacht der Generalstaatsanwaltschaft München zurück, sie hätten sich als Abgeordnete bestechen lassen. Die Honorare für die Masken-Geschäfte seien kein Schmiergeld, sondern legal gewesen. Auch Gerold Tandler hatte seinerzeit bei der Zwick-Affäre alle Vorwürfe zurückgewiesen. Aber selbst die CSU-Mehrheit im damaligen Zwick-U-Ausschuss im Landtag war nicht umhin gekommen, ihren Parteikollegen zu tadeln.

Die CSU nahm Ex-Finanzminister Tandler zwar gegen den Vorwurf in Schutz, es habe eine politische Einflussnahme zugunsten des Bäderkönigs Zwick gegeben, als diesem zwischenzeitlich mehr als 60 Millionen Euro Steuern erlassen worden waren. Dass sich Tandler von Zwick, einem der größten Steuerschuldner im Freistaat, privat Geld geliehen hatte und dies als Finanzminister nicht änderte, fand aber selbst die CSU unappetitlich. "Es wäre gut gewesen, wenn es nicht zu einer solchen Kombination gekommen wäre."

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