Fußball:Nachts, wenn der Kwasniok ruft

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Bedient: Lukas Kwasniok (Foto: Melanie Zink/Zink/Imago)

Ein etwas eingerosteter Magier aus Las Vegas, eine Berliner Familienbande, ein unglücklicher Torwart und ein Kiezklub, der seriös arbeitet: Vier Geschichten dieses Wochenendes aus dem deutschen Fußball.

Von Korbinian Eisenberger, Thomas Hürner und Philipp Selldorf

St. Pauli schraubt die Erwartungen hoch

Fast wirkte es so, als wäre die vergangene Saison einfach in die aktuelle übergegangen. Der FC St. Pauli gewann nach Treffern von Elias Saad und Marcel Hartel 2:1 beim 1. FC Kaiserslautern, ein seriöser Auftritt war das, ohne nennenswerte Ausschläge nach oben oder unten. So haben die Kiezkicker unter der Regie des jungen Trainers Fabian Hürzeler, 30, in der Rückrunde der Vorsaison zehn Spiele in Serie und in der Sommervorbereitung alle sieben Partien gewonnen. Die permanente Spitzenform hat natürlich Einfluss auf die Anspruchshaltung. Zwar steht in paulianischen Vereinssatzung geschrieben, dass man sportlich zu den Top-25-Klubs der Republik gehören möchte, der siebte Platz in der Zweitliga-Tabelle ist also das ständige Minimalziel. Nicht nur hinter vorgehaltener Hand werden die Erwartungen aber mittlerweile nach oben korrigiert: Ein Zieleinlauf unter den Top-20 darf's in dieser Spielzeit auch gerne werden. Was das für die Zweitliga-Tabelle bedeutet, kann sich nun jeder selbst ausrechnen. Was daraus für den Stadtrivalen HSV folgen würde, will sich dort lieber niemand vorstellen. Fest steht jedenfalls: Wer am ersten Spieltag mit drei Punkten vom Betzenberg heimkehrt, der darf schon mal vom Aufstieg träumen.

Er trickste nur eine Halbzeit

Noch gewöhnungsbedürftig: Max Kruse im Paderborner Trikot in der zweiten Liga. (Foto: Melanie Zink/Imago)

Es soll 1.30 Uhr deutscher Zeit gewesen sein, als der Fußballtrainer Lukas Kwasniok den Fußballspieler Max Kruse in Las Vegas, Nevada, angerufen hat, um ihn zu überzeugen, doch noch mal vom Pokertisch auf den Fußballplatz zurückzukehren. Es ist wichtig zu wissen, dass Kwasniok den nicht sonderlich nach Las Vegas klingenden deutschen Zweitliga-Klub SC Paderborn trainiert. Kruse, inzwischen 35, erklärte sich dennoch einverstanden - und so kam es, dass er am Sonntagnachmittag zum ersten Mal seit September 2022 wieder für ein professionelles Fußballspiel auf dem Platz stand und (was vor dem Saisonstart manche bezweifelten) meist gar über selbigen spurtete. Mit Paderborn trat Kruse bei der SpVgg Greuther Fürth an, als Sturmspitze und erhoffter Schlüsselspieler für die in Ost-NRW entwickelten Aufstiegsideen. Die Haare trug Kruse etwas kürzer als bei seinem Vorgänger-Klub Wolfsburg, das Trikot spannte nicht mehr als sonst (auch in dieser Sache waren zuvor Zweifel aufgekommen). Lediglich in der Feinabstimmung zwischen Fuß und Ball, da hakte es noch im Wortsinn: Erst verfehlte Kruse per Hackentrick den Ball zu einem wohl sicheren Paderborner Tor (4. Minute), dann leitete er in Unterzahl mit einem zweiten misslungenen Hackentrick die Fürther Führung ein - ehe er zur Halbzeit beim Stand von 0:3 ausgewechselt wurde. Endstand: 0:5.

D wie Dalton

Auf, Kinder, lauft! Pal Dardai, Trainer von Hertha BSC und Vater dreier Spieler. (Foto: Revierfoto/Imago)

Gelegentlich passiert es, dass sich Trainer berufen fühlen, dem Starkult im Fußball entgegenzutreten. Sie sagen dann - fiktives Beispiel -, dass man es mit dem FC Barcelona und nicht mit dem FC Messi zu tun bekomme oder mit Real Madrid und nicht mit Real Ronaldo. Wenn aber am Freitag Hertha BSC gegen den SV Wehen antritt, dann darf Wiesbadens Trainer Markus Kauczinski den Gegner getrost FC Dardai nennen. So viele Dardais wie es Daltons gibt, haben am Samstag beim 0:1 des Erstliga-Absteigers Hertha BSC bei Fortuna Düsseldorf mitgewirkt - ein großfamiliäres Novum im deutschen Profifußball. Während sich die kriminellen Daltons als ständige Widersacher Lucky Lukes schon weltweit einen Namen gemacht haben und ihre Namen von Joe, Jack und William bis zum törichten Averell überall bekannt sind, müssen Marton, Palko und Bence Dardai erst noch ein paar Banken ausrauben, um jenseits Berlins berühmt zu werden. Der gemeinsame Aufstieg unter Aufsicht ihres Vaters Pal würde vielleicht auch genügen. Dass es allerdings schwierig wird, das Ziel zu erreichen, offenbarte der Saisonstart. Das 0:1 nahm zumindest der Trainer nicht persönlich. Er sei nicht in seinen Vatergefühlen getroffen, versicherte Pal Dardai: "Ich spüre nur eins: Dass heute ein Tor gefehlt hat."

Übel, übel für den Nübel

Augen zu und wieder einer drin: Alexander Nübel muss sich bei seinem Einstand für den VfB fünf Mal geschlagen geben. (Foto: Robin Rudel/Sportfoto Rudel/Imago)

Das Presse-Echo für Alexander Nübel nach dessen Einstand im Tor des VfB Stuttgart fiel, man muss es exakt so sagen, furchtbar, entsetzlich und katastrophal aus. Mit einem Wort: verheerend. Oder mit einem anderen Wort: vernichtend. Vom "Horror-Debüt" berichten gleich mehrere Organe, "Nübel böse abgewatscht", hieß es zudem, Sport 1 erkannte gar eine "Slapstick-Einlage", als Nübel außerhalb des Strafraums den Ball mit der Hand berührte und der fällige Freistoß prompt zum Gegentor führte. Im Kleingedruckten jenseits der Horror-Überschriften war dann allerdings auch zu erfahren, dass der neue VfB-Keeper an den fünf Treffern Borussia Mönchengladbachs im Rahmen eines sogenannten Blitzturniers im bayerischen Heimstetten schuldlos war. Der Torwart war das Opfer einer durchweg missratenen Abwehrleistung, weshalb ihm das verheerende Presse-Echo einigermaßen egal sein durfte. Wichtiger war ohnehin das Echo seines Trainers Sebastian Hoeneß, und dieser stellte nach dem 1:5 fest, dass der vom FC Bayern mit Millionen-Gebühr ausgeliehene Nübel beim Saisonstart die Nummer eins des VfB Stuttgart vor dem zurzeit verletzten Vorgänger Fabian Bredlow sein werde: "Wenn wir so ein Investment machen, dann ist das die Idee dahinter", erklärte Hoeneß.

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