China:KI mit sozialistischen Werten

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Die USA wollten Peking den Zugang zu modernen Halbleitern verbauen. Jetzt ist trotzdem die chinesische Antwort auf Chat-GPT da - und Huawei hat ein neues Hochleistungshandy herausgebracht. Wirken die Sanktionen überhaupt?

Von Florian Müller

Die Chinesen können doch nur kopieren, aber nichts Eigenes entwickeln: So lautet ein gängiges Vorurteil gegenüber Deutschlands wichtigstem Handelspartner. Dass das so nicht stimmt, zeigen die chinesischen Autobauer gerade auf der Mobilitätsmesse IAA in München. Dass sie auch gegen den aktiven Widerstand des Westens eigene Innovationen vorantreiben können, haben zuletzt die Technologiekonzerne Huawei und Baidu gezeigt.

Huawei hat vor wenigen Tagen ungewöhnlich leise sein neuestes Flaggschiff-Smartphone Mate 60 Pro in China auf den Markt gebracht. Dabei wäre dieses Handy durchaus einen großen Auftritt wert, wenn stimmt, was Staatsmedien berichten: Das rund 900 Euro teure Gerät soll demnach Mobilfunkgeschwindigkeiten wie beim 5G-Standard erreichen, möglich gemacht durch einen komplett einheimisch entwickelten und produzierten Chip. Dabei hatte die US-Regierung doch Huawei in den vergangenen Jahren vom Nachschub moderner Halbleiter abgeschnitten und das Smartphone-Geschäft des einst größten Mobiltelefonherstellers arg verstümmelt.

Offiziell will sich Huawei dazu nicht äußern. Doch falls der chinesische Konzern es wirklich geschafft hat, von ausländischer Chip-Technologie unabhängig zu werden, würde das die Schlagkraft der amerikanischen Sanktionen infrage stellen. Dass man den Verkauf startete, während die US-Handelsbeauftragte Gina Raimondo vergangene Woche durch China tourte, gleicht einem zusätzlichen Mittelfinger an Washington - und brachte Applaus in nationalistischen Kreisen.

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Ebenfalls für Aufregung sorgt der chinesische Chat-GPT-Konkurrent Ernie Bot, den der Suchmaschinenbetreiber Baidu amerikanischen Sanktionen zum Trotz vor einigen Tagen für die Öffentlichkeit freigeschaltet hat. Vorgestellt hatte der Konzern die künstliche Intelligenz bereits im Frühjahr, als China wie der Rest der Welt im Chat-GPT-Fieber war. Doch hatten bislang nur wenige handverlesene Tester Zugang zu der Software, weil Baidu die nötige Regierungslizenz fehlte. Diese ist nun da, und es wird klar, was eine KI mit "sozialistischen Werten" ausmacht.

Ein schneller Test zeigt, dass Ernie Matheaufgaben und Urlaubstipps ebenso gut abliefert wie sein amerikanischer Rivale. Auch lässt sich die KI trotz mehrfachen Nachhakens nicht davon überzeugen, dass Elvis Presley möglicherweise noch am Leben sein könnte. Nicht entscheiden kann sie sich hingegen in der Frage, wer Chinas Außenminister ist: Der verschwundene und mittlerweile abgesetzte Qin Gang oder der aktuelle Amtsinhaber Wang Yi werden beide genannt. Politisch sensible Fragen zu Protesten gegen Chinas Machthaber Xi Jinping oder dazu, was am 4. Juni passiert ist (das Massaker auf dem Tiananmen-Platz 1989), bescheidet Ernie mit einem vorsichtigen "Lass uns das Thema wechseln". Und taiwanische Unabhängigkeitsbestrebungen seien ganz klar von "ausländischen Mächten" angestiftet.

Selbstbewusst gibt sich Ernie in der Frage, wer den Technologiewettstreit zwischen China und den USA gewinnen wird: Allein schon wegen seines wirtschaftlichen Aufstiegs werde die Volksrepublik die Lücke schließen. Und mit ihrer ausländerfeindlichen Politik stelle sich die US-Regierung selbst ein Bein im Wettbewerb um globale Talente.

Zumindest in Pekinger Regierungszirkeln werden sie diese Antworten gern hören.

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