Energie:Wieso RWE mehr in Ökostrom investiert

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Zukunft vor Vergangenheit: Windräder stehen vor dem RWE-Kohlekraftwerk in Neurath. Der Konzern investiert massiv in Ökostrom. (Foto: Christoph Hardt/Imago/Panama Pictures)

Der Dax-Konzern will in den kommenden Jahren 55 Milliarden Euro in grüne Projekte stecken - auch in Deutschland, aber nicht nur.

Von Björn Finke, Düsseldorf

Deutschlands größter Stromerzeuger RWE will die Investitionen in Wind- und Solarparks und andere grüne Technologien deutlich steigern. Zwischen 2024 und 2030 möchte der Essener Dax-Konzern 55 Milliarden Euro in Ökostrom-Projekte, in Speicherlösungen, in Elektrolyseure - also Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff - sowie in Gaskraftwerke stecken. Die Kraftwerke sollen einspringen, wenn Wind- und Solarparks zu wenig Elektrizität liefern. Sie sollen künftig nicht mit klimaschädlichem Erdgas betrieben werden, sondern mit grünem Wasserstoff. Das ist Wasserstoff, der klimafreundlich mit Ökostrom gewonnen wurde.

Vorstandschef Markus Krebber präsentierte die Pläne am Dienstag bei einem Investorentreffen in London. Die ganzen neuen Projekte sollen auch den Gewinn von RWE hochtreiben - das bereinigte Betriebsergebnis soll von sieben bis acht Milliarden Euro im laufenden Jahr auf mehr als neun Milliarden Euro im Jahr 2030 klettern. Davon sollen die Aktionäre profitieren, die Dividende, also die Ausschüttung an die Anteilseigner, soll jedes Jahr um fünf bis zehn Prozent zulegen. "Wir wachsen nachhaltig und steigern unser Ergebnis, während wir gleichzeitig unser Portfolio noch schneller dekarbonisieren", sagte Krebber.

RWE galt Umweltschützern lange als schmutziger Dinosaurier, der Atom- und Kohlekraftwerke betreibt und mit seinen Braunkohle-Tagebauen die Landschaft umgräbt. Erst Anfang des Jahres geriet der Konzern wegen der Räumung eines verlassenen Dorfs am Tagebau Garzweiler wieder in die Schlagzeilen. Doch das Unternehmen mit 20 000 Beschäftigten in fast 30 Ländern fuhr im April sein letztes Kernkraftwerk herunter, und mit der Braunkohle soll 2030 Schluss sein. Stattdessen investieren die Essener in Ökokraftwerke. Die steuerten in den abgelaufenen neun Monaten schon ein Drittel zum RWE-Strommix bei - Tendenz stark steigend.

Krebber verordnete RWE bereits vor zwei Jahren ehrgeizige Wachstumsziele bei grünen Projekten. Seitdem nahm die Leistung der Ökokraftwerke von 26 auf 35 Gigawatt zu. Zum Vergleich: Ein großes Kohlekraftwerk hat eine Kapazität von gut einem Gigawatt. Jetzt schraubt der Vorstandschef die Ziele und Investitionssummen weiter hoch. So sollen RWEs grüne Projekte bis 2030 auf eine Kapazität von mehr als 65 Gigawatt kommen.

Die USA profitieren mehr als Deutschland

Von den 55 Milliarden Euro, die der Konzern bis dahin investieren will, sollen elf Milliarden Euro auf Deutschland entfallen, in den USA soll es sogar fast das Doppelte sein: 20 Milliarden Euro. Die meisten grünen Kraftwerke von RWE stehen aber bisher in Großbritannien. Dort will Krebber acht Milliarden Euro investieren.

Besonders rasant sollen die Zuwächse beim Sonnenstrom sein. RWE ist nach der Übernahme eines Solarparkbetreibers bereits der zweitgrößte Anbieter von Sonnenstrom in den Vereinigten Staaten. Bis 2030 soll sich die Kapazität von RWEs Solaranlagen weltweit auf 16 Gigawatt vervierfachen.

Insgesamt verfügt RWE über Projektideen mit einer Gesamtkapazität von mehr als 100 Gigawatt - geografisch und von der Technologie her breit gestreut, wie das Unternehmen mitteilt. Das Management werde aus dieser "Projektpipeline" die attraktivsten Vorhaben auswählen, um die Steigerung von 35 auf 65 Gigawatt zu erreichen.

Der Bund soll die Gaskraftwerke fördern

Wichtig für Deutschland ist, dass die Essener hier Gaskraftwerke mit mindestens drei Gigawatt Leistung bauen wollen, die auch mit Wasserstoff laufen können. Ohne solche Kraftwerke, die einspringen, wenn zu wenig Wind weht und zu wenig Sonne scheint, könnte das Land kaum auf die klimaschädlichen Kohlekraftwerke verzichten.

Allerdings würden die Gaskraftwerke ja nur wenige Stunden Strom produzieren, als Notnagel. Damit sich die hohen Investitionen in die Stabilität der Versorgung trotzdem lohnen, muss der Staat diese Projekte fördern. Die Bundesregierung hat dafür aber immer noch kein Konzept präsentiert. Planung und Bau der Anlagen dauern fünf oder sechs Jahre - Anbieter wie RWE müssen daher bald loslegen, damit die Kraftwerke 2030 am Netz sind. Ohne Klarheit über die finanziellen Anreize können die Manager die Investitionen jedoch nicht freigeben.

RWE warte deswegen "händeringend" auf das Konzept der Regierung, sagte Krebber. Der Vorstandschef, der den Konzern seit zweieinhalb Jahren führt, stellte zudem in Aussicht, noch mehr Gaskraftwerke zu errichten, "wenn der Rahmen stimmt". Sprich: wenn die Förderung attraktiv genug ist.

Finanzvorstand Michael Müller sagte, die Finanzierung der 55 Milliarden Euro an Investitionen sei bereits gesichert. Den Großteil der Mittel will RWE selbst aufbringen, für den Rest Kredite aufnehmen. Bei der Finanzierung hilft sicher, dass der Konzern 2022 einen Rekordgewinn einfuhr, auch dank der hohen Strompreise. Im laufenden Jahr wird der Gewinn praktischerweise weiter steigen.

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