Bundesregierung:Trübe Aussichten, teure Versprechen

Lesezeit: 2 min

Nach einer gemeinsamen Linie in der Wirtschaftspolitik suchen die Bundesminister Christian Lindner (links) und Robert Habeck. (Foto: Christian Spicker/IMAGO)

Die Ampel will die wirtschaftliche Krise bekämpfen. Aber was hilft - Investitionsprämie oder Industriestrompreis? Die Minister Habeck und Lindner vertreten gegensätzliche Positionen.

Von Claus Hulverscheidt und Henrike Roßbach, Berlin

Noch dämpft die Sommerpause die Debatte, doch worüber im Herbst gestritten werden wird in der Regierung, deutet sich schon jetzt überdeutlich an: die wackelige wirtschaftliche Lage des Landes und wie jene, die es regieren, ihrer Herr werden wollen. Seit es im Kreis der Industriestaaten ein deutsches Alleinstellungsmerkmal ist, weiter mit negativen Wachstumsraten rechnen zu müssen, wachsen die Unruhe und die Zahl an Ideen, wie der Misere beizukommen wäre. Allerdings weisen diese Ideen keineswegs in dieselbe Richtung.

Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner sieht durchaus Handlungsbedarf. "Es ist Zeit für eine Entlastungs- und Wachstumsagenda", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands müsse nachhaltig gestärkt werden. "Dafür brauchen wir vor allem bessere Standortbedingungen." Wie das seiner Meinung nach erreicht werden kann, hat er schon aufschreiben lassen. Sein "Wachstumschancengesetz" sieht unter anderem Investitionsprämien vor, bessere Abschreibungsmöglichkeiten und eine großzügigere Forschungsförderung. Sein geplantes "Zukunftsfinanzierungsgesetz" wiederum soll die Kapitalmarktbedingungen für Start-ups verbessern. Weitere Schritte müssten folgen, so Lindner, "zum Beispiel, indem wir überbordende Bürokratie abbauen".

Eine Aufhebung der Schuldenbremse ist für den Finanzminister "ausgeschlossen"

Gegen weniger Bürokratie hätte vermutlich niemand etwas einzuwenden, doch die Konflikte schlummern woanders. Seit diese Woche bekannt geworden ist, dass die Regierung dem taiwanischen Chip-Hersteller TSMC die Ansiedlung in Dresden mit fünf Milliarden Euro schmackhaft machen will - nachdem schon Intel für eine geplante Fabrik in Magdeburg zehn Milliarden bekommen soll -, stellt sich die Frage nach dem industriepolitischen Kurs. Milliardenschwere Subventionen oder lieber Steuern senken und Bürokratie abbauen?

Die Grünen-Fraktion hat prompt ein 30 Milliarden Euro schweres Konjunkturprogramm gefordert. "Immer neue staatliche Konjunkturprogramme wären in einem inflationären Umfeld genau der falsche Weg", sagt dagegen FDP-Minister Lindner. Er verweist darauf, dass die öffentlichen Investitionen aus dem Bundeshaushalt und dem Klima- und Transformationsfonds "auf Rekordniveau" lägen. "Es gibt keine Notwendigkeit, noch mehr staatliche Mittel einzusetzen." Eine Aufhebung der Schuldenbremse oder die Zweckentfremdung von Mitteln aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds, die eigentlich nur für die Strom- und Gaspreisbremse gedacht sind? Für Lindner "ausgeschlossen", aus "fiskalischen, ökonomischen und rechtlichen Gründen".

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Anders als seine Fraktionskollegen hält auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ein Konjunkturprogramm klassischer Prägung, bei dem der Staat Milliarden in die Hand nimmt, um die Nachfrage anzukurbeln, für wenig sinnvoll. Zum einen würde ein solches Paket die Preise etwa im Baugewerbe weiter anheizen und die Bemühungen um eine Senkung der Inflation konterkarieren. Vor allem aber: "Wir haben nicht in erster Linie ein konjunkturelles, sondern ein strukturelles Problem in Deutschland", heißt es in Habecks Haus. Die zentrale Herausforderung seien die vielen, oft über Jahrzehnte gewachsenen Investitionshemmnisse, mit denen Unternehmen zu kämpfen haben. Dazu zählen aus Sicht des Wirtschaftsministers der Fachkräftemangel, die in weltwirtschaftlichen Flautezeiten problematische Exportlastigkeit der deutschen Wirtschaft und die gesunkene Wettbewerbsfähigkeit des Standorts.

In der Analyse der Lage gibt es also durchaus Gemeinsamkeiten zwischen dem grünen Wirtschafts- und dem liberalen Finanzminister. Nur ist Habeck in weitaus größerem Maße als Lindner bereit, mit Subventionen gegen die Standortschwäche zu kämpfen. Zum Beispiel angesichts der Klagen vieler Firmen über die hohen Energiepreise.

Die Unsicherheit darüber, wie viel vor allem Strom in Zukunft kosten wird, hält auch der Ökonom Sebastian Dullien, Chef des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, für die wichtigste Investitionsbremse. Habeck will deshalb energieintensiven Unternehmen mit einem staatlich subventionierten Industriestrompreis eine Brücke ins Zeitalter des - angeblich - günstigen Ökostroms bauen. Lindner ist strikt dagegen: Zu teuer, zu ungerecht gegenüber anderen Firmen, verfassungswidrig, so seine Argumente. Entsprechend festgefahren seien die Verhandlungen um einen Industriestrompreis, heißt es aus der Regierung. Auch das SPD-geführte Kanzleramt zeigt wenig Enthusiasmus - obwohl sozialdemokratische Wirtschaftspolitiker die Idee mit am vehementesten vortragen.

Nach der Sommerpause beginnt die zweite Hälfte der Legislaturperiode. Der Diskussionsstoff dürfte der Ampel bis zum Ende reichen.

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