Bundestag:"Die Bürgerinnen und Bürger sind diesen Stillstand leid. Und ich bin es auch"

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Scholz muss sich bei der Generaldebatte im Bundestag Kritik aus der Opposition stellen. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Bundeskanzler Scholz will mit einem "Deutschlandpakt" das Land schneller und digitaler machen. Er ruft CDU-Chef Merz auf, sich ihm anzuschließen. Der kritisiert ihn zuvor heftig.

Von Leopold Zaak

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schlägt den Bundesländern und Kommunen einen sogenannten "Deutschlandpakt" vor. Planungen sollen vereinfacht, Genehmigungsverfahren beschleunigt, die Verwaltung digitalisiert und die Bürokratie abgebaut werden. Das soll die Wirtschaft neu beleben. Für seinen Pakt möchte Scholz auch die demokratische Opposition gewinnen. "Mein Vorschlag richtet sich aber ausdrücklich auch an Sie", sagt Scholz in Richtung von CDU-Chef Friedrich Merz bei seiner Rede in der Generaldebatte im Bundestag.

Die Generaldebatte ist für die Opposition stets eine wichtige Gelegenheit, ausführliche Kritik an der Regierung zu üben. Das Prozedere dabei: Der Oppositionsführer beginnt, dann antwortet der Kanzler und reagiert auf die Kritik. Scholz tut das dieses Mal mit energischen Worten. Er wirft Merz vor, eine schiefe Vorstellung von "Leistung" zu haben. Leistung sehe Merz offenbar nur bei Menschen, die mehr als 120 000 Euro im Jahr verdienen, ruft Scholz in Richtung des Oppositionsführers. Dieser hat zuvor in seiner Rede kritisiert, dass die Ampel es Arbeiterinnen und Arbeitern unter bestimmten Umständen ermögliche, früher in Rente zu gehen. "Was ist das für ein Leistungsbegriff?", fragt Olaf Scholz vorwurfsvoll.

Merz greift den Kanzler in der Generaldebatte mehrfach direkt an. Der von Scholz 2022 ausgerufenen "Zeitenwende" werde der Bundeshaushalt für das kommende Jahr nicht gerecht. Vor allem die mittelfristige Finanzierung der Bundeswehr sei nicht gesichert. Der SPD und den Grünen wirft er vor, die Bundeswehr zu vernachlässigen. Das von den Parteien "ungeliebte Kind" stehe bald vor einer strukturellen Unterfinanzierung. Spätestens 2027 werde eine Lücke von mindestens 30 Milliarden Euro im Verteidigungshaushalt klaffen, sagt Merz. Großer Verlierer seien Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), die Soldaten der Bundeswehr - und auch die Bündnispartner hätten Vertrauen verloren.

Merz kritisiert SPD und Grüne, der FDP reicht er die Hand

Anschließend betont Merz die Konfliktlinien zwischen den Ampel-Partnern. Beispielhaft sei die Rede von Christian Lindner (FDP) vom Dienstag gewesen. Dort habe es zwischenzeitlich keinen Applaus aus den Reihen der SPD und der Grünen gegeben, als der Finanzminister argumentierte, im kommenden Haushalt die Ausgaben kürzen zu wollen. Es gebe nun zwei Oppositionsführer in diesem Haus, sagt Merz scherzhaft in Richtung Lindner - der eine sitze auf der Regierungsbank, der andere im Parlament. "In diesem Sinne: Auf eine gute Zusammenarbeit, Christian Lindner."

Auch auf verschiedene Gesetzesvorhaben der Ampel geht Merz ein. Das Heizungsgesetz solle gestoppt werden, das Bürgergeld sorge dafür, "dass sich Leistung nicht mehr lohnt", verfrühte Renteneintritte müssten rückgängig gemacht werden. Auch in der Migrationspolitik wirft er der Regierung Versäumnisse vor.

Scholz verteidigt sich in seiner Rede nicht nur gegen Merz und greift die Union seinerseits an - er übt auch Kritik an seinen Koalitionspartnern, ohne die Grünen und die FDP beim Namen zu nennen. Es sei zu laut gestritten worden in den vergangenen Monaten, sagt er. Durch "zupackende Arbeit für unser Land" soll denen etwas entgegengesetzt werden, "die politischen Profit schlagen wollen aus Abstiegsszenarien und Panikmache".

Der "Deutschlandpakt" soll im "Deutschlandtempo" umgesetzt werden

Deutschland sei in vielen Bereichen zu langsam, der Bundeskanzler bemängelt vor allem bürokratische Hürden, die das Land und seine Bürger lähmten. In anderen Staaten würden ganze Stadtteile gebaut, während in Deutschland ein einziges Hochhaus geplant werde. "Die Bürgerinnen und Bürger sind diesen Stillstand leid. Und ich bin es auch", sagt Scholz.

Neben einer digitalen Verwaltung und dem Abbau der Bürokratie soll auch die Infrastruktur modernisiert werden. In den kommenden vier Jahren erhalte die Deutsche Bahn 24 Milliarden Euro an zusätzlichem Investitionsspielraum. Das sei das größte Investitionsprogramm in so kurzer Zeit "seit der Dampflok".

Vorbild für seinen "Deutschlandpakt" soll eine andere Scholz'sche Wortschöpfung sein - das "Deutschlandtempo". Damit hatte die Bundesregierung im vergangenen Jahr innerhalb einiger Monate den Bau von Flüssigerdgasterminals vorangetrieben, um ausbleibendes russisches Gas zu ersetzen. Dafür brauche es moderne Gesetze und weniger Bürokratie. Aber auch Bund, Länder, Kommunen, Verbände und die Privatwirtschaft sollen daran mitwirken.

Wohl eher keine Unterstützung bei seinem "Deutschlandpakt" sollte Scholz von Seiten der Linkspartei erwarten. Fraktionschefin Amira Mohamed Ali warf der Ampel ein "grottenschlechtes Regierungshandeln" vor. Einer der zentralen Kritikpunkte: Die Ampel gebe Geld für Rüstung aus, während sie im Sozialbereich einspare.

AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla fordert derweil den Rücktritt des Bundeskanzlers und Neuwahlen. Seine Regierung, aber auch die anderen Oppositionsparteien verträten "schon lange nicht mehr" die Interessen der Bevölkerung.

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